Die Ära der Elektrokleinstfahrzeuge könnte nach weniger als einem Jahr wieder vorbei sein. Kaum zugelassen, drohen drastische Regulierungen.

Update vom 14.02.2020, 15:45 Uhr: Der Antrag zur Überarbeitung des Artikel aus der Straßenverkehrsordnung, der den Betrieb der E-Tretroller einschränken würde, hat im Bundestag keine Mehrheit erhalten. Damit kommen vorerst keine Änderungen auf die Sharing-Dienste von E-Tretrollern zu.

Sollte der Bundesrat diesen Freitag die Änderungen der Straßenverkehrsordnung beschließen, könnte das massiv das bisherige Geschäftsmodell der E-Tretroller-Verleiher beeinträchtigen. Denn laut der geplanten Verordnung sollen Städte in Zukunft selbst darüber entscheiden, ob die Elektrokleinstfahrzeuge im Free-Floating-Betrieb überhaupt zulässig sind. Außerdem heißt es darin: „Das Parken von Elektrokleinstfahrzeugen und Fahrrädern auf für den Fußgängerverkehr vorgesehenen Verkehrsflächen bedarf der Erlaubnis, wenn dies zu gewerblichen Zwecken, insbesondere zur Vermietung der Fahrzeuge oder zu deren Verleih, erfolgt.“

Die Änderung liefe also darauf hinaus, dass die Roller nicht mehr frei platziert werden können. Doch darauf basiert letztlich das Geschäftsmodell aller derzeit tätigen Sharing-Dienste.

Startups wie Tier Mobility, Voi oder Bird befürchten, dass ihr Business mit der neuen Verordnung kaum mehr rentabel betrieben werden könne. Tier-Mobility-Gründer Lawrence Leuschner vermutet, dass einige Städte die Anzahl der Roller stark einschränken oder womöglich gar keine Genehmigungen für den Betrieb erteilen könnten. Das US-Unternehmen Bird sieht ähnliche Probleme auf die Branche zukommen. „Städte könnten für das Abstellen am Bürgersteig Gebühren erheben“, sagt ein Sprecher gegenüber Gründerszene. 

Derzeit ist beispielsweise Tier Mobility mit etwa 26.000 Scootern in 55 Städten in zwölf Ländern aktiv. Allein in Berlin sind insgesamt rund 10.000 Roller von Lime, Voi, Circ, Tier Mobility und Uber vertreten. Weitere Städte sollen folgen. Auch das Startup Circ, das kürzlich von Wettbewerber Bird übernommen wurde, hatte angekündigt, in mehrere deutsche Kleinstädte expandieren zu wollen. Ob es dazu kommen wird, könnte sich mit der Entscheidung des Bundesrats noch vor dem Saisonstart klären. 

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Seit der Zulassung der Elektrokleinstfahrzeuge im Frühjahr vergangenen Jahres hatte es immer wieder Ärger zwischen Sharing-Anbietern und Kommunen gegeben – wegen zugestellter Bürgersteige und anderer Verkehrsdelikte. Im Spätsommer hatten sich die meisten großen Anbieter zusammen mit dem Deutschen Städte- und Gemeindebund in einem „Memorandum“ geeinigt und freiwillig dazu verpflichtet, dass E-Tretroller unter anderem nicht mehr vor Gedenkstätten parken und die Betreiber ihre Fahrzeuge eigenverantwortlich entfernen sollen.

„Den Scooter-Verleihern ist klar, dass ein Nicht-Einhalten solcher Vereinbarungen dazu führen würde, dass Städte rechtsverbindliche Formen vorantreiben“, sagt ein Sprecher von Tier Mobility dazu. Der Berliner Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz bestätigt dies auf Nachfrage. Doch dem Senat, der den Antrag unter Verkehrssenatorin Regine Günther maßgeblich angestoßen hat, scheint das nicht auszureichen. 

Was die Politik mit einer Regulierung erreichen will

Das Problem seien vielmehr die Nutzerinnen und Nutzer von E-Tretrollern, die immer wieder den Einsatz von Polizei und Ordnungsamt erforderten, so ein Sprecher. Der Ausschuss begründet seinen Vorstoß zur Gesetzesänderung damit, dass etwaige Behinderungen durch die Roller bislang „kaum sanktionierbar“ seien. Besonders „touristisch bedeutsame Städte“ wie etwa Berlin hätten unter der Masse an E-Scootern zu leiden, heißt es darin weiter. Die neue Verordnung sieht deshalb vor, Bußgelder für falsches Parken auf Geh- oder Radwegen anzuheben. 

Der Senat versucht indes, die Scooter-Unternehmen zu beschwichtigen. „Durch eine Erlaubnispflicht, so sie denn käme, entsteht selbstverständlich mehr Aufwand, als wenn E-Tretroller einfach so abgestellt werden,“ heißt es von dem Sprecher der Berliner Senatsverwaltung. Doch die Sondernutzung von Straßenland, ähnlich wie sie für die Gastronomie oder für Veranstaltungen gilt, sei für die Verwaltung ein eingeübter Vorgang, weshalb man diesbezüglich keine großen Probleme sehe.

