Da waren sie noch guter Dinge: Ja Rule (links) und Billy McFarland in ihrem Fyre-Ankündigungsvideo

Traumatisierte Gäste, Mitarbeiter, die den Chef als Lügner bezeichnen, viel schlechte Presse, Gerichtstermine und ein völlig ramponierter Ruf: Aus dem Stoff dieser Doku sind Startup-Alpträume gemacht. Für Billy McFarland wurde er bittere Realität. Ins Unglück steuerte er sich dabei selbst.

Die Geschichte seines tiefen Falls beginnt mit einem fulminanten Werbevideo. Darin räkeln sich Topmodels wie Hailey Baldwin, Bella Hadid und Rose Bertram (siehe Instagram-Post unten) auf weißem Sand, fahren Jetski und tauchen in türkisfarbenem Wasser. Im Hintergrund: das Team von Fyre Media um Gründer McFarland und US-Rapper Ja Rule. Mit dem Clip wollten sie das sogenannte Fyre Festival promoten. Ihnen schwebte eine Musikveranstaltung auf Norman’s Cay vor, jener kleinen Insel in den Bahamas, die früher vom Medellín-Kartell um Pablo Escobar als Drogenumschlagplatz genutzt und jetzt im Video als Strandparadies beworben wurde. McFarland sprach vom „größten Event des Jahrzehnts“.

Das Festival wiederum war als Marketing-Aktion angelegt. Es sollte auf das eigentliche Produkt des dahinterstehenden Unternehmens Fyre Media verweisen: die Fyre App. Auf diesem Marktplatz sollten Endkunden im Tinder-Stil Künstler für ihre privaten Veranstaltungen wie Geburtstage buchen können. McFarland hatte zuvor bereits einen Kreditkarten-Club für betuchte Millenials namens Magnises gegründet und dabei Ja Rule kennengelernt. Auf junge Leute aus der Oberschicht als Zielgruppe hatte es McFarland, damals Mitte 20, also schon länger abgesehen.

Und so war auch der Festival-Werbespot das perfekte Futter für die junge, zu einem gewissen Grad oberflächliche Instagram-Community: Schöne Menschen vor toller Kulisse – so sieht der perfekte Social-Media-Content aus. Und das Video ging regelrecht viral. Dazu trugen auch die Posts bei, die die Models aus dem Video über ihre eigenen Instagram-Accounts teilten, teils mit Hinweis auf das anstehende Festival, teils ohne. Außerdem posteten sie orangefarbene Kacheln mit #fyrefestival. Dem Instagram-Sternchen Kendall Jenner bezahlte das Fyre-Team 250.000 US-Dollar, damit sie ein Foto mit Fyre-Hashtag postet. Die Presse berichtete über das mysteriöse neue Elite-Festival. Wer es sich leisten konnte und sich von den Instagram-Posts sowie den schwammigen Ankündigen auf der Webseite der Veranstalter verführen ließ, zahlte vier- bis fünfstellige Summen für ein Ticket. Innerhalb weniger Tage war das Event ausverkauft.

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Girlsssss??

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Käsesandwiches auf einer Baustelle statt Glamour und Luxus

Was McFarland und Ja Rule offenbar nicht wussten (oder wissen wollten): Um Elektrizität, fließendes Wasser und eine ausreichende Zahl an Unterkünften ist es auf den Bahamas nicht sonderlich gut bestellt. Mangelnde Erfahrung, wenig Zeit – zwischen der Veröffentlichung des Werbevideos und dem ersten Eventtermin im April 2017 lag nicht mal ein halbes Jahr – sowie der totale Übermut der Gründer führten dazu, dass aus dem anfänglich gehypten Festival ein absoluter Reinfall wurde.

