Flaschenpost wird zum Einhorn
Sieht nicht erfolgreich aus, ist es aber: Flaschenpost könnte zum Milliarden-Startup aufsteigen.

Diesen Artikel könnt ihr euch auch anhören. Die Audio Story findet ihr unter dem Text.

Wir brauchen dringend das neue Facebook. Daran besteht kein Zweifel, wenn man Politikern und Szeneköpfen zuhört. Nur mit einer eigenen, heimischen und milliardenschweren Tech-Firma kann Deutschland auch im Digitalen eine Spitzenposition belegen, sagen sie.

Die Frage, wie dieses „neue Facebook“ denn konkret aussehen könnte, wird meist mit Buzzwords wie KI, Deep-Tech oder Blockchain beantwortet. Man bekommt den Eindruck, als müssten eigentlich nur all diese Begriffe in einen Topf geworfen werden – und, schwupps, entsteht daraus wie von Zauberhand ein Startup, das es mit Google, Amazon und eben Facebook aufnehmen kann. Dann noch ein paar Millionen oder Milliarden Investment obendrauf und der Erfolg ist besiegelt. So zumindest klingt die öffentliche Diskussion, wenn es darum geht, dass das nächste Tech-Einhorn unbedingt aus Deutschland kommen muss.

Dass jetzt mit Flaschenpost ein Unternehmen zum Einhorn aufsteigen könnte (vielleicht sogar mit Milliarden-Exit), dessen Geschäftsmodell es ist, Getränkekisten von A nach B zu transportieren, passt nicht in dieses Bild. Klar, auch das Startup aus Münster arbeitet mit Algorithmen, um Prozesse zu verbessern und Profite zu steigern. Aber nirgends auf der Webseite des Getränkelieferanten steht etwas von Künstlicher Intelligenz oder smarten Flaschen. Stattdessen geht es um alltägliche, reale Produkte und so altmodische Dinge wie die Pfandrückgabe. Kann und darf so ein neues deutsches Vorzeige-Unternehmen aussehen? Ja!

Lest auch

Denn wenn sich alle nur darum kümmern, den neuesten Technologien und Geschäftsmodellen aus den USA und China nachzujagen, dann werden solide Unternehmen mit bodenständigen Ideen wie Flaschenpost nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdienen. Vergessen werden darf nicht, dass auch Flaschenpost mit Problemen zu kämpfen hat: Die Diskussion über mögliche Arbeitsschutzverstöße oder unseriöse Praktiken muss auch nach dem Exit weiter geführt werden.

Lasst uns also nicht nur blind den neuesten Buzzwords nachjagen. Sondern lasst uns auch die feiern, die mit vermeintlich langweiligen Produkten große Erfolge feiern. Deutschland braucht kein neues Facebook, es braucht eher viele neue Flaschenposts.

 

Bild: Getty Images / retales botijero