Scooter-Anbieter fordern weniger Platz für Autos

Generell sehen die Verantwortlichen von Tier Mobility und Bird ein, dass es eine einheitliche Regulierung braucht – allerdings nicht unter den vom Verkehrsausschuss vorgeschlagenen Auflagen. Die neue Verordnung würde zudem eine Bevorzugung von Leihfahrrädern vorsehen, da diese nicht von einer Sondergenehmigung betroffen wären, kritisieren die Startups. Bird schlägt deshalb vor, dass Städte, ähnlich wie es schon in Paris geschieht, den Straßenraum sinnvoller nutzen und zusätzliche Parkzonen für Kleinstfahrzeuge schaffen. Heißt so viel wie: weniger Platz für Autos, mehr für neue Mobilitätslösungen.

Bislang werden im Straßenbereich überwiegend Pkws bevorzugt behandelt, was auch die Fahrradfahrer-Lobby immer wieder beanstandet. Außerdem will man seitens der E-Scooter-Anbieter mehr auf Boni oder Strafen setzen – je nachdem, ob Nutzer ihr Fahrzeug in vorgeschlagenen Bereichen oder unsachgemäß parken.

Worauf sich die Branche gefasst machen sollte

Angenommen, die Verordnung käme durch: Die Alternative zum Free-Floating wäre ein stationsbasierter Service, der allerdings die Verfügbarkeit der Tretroller massiv auf einzelne Orte eingrenzen würde. Wenn der Fußweg zwischen Roller und Ziel länger wird, würde das den Dienst deutlich unattraktiver für Kunden machen. Hinzu kämen bürokratische Hürden und Verzögerungen, wenn zuvor eine Sondergenehmigung beantragt werden müsste. Das hätte vor allem für bereits am Markt agierende Dienste wirtschaftliche Einbußen zur Folge, da die Flotten für die kommende Saison gerade produziert werden oder schon bereitstehen. Derzeit ist der Rollerbestand aufgrund der Wintersaison noch stark reduziert.

Eine weitere Preiserhöhung der Dienste scheint nicht infrage zu kommen, da Elektrokleinstfahrzeuge teilweise schon jetzt in die Preisspanne von Carsharing geraten. Zum Vergleich: In Berlin kostet der teuerste Dienst von Lime derzeit 20 Cent pro Minute und einen Euro Startgebühr. Ein Smart ist bei Sharenow (ehemals Car2go) schon ab 19 Cent pro Minute zu haben.

Was bestenfalls passiert

Wenn die Politik die Verkehrswende und die damit verbundenen Klimaziele ernst nehmen will, sollte sie zugunsten alternativer Mobilitätsangebote den Straßenraum für private Automobile einschränken. Es braucht öffentliche Förderungen für neue Lösungen. Bislang erkennt die Stadtverwaltung Berlin jedoch nicht den Mehrwert neuer Angebote an, was auch die Debatte um das mögliche Ende des Rufbusses Berlkönig zeigt.

„Welche Rolle Elektrokleinstfahrzeuge, die es erst seit Sommer vorigen Jahres gibt, dauerhaft im Verkehrsmix und für die Mobilitätswende spielen können, ist noch offen“, so der Sprecher des Senats. Ein Nachweis, dass E-Tretroller-Fahrten Autofahrten ersetzen können, sei derzeit nicht erbracht. Statistiken, die zeigen, dass weniger Autos auf den Straßen unterwegs sind, weil mehr Menschen auf E-Tretroller umsteigen, gibt es tatsächlich nicht. Nur braucht es dafür auch mehr Zeit und Bereitschaft neue Technologien zu testen, um die Entwicklung in einer Stadt nachvollziehen zu können.

Da noch keines der Sharing-Unternehmen profitabel wirtschaftet und gerade erst die Konsolidierung des Marktes stattfindet – was die Akquise von Circ zeigt – würde eine Einschränkung des Geschäftsmodells auf stationäre Lösungen Einnahmeausfälle für die Unternehmen bedeuten und die Etablierung einer neuen Fortbewegungsmöglichkeit erschweren.

Finanzielle Anreize durch die Betreiber könnten dabei helfen, dass Kunden die Roller ordnungsgemäß abstellen. Was allerdings in einem gemeinsamen Gremium mit der Stadtverwaltung geregelt werden sollte, ist eine faire und dem Bedarf angemessene Verteilung von Fahrzeugen unterschiedlicher Anbieter in einer Stadt. So muss es in der kommenden Saison nicht zu einer Massenüberschwemmung kommen – wenn etwa in Berlin die Anbieter Bird und Dott in den Markt einsteigen und zusätzlich der US-Anbieter Lime seine Flotte massiv aufstockt.

Dieser Artikel erschien zuerst am 14. Februar 2020 und wurde am 17. Februar 2020 aktualisiert.

Bild: Getty Images /INA FASSBENDER