Gamer aus der ganzen Welt kommen auf der Gamescom zusammen, um Neuerungen unter den Computer- und Videospielen zu sehen
Gamer aus der ganzen Welt kommen zur Gamescom nach Köln.

Jahr für Jahr zählt die Computerspielemesse Gamescom in Köln mehr Besucher. 350.000 waren es 2017, das sind gut 100.000 mehr als noch bei der Premiere 2009. Und weitere solcher Sprünge werden erwartet. Henriette Reker jedenfalls, die Oberbürgermeisterin der Stadt Köln und Aufsichtsratsvorsitzende von Gamescom-Gastgeber Kölnmesse, sprach bei der diesjährigen Eröffnung schon mal von einer halben Million Besucher, die zum weltweit größten Treffpunkt der Gaming-Szene kommen sollen. Besonders große Zuwächse gibt es aktuell bei einer ganz bestimmten Gruppe: Politikern.

In Scharen strömen die Volksvertreter auf die Gamescom. Bundes- und Landesminister geben sich die Klinke in die Hand, dazu Ministerpräsidenten – sogar ohne offiziellen Anlass, also beispielsweise ohne Fototermin und Bühnenauftritt. Den wiederum hatten die Generalsekretäre von CDU, SPD, FDP, Grünen und der Linken, die sich in der Diskussionsrunde „Debatt(l)e Royal“ den Fragen von Gamern gestellt haben. Dazu kommen Dutzende Bundestags- wie auch Landtagsabgeordnete, für die der Spieleindustrieverband Game sogar spezielle Führungen anbietet. „Alle wollen verstehen und erleben, was Gaming bedeutet“, erklärt Felix Falk, der Geschäftsführer von Game.

Müssen sie auch. Denn das Thema Computerspiele ist auf der politischen Agenda angekommen – spätestens seit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) der Branche im Wahlkampf 2017 Unterstützung zugesagt hat. Nicht zuletzt deswegen hat es das Thema sogar in den Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung geschafft – mehr aber auch nicht. Konkrete Hilfen jedenfalls fehlen noch immer.

Deutschland hinkt hinterher

Dabei drängt die Zeit. „Deutschland hinkt beim Thema Computerspiele deutlich hinterher“, sagt Branchenvertreter Falk. Nicht auf der Anwenderseite. Die Bundesrepublik gehört sogar zu den weltweit größten Absatzmärkten für PC- und Konsolenspiele. 2017 hat die Branche hierzulande gut 3,3 Milliarden Euro umgesetzt, melden die Konsumforscher der GfK. Das reicht für Platz fünf im internationalen Vergleich – hinter deutlich bevölkerungsreicheren Ländern wie China, USA oder Japan.

Von diesen Einnahmen fließen aber gerade mal gut fünf Prozent in die Kassen deutscher Entwicklerstudios. Tendenz weiter sinkend. Das zeigen die vergangenen zwölf Monate, in denen sich der ohnehin schon geringe Anteil nochmal um immerhin ein Sechstel oder umgerechnet einen Prozentpunkt reduziert hat.

Grund für dieses Siechtum der deutschen Entwickler ist die geringe Förderung, referiert Verbandsvertreter Falk, der Computerspiele gleichsam als Kulturgut wie auch als Wirtschaftsfaktor bezeichnet. Länder wie Kanada, Frankreich oder Großbritannien hätten durch Steuerhilfen oder Lohnzuschüsse Kostenvorteile von 20 bis 30 Prozent. „Das können wir aus eigener Kraft nicht aufholen.“ Der rasant wachsende Markt lasse aber auf Dauer keine weiteren Verzögerungen zu. Im Klartext: Die Zukunft des Games-Standortes Deutschland steht derzeit auf dem Spiel.

Negativer Trend: Deutsche Spiele machen 2017 weniger Umsatz als 2014
Negativer Trend: Spiele deutscher Entwickler machen 2017 weniger Umsatz als 2014

„Wir dürfen nicht zu klein anfangen“

Trotzdem muss sich die Branche weiter gedulden. Und zwar mindestens ein Jahr, wie in der Diskussionsrunde der Generalsekretäre am Rande der Gamescom deutlich wurde. „Ich kann derzeit keine konkreten Schritte benennen“, musste Annegret Kramp-Karrenbauer zugeben, die Generalsekretärin der CDU.