Letztendlich wurden die reichen Kids statt in Privatjets in großen Chartermaschinen auf die Bahamas geflogen, statt luxuriöser Festival-Unterkünfte gab es zerfledderte Zelte mit durchnässten Matratzen auf einer Baustelle, die auf einer deutlich größeren als der ursprünglich versprochenen Insel lag. Statt Gourmet-Küche wurden traurige Käse-Sandwiches in Styropor-Verpackung serviert. Dafür hatte McFarland Millionen US-Dollar an Investoren- und Ticketgeldern verblasen.

Im Januar sind bei Netflix und dem Videodienst Hulu (der Dienst ist nur in den USA nutzbar) gleich zwei konkurrierende Dokus an den Start gegangen, die sich um die Ereignisse des Katastrophen-Festivals drehen. Auch wenn es manchmal schwerfällt hinzuschauen: Die Geschichte ist für Gründer genau deshalb Pflichtprogramm. Aus vielen Fehlern lernt zwar bekanntlich am besten, wer sie selber macht. Bei Fyre sollte es aber schon reichen, sich bloß anzuschauen, wozu Übermut, Großspurigkeit und Rücksichtslosigkeit führen können. Liebe Gründer, bitte nicht zuhause nachmachen! Diese Lehren könnt ihr aus dem Fyre-Fail ziehen:

  • Falsche Produktversprechen führen zu nichts. Im besten Fall. Im schlechtesten Fall enden sie in einer Katastrophe. Verprellte Kunden und ein völlig verbautes Image sind da noch die kleinste Gefahr. Schlimmer wird es, wenn etwas so maßlos überbeworben wird, dass Menschen dadurch zu Schaden kommen. Visionen zu verkaufen heißt nicht, heiße Luft zu verkaufen.
  • Mitarbeiter ernst nehmen, die Kritik äußern. Die Netflix-Doku deutet an, dass Bedenken von Mitarbeitern und Firmenpartnern am überheblichen McFarland und seinem Kernteam abprallten. Ein fataler Fehler, wie sich herausstellte. Mitarbeiter und Fachleute stecken häufig mindestens genauso tief in einem Projekt wie die Kollegen in Führungspositionen. Hör also zu, was sie zu sagen haben, nimm Feedback an. Und lass sie nur für dich arbeiten, wenn du sie auch bezahlen kannst (auch an diese banale Regel hat sich McFarland nämlich nicht gehalten).
  • Lieber früher die Reißleine ziehen als zu spät. Gründer müssen sich auch eingestehen können, dass ihre Ideen nicht immer funktionieren. Mehr Mut zum Scheitern!
  • Sauber kommunizieren. Wenn sich abzeichnet, dass sich Produkteigentschaften grundlegend ändern werden oder sich ein Plan nicht umsetzen lässt, sollten Verantwortliche alle wichtigen Anspruchspersonen (Kunden, Lieferanten, Behörden etc.) rechtzeitig informieren. Das Fyre Festival ist ein Paradebeispiel für katastrophal schlechte Kundenkommunikation. So löschte das Team negative Kommentare unter Posts und schaltete teilweise die Kommentarfunktion aus.

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  • Social Media zu instrumentalisieren kann nach hinten losgehen. Es mag vielleicht eine gute Idee gewesen sein, ein Festival wie Fyre mit einem schicken Ankündigungsvideo auf Instagram zu bewerben. Doch wer es darauf anlegt, Inhalte viral zu verbreiten, muss mit Shitstorms und entsprechend deftiger Medienresonanz rechnen, wenn etwas schiefgeht.
  • Junge Leute mit dem nötigen Kleingeld lassen sich viel Zeug andrehen. Kein Grund, sie auszunehmen.
  • Übernimm Verantwortung. Und mach nach einem Fail wie dem Fyre-Debakel nicht weiter mit ähnlich dubiosen Ideen, wie es Billy McFarland getan hat.
  • Lüge niemals Investoren an. McFarland machte seiner Zielgruppe nicht nur falsche Versprechungen, er legte seinen Geldgebern auch geschönte Umsatzzahlen vor, um die Millionen zu bekommen, die er für sein Event brauchte. Nun sitzt er – auch deswegen – im Knast.

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Bild: Netflix