Man könnte mit der gesparten Zeit auch ein Musikinstrument lernen. Mandoline ist nicht sehr schwierig.

Da ist immer noch dieses kurze Zucken. Wenn ich einen bemerkenswerten Artikel lese, dann drücke ich – aus Reflex – auf die Stelle meines iPhone-Screens, an der jahrelang das Logo der Facebook-App prangte. Doch dort befindet sich seit 10 Tagen etwas anderes. Kein Facebook mehr. Kein Teilen von Artikeln mit meinen fast 5000 Kontakten dort. Keine endlosen Diskussionen vor dem Einschlafen. Ich bin weg. Raus. Mein Konto ist gelöscht. Und so wie es aussieht, werde ich es nie mehr aktivieren. 

Es geht mir nicht um meine Daten. Die liefere ich Facebook ja immer noch per Instagram. Von Google ganz zu schweigen. Es geht mir auch nicht um die Angst, dass ich von dunklen Meinungsindustrien und falschen Nachrichten beeinflusst werde oder ich das Gefühl habe, ich sei abhängig und bräuchte dringend eine digitale Detox-Phase. Ich habe Facebook ganz schlicht und einfach als Werkzeug betrachtet. Leider ist das Werkzeug in den vergangenen Jahren stumpf geworden. Es erfüllt seinen Zweck nicht mehr. Danke. Das war’s mit uns.

Verschwimmende ideologische Grenzen 

Fast zehn Jahre lang Jahren bot mir mein Facebook-Stream einen wunderbaren Überblick über die Themen des Tages. Er zeigte mir Artikel, die ich sonst nie gefunden hätte, in den Kommentaren fand ich Argumente, die mir selber nicht eingefallen wären. In den Anfangstagen verschwanden die ideologischen Grenzen zwischen Meinungsinhabern, es entstand in meinen Strom am eine einmalige, aufregende Mischung von Meinungen und Einlassungen.

Da war mein Kreis aus Musikerfreunden, den man mit ein paar Ausnahmen zum eher linken politischen Spektrum zählen kann. Dazu die Journalisten-Kollegen aus allen möglichen Himmelsrichtungen. Dann noch eine Reihe von Leuten, die ich nie persönlich getroffen habe, deren Expertise in ihren Fachgebieten bemerkenswert war. Dazu ganz viele Medien, die ich abonniert hatte und die mich auf dem Laufenden hielten. Unter einem Artikel, den ich geteilt hatte diskutierten munter mein Schlagzeuger aus alten Zeiten mit einem meiner ehemaligen Chefredakteure. Purer Pop!

Wo ist eigentlich der Humor geblieben?

Durch die letzte Änderung des Algorithmus veränderte sich diese Mischung. Sie wurde immer fader. Abonnierte Medienmarken tauchten nur noch selten in meinem Blickfeld auf. Gründerszene ist übrigens auch davon betroffen. Die Postings von Privatpersonen dominierten. In den Kommentaren bildeten sich schnell die immer gleichen Fronten. Immer häufiger wurden Meinungsartikel, die ich verlinkt hatte, um eine Diskussion anzuregen, böswillig mit meiner eigenen Meinung verwechselt. Wo ist der gute Wille geblieben?

Persönliche Beleidigungen, die früher in Ausnahmefällen vorgekommen sind, waren plötzlich gang und gäbe. Die schönen, humorvollen Diskussionen unter meinen Einträgen wurden zur Ausnahme. Aus ihnen wurden traurige Monokulturen einer trotzköpfigen, schlecht gelaunten Diskussionsverweigerung.

Es fühlt sich an wie ein neues Leben

Seit zehn Tagen halte ich es nun ohne Facebook aus. Es ist eigentlich wie mit dem Rauchen. Man muss einfach aufhören. Von heute auf morgen. Und es ist gar nicht so schwer. Denn außer dem leichten Zucken in den Fingern habe ich jetzt einen völlig neuen Smartphone-Screen. Mit ein paar neuen Nachrichten-Aufbereitern. Die wollte ich immer schon nutzen, es fehlte mir durch Facebook lediglich die Zeit dazu. Es fühlt sich an, wie ein völlig neues digitales Leben. 

Nein, ich möchte niemand dazu aufrufen, Facebook zu verlassen. Wenn das Netzwerk seinen Zweck für euch erfüllt – bleibt dabei. Aber genau diese Frage könnte man sich hin und wieder tatsächlich stellen: Erfüllt Facebook noch seinen Zweck für mich? Oder bin ich vielleicht nur noch aus Gewohnheit dabei? Dann nichts wie raus in ein anderes digitales Leben. Es gibt ja noch so viele interessante Dinge, mit denen man seine Zeit verschwenden kann.

Zwischendurch könnte man auch mal etwas Musik hören. Zum Beispiel das neue Album der fantastischen Punch Brothers.