Ulrich Wilhelm macht sich Sorgen um die Freiheit und Vielfalt in Europa.

Der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm hat einen Plan. Er will eine europäische digitale Plattform entwickeln, die eine Alternative zu US-Angeboten wie Youtube, Google und Facebook darstellen soll. Der Ex-Sprecher von Bundeskanzlerin Angela Merkel fliegt derzeit durch Europa, um Verbündete für dieses Projekt zu gewinnen. Auch mit Medienunternehmern hat Wilhelm bereits gesprochen. In einem Interview mit dem Handelsblatt hat er sein ehrgeiziges Vorhaben erklärt:

„Es geht mir um eine Infrastruktur, an der vielfältige Produkte andocken können – die kostenlose Mediathek des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, aber auch kostenpflichtige Angebote von Privaten. Und wir brauchen die Verlage, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur, Institutionen und Verbände, die mit ihren Angeboten täglich Millionen auf dieser Plattform zusammenbringen.“

Laut Wilhelm sei der Bedarf an so einer Plattform in Europa sehr groß, weil die US-Angebote nicht den europäischen Freiheitsgedanken und die Werte beinhalten würden. Ulrich: „Europa ist in Gefahr, die digitale Hoheit über seine prägenden Werte zu verlieren.“ Dabei soll die Plattform nicht einfach eine Art europäisches Netflix werden. Wilhelm sagt, die Idee sei viel größer:

„Was wir brauchen, ist eine europäische digitale Infrastruktur – eine Plattform von Qualitätsangeboten im Netz, an der sich die öffentlich-rechtlichen, die privaten Rundfunkanbieter, die Verlage, aber auch Institutionen aus Wissenschaft und Kultur und viele andere beteiligen können.“

Wilhelm will bei der Konzeption dieser neuen Plattform durchaus Knowhow von Facebook, Google und Youtube übernehmen. Allerdings sieht der ARD-Chef die Notwendigkeit einer Regulierung, weil es zu „einer unglaublichen Fehlentwicklungen mit Desinformation und Wahlbeeinflussung“ gekommen sei. Man könne nicht alles den Geschäftsbedingungen von wenigen privaten Großunternehmen unterwerfen. Europa solle dagegen Rahmenbedingungen für eine eigene digitale Plattform schaffen, die die kulturelle Identität und unser Verständnis von Privatsphäre und Datenschutz beinhalten.

Täglich Millionen Menschen zusammenbringen

Im Handelsblatt-Interview berichtet Wilhelm bereits über Einzelheiten seiner Idee. Die europäische Plattform soll eine Suchfunktion enthalten, die Interaktion mit Nutzern ermöglichen und gemeinsame Login-Systeme bieten. Sie soll offen gestaltet werden, sodass viele unterschiedliche Inhalte und Geschäftsmodelle integriert werden können. Dazu brauche man Verlage, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur, Institutionen und Verbände, die mit ihren Angeboten täglich Millionen Menschen auf dieser Plattform zusammenbringen könnten.

Laut Wilhelm würden als Anschubfinanzierung 50 Millionen Euro ausreichen, die aus dem Wagniskapital öffentlicher Banken oder Stiftungsgeld stammen könnten. Dann wolle man im Stile eines agilen Startups einen Prototypen entwickeln. Zunächst müsse die Politik die Gespräche mit Inhalteanbietern moderieren, sagt Wilhelm. Danach müsse eine staatsferne und unabhängige Trägerschaft stehen.

Im Gespräch mit dem Handelsblatt macht Wilhelm deutlich, dass er es als gefährlich ansieht, die Verbreitung von Inhalten kampflos der amerikanischen Konkurrenz zu überlassen. Mit der europäischen Plattform soll eine ungeteilte, integrierte Öffentlichkeit hergestellt werden, weil die Zersplitterung gefährlich für die Demokratie sei:

„Heute gilt: Je zugespitzter und emotionaler ein Inhalt im Netz ist, desto verlässlicher verbreitet er sich. Das führt zu Radikalisierung und Polarisierung. Die Folgekosten sind umso größer, je mehr Europa zerrieben wird. Demokratie braucht, wenn es darauf ankommt, eine ungeteilte, integrierte Öffentlichkeit statt immer mehr Teilöffentlichkeiten und Filterblasen, in denen sich nur die jeweils eigene Weltsicht bestätigt.“

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