Er war ganz offenbar schon im Urlaub: Ein braungebrannter Olaf Scholz am Mittwoch beider Sitzung des Bundeskabinetts.
Er war ganz offenbar schon im Urlaub: ein braungebrannter Olaf Scholz am Mittwoch bei der Sitzung des Bundeskabinetts.

Wenn für Angela Merkel (CDU) die Sommerpause beginnt, fängt für Olaf Scholz (SPD) die interessanteste Zeit des Jahres erst an. Denn weil die Bundeskanzlerin im Urlaub ist, durfte der Finanzminister und Vizekanzler am Dienstag zum ersten Mal die Leitung des Bundeskabinetts übernehmen. Und zumindest für die Onlinehändler in Deutschland bedeutete das, was Scholz da vortrug, ebenfalls das Ende der Sommerpause. Denn das Kabinett beschloss einen Gesetzesentwurf, der für mehr Steuergerechtigkeit im Onlinehandel sorgen soll. Die Wirtschaft befürchtet allerdings negative Folgen für ehrliche Händler. 

„Wir beenden die illegale Praxis mancher Händler auf elektronischen Marktplätzen, die Umsatzsteuer hinterziehen und sich dadurch unlautere Wettbewerbsvorteile verschaffen“, sagte Scholz zu dem Gesetz. Er glaubt, dass dem Fiskus so mehrere hundert Millionen pro Jahr entgehen, andere Schätzungen gehen sogar von rund einer Milliarde aus. Dem Vernehmen nach weisen manche Firmen schlicht keine Steuer auf ihren Rechnungen aus, andere gehen bewusst in die Pleite, bevor sie die Umsatzsteuer ans Finanzamt entrichten müssen. 

Das geplante Gesetz sieht vor, dass die Betreiber von Internet-Plattformen künftig bestimmte Daten ihrer Nutzer, für deren Umsätze in Deutschland eine Steuerpflicht in Betracht kommt, registrieren und an die Steuerbehörden weitergeben. Zudem gilt das Prinzip: Plattformen haften für ihre Händler. Denn künftig sollen die Internetmarktplätze in Haftung genommen werden, wenn bei ihnen tätige Händler die Umsatzsteuer nicht abführen. Das Gesetz soll ab 2019 gelten. 

Scholz will damit ausländische Händler treffen. Vor allem Firmen aus Asien sollen auf diesem Weg Steuern hinterzogen haben. Wirtschaftsverbände in Deutschland befürchten allerdings, dass die Neuerungen den Onlinehandel hierzulande schwächen. Sie fürchten eine erhebliche Mehrbelastung ehrlicher Verkäufer, was noch mehr Bürokratie und eine Schwächung gegenüber der Konkurrenz bedeuten würde.

So kritisiert etwa die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) das Gesetz. Volker Treier, stellvertretender DIHK-Hauptgeschäftsführer, beklagte bei Spiegel Online, dass nach dem neuen Gesetz auch deutsche Unternehmen eine Bescheinigung darüber vorlegen müssten, dass ihre Händler korrekt versteuerten, obwohl inländische Anbieter ohnehin in Deutschland erfasst seien und regelmäßig geprüft würden. Außerdem fehle es an einer digitalen Lösung, denn die Verwaltung könne entsprechende Anträge und Bescheinigungen nicht digital bearbeiten. 

Auch der Digitalverband Bitkom teilte mit Blick auf die Ankündigung mit: „Die geplanten umsatzsteuerlichen Pflichten treffen ausnahmslos alle Akteure im Onlinehandel in Deutschland. Dies ist weder zielgerichtet noch angemessen.“ Der Bundesverband Onlinehandel e.V. fordert deshalb „eine Fristverlängerung für die über 200.000 deutschen kleinen und mittleren Händler, denn ansonsten führt die Umsetzung des neuen Gesetzes im Weihnachtsgeschäft zu einer Gefährdung des Onlinehandels in Deutschland.“ Der Verband schlägt zudem vor, von den Marktplätzen die monatliche Übermittlung aller Umsatzdaten samt Unternehmensdaten einzufordern, um Betrüger schneller zu erkennen.

Amazon kommentierte den Gesetzesentwurf bislang nicht, teilte lediglich mit, man gehe bereits konsequent gegen Steuerbetrüger vor und biete Tools, um Verkäufer bei ihren Pflichten zu unterstützen, wie Business Insider berichtet. Ebay kritisiert hingegen, dass Deutschland mit einem eigenen Vorschlag zur Steuerproblematik vorpresche anstatt eine EU-weite Lösung zu finden. Die EU hatte sich im vergangenen Dezember auf eine neue Umsatzsteuerregelung geeinigt, die ab 2021 in Kraft treten soll.

Bereits im Dezember 2017 hatte das Finanzamt Neukölln, das für die Versteuerung des Onlinehandels aus China zuständig ist, Waren beschlagnahmt, deren Händler im Verdacht standen, die Umsatzsteuer hinterzogen zu haben. Ob weitere solcher Maßnahmen im Raum stehen, ist unklar. Doch jedenfalls scheint Olaf Scholz nicht bis 2021 warten zu wollen.

Bild: Getty Images / Carsten Koall / Stringer