Klar sei, dass es in Zukunft auch in Deutschland eine Förderung für Spieleentwickler geben soll, um an diesem „knallharten Wirtschaftsbereich“ partizipieren zu können. Die entsprechende Summe hänge aber noch von den Haushaltsberatungen ab, die wohl frühestens im November abgeschlossen sein werden. Und dann müsse das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur noch die Kriterien für eine Förderung ausarbeiten.

Vorschläge von Verband Game liegen bereits auf dem Tisch. Kernpunkt ist ein sogenannter „Deutsche Games-Fonds“, der Produkte und Prototypen kleiner, mittlerer und großer Entwicklerstudios gleichermaßen mit jährlich 50 Millionen Euro fördern soll. „Diese Summe ist nötig, um konkurrenzfähig zu bleiben und faire Ausgangsbedingungen zu haben“, sagt Experte Falk mit Verweis auf eine aktuelle Studie. „Wir dürfen nicht zu klein anfangen.“ Sein Verband spricht sich dabei für Zuschüsse aus statt der in manch anderen Ländern gewährten Steuervorteile.

Für den Fiskus kann sich das durchaus lohnen, das zeigt die Erfahrung aus anderen Ländern. In Frankreich etwa fallen einer aktuellen Erhebung zufolge pro Euro Förderung 1,80 an zusätzlichen Steuer- und Sozialabgaben an, dazu weitere acht Euro an privaten Investitionen. Übertragen auf Deutschland rechnet Game mit einem zusätzlichen Steueraufkommen in Höhe von 90 Millionen Euro und Investitionen in der Größenordnung von rund 400 Millionen Euro.

Klingbeil sieht Problem bei Blockbuster-Spielen

Die Politik gibt sich indes zurückhaltend. „Verbände haben immer Maximalforderungen“, wiegelt Michael Kellner ab. Klar sei aber auch, dass „schon ordentlich“ gefördert werden muss, meint der politische Bundesgeschäftsführer der Grünen. Zumal er ebenfalls hehre Ziele formuliert: „Bei Filmen liegt der Marktanteil deutscher Produktionen bei 20 Prozent. Das muss bei Computerspielen auch der Fall sein.“

Verbandsvertreter Falk hält das auch für möglich. „Deutsche Filme werden vorwiegend für den deutschen Markt produziert, Spiele dagegen sind immer global.“ Und tatsächlich wird bereits mehr als die Hälfte des Umsatzes von deutschen Entwicklungen jenseits der Grenze erwirtschaftet, heißt es aus der Branche. Daher sollen auch die großen Entwickler, die international schon bekannt sind, hierzulande Fördergelder erhalten. „Natürlich müssen wir kleine Studios fördern“, sagt Lars Klingbeil, der Generalsekretär der SPD. „Wir dürfen dabei aber die Großen nicht vergessen.“ Immerhin habe Deutschland gerade bei Blockbuster-Spielen ein Problem. Kategorien wie groß/klein oder auch pädagogisch wertvoll – was hierzulande fast schon reflexartig gefordert wird – müssten daher nachrangig sein.

Branchengrößen wie Ubisoft lauern denn auch schon auf die Förderung. „Damit auch in Deutschland Blockbuster-Produktionen mit Budgets jenseits der 50 Millionen Euro entstehen können, braucht es eine substanzielle Games-Förderung für die Entwicklung von Computer- und Videospielen“, sagt zum Beispiel Benedikt Grindel, der Studioleiter von Ubisoft Blue Byte, der Firma hinter Reihen wie „Die Siedler“ oder „Anno“.

Der Wille am Standort zu bleiben, scheint jedenfalls vorhanden. So hat das Unternehmen aus Frankreich erst zu Jahresbeginn ein neues Studio in Berlin eröffnet mit zunächst 15 Mitarbeitern. Bis Jahresende sollen es dann schon 50 sein. Sie sollen als Co-Entwickler an der international erfolgreichen Spiele-Serie „Far Cry“ mitarbeiten. Langfristig muss es aber nicht nur bei Zuarbeiten bleiben, hat Grindel in der Vergangenheit bereits angemerkt. Mit den entsprechenden Rahmenbedingungen seien sogar Dimensionen wie beim Studio im kanadischen Montreal möglich. Das dortige Ubisoft-Studio gehört mit über 3000 Mitarbeitern zu den größten weltweit. 

Digitalstaatsministerin Dorothee Bär (CSU), NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) und Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker während der Eröffnung der Gamescom
Digitalstaatsministerin Dorothee Bär (CSU), NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) und Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker während der Eröffnung der Gamescom

 

Dieser Artikel ist zuerst bei Welt.de erschienen

Bilder: Michael Gottschalk / Freier Fotograf; Welt.de