Als „Instalover“ bezeichnet sich Dorothee Bär in ihrem Instagram-Profil. Das Smartphone liegt stets griffbereit.

Seit März 2018 ist Dorothee Bär die erste Staatsministerin für Digitales in Deutschland. Unermüdlich wirbt sie im Namen der Bundesregierung für digitale Themen, diese Woche etwa auf dem Tech Open Air (TOA) in Berlin. Für diese Aufgabe verantwortet die CSU-Politikerin zwar kein eigenes Budget und hat nur wenig Personal, scheint das aber mit großem Enthusiasmus fürs Digitale ausgleichen zu wollen. Diese positive Grundeinstellung habe sie mit Investor und DHDL-Juror Frank Thelen gemein, erzählt sie im Interview mit Gründerszene.

Dorothee Bär, was halten Sie als Staatsministerin für Digitales von einem Digitalisierungsministerium, wie es oft gefordert wird?

Ich glaube, dass es eines geben wird, weil der Druck da ist. Es wird aber sehr stark vom Zuschnitt und den Kompetenzen abhängen, ob es der Digitalisierung noch mehr Schubkraft verleihen kann oder nicht.

Sehen Sie sich an der Spitze eines solchen Ministeriums?

Für mich ist das nicht die primäre Frage. Als Politikerin macht man mit seiner Person, Schaffenskraft und Kompetenz immer in erster Linie ein Angebot. Für mich hat das bisher gut funktioniert. Ich habe immer die Positionen angenommen, in denen ich der jeweiligen Sache am besten dienen konnte. Sie können so gut wie in jedem Amt das Thema Digitalisierung voranbringen, von der Vorsitzenden des Petitionsausschusses bis hin zu sämtlichen Ressorts. Ich bin aber nicht nur Staatsministerin, sondern habe auch ein direktes Bundestagsmandat. Es ist etwas ganz Besonderes, direkt von der Bevölkerung gewählt zu sein. Das ist mir sehr wichtig.

Seit mehr als einem Jahr sind Sie Staatsministerin für Digitales. Auf was sind Sie besonders stolz?

Stolz ist vielleicht das falsche Wort. Aber ich freue mich, dass vieles, was wir in den Koalitionsvertrag geschrieben haben, auch schon umgesetzt wurde. Das sind viele Maßnahmen, mit denen wir neue Wege gehen: Sei es die Einsetzung des Digitalrats für die Kanzlerin, den wir als Thinktank fürs komplette Kabinett ausgeweitet haben. Ich könnte jetzt noch viele weitere Maßnehmen nennen, wie die KI- und die Blockchain-Strategie oder die Verbesserung bei der Startup-Förderung. Über alledem steht aber das Anstoßen eines neuen Denkens und einer neuen Herangehensweise. Es ist beispielsweise ein absolutes Novum für die deutsche Verwaltung, dass wir mit dem Bürgerportal mit einer Beta-Version gestartet sind und auch sehr bewusst die Erfahrungen der Nutzer bei der Weiterentwicklung einbeziehen.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit anderen Ministerien?

Natürlich hängt das immer sehr stark an einzelnen Personen, insofern ist es ein „sowohl als auch“. Aber es funktioniert besser als erwartet. Ich dachte, dass man noch viel mehr den ein oder anderen zum Jagen tragen müsse. Inzwischen hat aber eine gesunde Konkurrenz zwischen den Häusern eingesetzt. Wenn ein Ressort etwas nicht machen will, dann besetzt es schnell eine andere Kollegin oder eine anderer Kollege. Dieser Wettbewerb funktioniert.

Lest auch

Vergangenes Jahr haben Sie einen Innovation Council gestartet. In diesem Expertengremium sitzt auch Investor und DHDL-Juror Frank Thelen, der vielen als Ihre Verbindung in die Startup-Branche gilt. Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu ihm beschreiben?

So wie zu allen anderen Mitgliedern im Innovation Council auch. Das sind alles Leute, die ins Gelingen verliebt sind, die den Standort Deutschland nicht aufgegeben haben, die fest daran glauben, dass wir etwas bewegen können.

Was haben Sie von Frank Thelen gelernt?

Es ist eher eine gemeinsame Einstellung, andere bei der Digitalisierung begeistern und mitreißen zu wollen. Wenn man die ganze Zeit von Bedenkenträgern umgeben ist, dann färbt das manchmal eben schon ab, man fängt an zu zweifeln. Zu gute Laune und positives Denken gelten in Deutschland ohnehin als verdächtig. Da ist es gut, sich mit den Mitgliedern aus meinem Innovation Council auszutauschen, die extrem positiv denken, ein gesundes Maß an Verrücktheit mitbringen und kein Nein akzeptieren. Und die Scheitern nicht als etwas Negatives ansehen, sondern als Erfahrung verbuchen.

Lest auch

Im Manager Magazin wurde Frank Thelen vor einigen Monaten vorgeworfen, seine politischen Kontakte für Geschäftliches auszunutzen. Auch Ihr Name fiel in diesem Zusammenhang. Es hieß, Thelen habe Sie auf Themen wie Blockchain und Flugtaxis angesetzt, weil er Startups aus diesen Bereichen finanziert. Was sagen Sie dazu?

Wenn Sie Staatsministerin für Digitales sind, dann müssen sie natürlich in einem engen Austausch mit Leuten aus der Wirtschaft stehen. Sei es mit großen Unternehmen, KMUs oder Startups. Davon abgesehen: Es ist ja auch wirklich sehr verrückt, über Blockchain zu sprechen im Jahr 2019! Ironie off. Und was das Thema Flugtaxi betrifft: Ich bin genauso mit Airbus, Volocopter und anderen internationalen Anbietern im Austausch. Es geht hier ja um eine Technologie und nicht um einen einzelnen Anbieter. Aber das sind auch nicht die Themen, mit denen sich das Innovation Council im Schwerpunkt befasst. 

Glauben Sie wirklich, dass Flugtaxis das Verkehrsproblem in Deutschland lösen können?

Ein Flugtaxi ist kein Allheilmittel, aber es ist eine wichtige Ergänzung. Und es wird gerade weltweit daran gearbeitet. Ich habe immer noch ein Trauma, weil wir den Transrapid zwar entwickelt, aber nicht im eigenen Land in den Regelbetrieb gebracht haben. Das darf uns bei keiner anderen neuen Technologie mehr passieren.

Das Thema Zeiterfassung hat in den vergangenen Wochen nicht nur die Startup-Welt polarisiert. Auch wenn es nicht in Ihren Aufgabenbereich fällt – was halten Sie von dem EuGH-Urteil?

Durch einen Vorstoß aus Spanien müssen jetzt in ganz Europa Regelungen in einem Bereich gefunden werden, der sehr sensibel ist, wenn es um das Gelingen der Digitalisierung geht. Arbeitnehmerrechte sind wichtig, keine Frage. Aber wir müssen auch die Arbeitsrealität von heute widerspiegeln. Auch in den Koalitionsverhandlungen habe ich erlebt, wie beim Thema Homeoffice über den Neigungsgrad von Fußstützen diskutiert wurde – dabei wollen die Menschen vielleicht lieber vom Liegestuhl aus arbeiten. Es gibt genug Berufe, wie in der Fertigung am Fließband, in denen man nicht flexibel arbeiten kann. Dort, wo es geht, sollte die Möglichkeit dazu gegeben werden. Vertrauensarbeitszeit und flexible Arbeitsformen sind wichtige Pfeiler der heutigen Arbeitswelt.

Lest auch

Bild: Sarah Heuberger/ Gründerszene