Wenn das eigene Startup strauchelt, kann es besser sein, ganz von vorn anzufangen.

Startup-Land feiert den Pivot. Erfolgsgeschichten wie Twitter oder Slack sind das Ergebnis von Pivots. Also ist ein Pivot doch sicher eine gute Sache, oder?

Nun, ich bin mir nicht so sicher. Und ich will ganz bestimmt nicht, dass Unternehmer glauben, ein Pivot sei der richtige Weg, wenn sie mit ihrer usprünglichen Idee gescheitert sind. Es kann besser sein, das strauchelnde Startup untergehen zu lassen und von vorne anzufangen.

Ich spreche hier nicht von einem leichten Kurswechsel – das Geschäftsmodell anpassen, aber mit dem gleichen Produkt; den gleichen Kunden ein leicht verändertes Produkt verkaufen; „upmarket“ gehen, um reichere Kunden zu gewinnen. Das sind keine wirklichen Pivots. Es sind Evolutionsschritte, die jedes Startup irgendwann geht.

Ich spreche von harten Pivots. Davon, das Produkt, den Markt, das Geschäftsmodell komplett zu ändern. Im Grunde wieder bei Null anzufangen

Und ich glaube nicht, dass das für jedes Startup das Richtige ist.

Aus folgenden Gründen:

Wer Geld für seine Startup-Idee einsammelt, verwässert seine Anteile und hat ein paar Investoren, die ihn und seine Idee unterstützen. Er stellt ein Team zusammen, das er mit der ursprünglichen Idee im Kopf aussucht.

Wenn diese Idee scheitert und er einen Pivot macht, wird er die verwässerte Anteilsstruktur und all die Investoren und Teammitglieder mitnehmen, unabhängig davon, ob sie davon begeistert sind oder nicht.

Der Gründer kann jederzeit alte Teammitglieder gegen neue austauschen. Es gibt also Teamprobleme, aber wahrscheinlich sind sie nicht so schlimm wie die Probleme mit den Investoren und der Verwässerung der Anteile.

Wenn sich ein Gründer für den Pivot-Ansatz entscheidet, hat er während der gesamten Lebensdauer des Unternehmens Investoren, die nicht in diese neue Geschäftsidee investiert haben. Sie haben möglicherweise keinerlei Interesse daran (außer finanziellem).

Aber das größere Problem ist die Verwässerung der Anteile, die der Gründer in sein nächstes Startup mitnimmt. Ich habe nie verstanden, warum Entrepreneure ein Unternehmen und einen Cap Table nutzen wollen, an dem sie nicht mehr zu 100 Prozent beteiligt sind, um ein neues Startup zu realisieren. Sie tragen nur Altlasten, die sie nicht tragen müssen und sollten.

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Ich verstehe das Argument, dass es attraktiv ist, mit einem Pivot eine neue Firma zu starten und schon Geld auf dem Konto sowie ein fertiges Team zu haben. Ohne diese beiden Dinge von vorn anfangen zu müssen, ist hart. Aber der schwierige Weg ist manchmal der bessere. Und der vermeintlich leichte Weg ist in Wahrheit oft der härtere.

Wenn du einmal ein Startup von Null aufgebaut hast, denke ich, kannst du es auch wieder tun. Und das wird es dir erlauben, viel mehr von deiner neuen Firma zu behalten, sie von Grund auf nach deinen Bedürfnissen zu gestalten und das ideale Team und den idealen Investorenkreis auszuwählen.

Ich hatte schon immer den Verdacht, dass Unternehmen sich auch aus Loyalität zu ihren Investoren für einen Pivot entscheiden. Sollte das der Fall sein, lasst mich euch sagen: Investoren wolle solche fehlgleitete Loyalität nicht.

Die Wahrheit ist: Die Ausfallrate bei Seed- und Early-Stage-Investments ist sehr hoch. Wir bei Union Square Ventures (USV) schreiben in einem von vier unserer Fonds Investments ab, normalerweise mehrfach. Bei unseren Kollegen von Gotham Gal Ventures, die viel früher investieren als USV, liegen die Raten noch sehr viel höher.

Early-Stage-Investoren sind also ans Scheitern gewöhnt. Es ist in unser Geschäftsmodell eingebaut. Als Gegenleistung dafür, dass wir die extrem hohen Ausfallraten akzeptieren, wollen wir spekatuläre Erfolgsgeschichten, bei denen einfach alles stimmt – die richtige Idee zur richtigen Zeit, mit dem richtigen Team, den richtigen Investoren und der richtigen Execution.

Pivots können all das liefern, glaube ich, aber nicht mit der gleichen Wahrscheinlichkeit wie Startups, die bei Null anfangen – angesichts der Altlasten, die sie mit sich tragen.

Es gibt für mich nichts Schlimmeres, als mit etwas weiterzumachen, woran ich das Interesse verloren habe – oder schlimmer noch: woran die Gründer das Interesse verloren haben.

Meine Meinung ist: Wenn du gescheitert bist, akzeptiere es, rede darüber, und komm mit den Folgen klar. Stelle den Betrieb ein, gib das Geld zurück und zerreiße den Cap Table. Dann tu, was auch immer du als nächstes tun willst. Wenn es ein neues Startup ist, fang ganz von vorn an und behalte soviel davon für dich, wie du kannst. Wenn es etwas anderes ist, nun, dann mach eben das.

Startups sind keine Verpflichtung zur Unterwürfigkeit. Ich habe viele erlebt, die sich so anfühlen. Das ist scheiße. Ich möchte jeden in Startup-Land dazu ermutigen, einen besseren Ansatz zu wählen. Es gibt so viele Sachne, an denen man arbeiten kann, und jeder sollte sicherstellen, dass es eine Sache ist, die einen begeistert. Alles, was dem im Wege steht, ist in meinen Augen suboptimal.

Die englischsprachige Originalversion dieses Artikels ist auf AVC.com erschienen.

Bild: Getty Images / Patrick Foto