Kate Brand ist Nachhaltigkeitschefin bei Google. Unter ihrer Ägide hat der Internetkonzern das Ziel verkündet, seinen CO2-Ausstoß auf null zu senken.

Google hat in der vergangenen Woche angekündigt, Milliarden in neue Ökostromprojekte in den USA, Südamerika und Europa zu investieren. Das Ziel des Konzerns ist, nur noch grünen Strom zu verbrauchen. Doch das klappt noch nicht, da das Geschäft mit Rechenzentren so schnell wächst wie nie zuvor. Googles Umweltchefin Kate Brandt erklärt, wie der Konzern seine Ökobilanz verbessern will. Das Interview wurde per Videokonferenz geführt, um die sechs Tonnen CO2 zu sparen, die ein Flug nach Kalifornien verursacht hätte.

Frau Brandt, welche Farbe hat die Google-Cloud? Braunkohlebraun oder Himmelblau, das sich in einer Solarzelle spiegelt?

Meine Farbe für die Google-Cloud wäre Grün! Beim Bau neuer Rechenzentren fokussieren wir uns auf Energieeffizienz. Wir bekommen aktuell siebenmal mehr Rechenleistung pro eingesetzter Energie als noch vor fünf Jahren.

Googles Stromverbrauch nimmt dennoch stetig zu. Im Jahr 2015 lag er bei fünf Terawattstunden, wie hoch ist er jetzt?

Das stimmt. Unser Verbrauch steigt, 2018 haben wir über zehn Terawattstunden Energie verbraucht. Der CO2-Ausstoß hat sich aber von unserem wirtschaftlichen Wachstum abgekoppelt. Wir gleichen unsere CO2-Emissionen über den Kauf von erneuerbarer Energie aus. Global gesehen, haben wir 2017 erstmals den Meilenstein von 100 Prozent Ökostrom erreicht, 2018 ebenfalls.

Die Nachfrage nach Rechenleistung wächst weltweit. Ist Big Data der neue globale Energiefresser?

Im Schnitt sind unsere Rechenzentren doppelt so effizient wie ein Rechenzentrum eines klassischen mittelständischen Unternehmens, der Umzug in die Cloud spart also Strom. Alle großen Cloud-Anbieter haben hier große Fortschritte gemacht. Deswegen ist der Stromverbrauch für Rechenzentren global in den vergangenen Jahren in etwa gleich geblieben, obwohl die Nachfrage nach Rechenleistung enorm zugenommen hat.

Sie kaufen lokal Ökostrom, aber auch CO2-Zertifikate. Ist das ein moderner Ablasshandel?

Wir kaufen nur Ökostrom von Projekten, die neu am Markt sind und die ohne unsere Nachfrage nicht entstanden wären. Dies gilt auch für unsere gerade angekündigten Investitionen in 18 weitere Projekte auf drei Kontinenten, mit einem Investitionsvolumen von mehr als zwei Milliarden Dollar.

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Das bedeutet nicht, dass an jedem Standort jederzeit die Rechner mit erneuerbarer Energie laufen. Ein Datenzentrum in Belgien lässt sich kaum ohne Atomstrom betreiben, und windstille Nächte gibt es immer.

Wir haben immer klar gesagt, dass unser 100-Prozent-Ökostrom-Ziel bislang nur global und auf das gesamte Jahr gerechnet erfüllt wird – vor Ort müssen wir dennoch Strom aus herkömmlichen Quellen nutzen. Deswegen haben wir als neues Langzeitziel „Vision 24/7“ erklärt, zu jedem Zeitpunkt und an jedem Standort nur Ökostrom zu nutzen. Aber das ist gar nicht so einfach zu realisieren, dies erfordert andere CO2-freie Technologien oder Energiespeicher. In Belgien zum Beispiel haben wir bereits eigene Solaranlagen im Einsatz.

Das stößt an ein Limit an Tagen wie heute – kein Wind, bedeckter Himmel. Wie kann die Antwort aussehen?

Genau daran forschen wir gerade. Wenn wir tagsüber die Überproduktion speichern und nachts nutzen könnten, wäre bereits viel erreicht, deswegen investieren wir in die Erforschung von Speichertechnologien.

Wie viel Geld investiert Google hier?

Sorry, ich verliere mein Licht hier. (Ein Bewegungssensor hat das Licht in Brandts Konferenzraum abgeschaltet, weil sie sich nicht genügend bewegt hat) So sparen wir Energie! (lacht) Wir veröffentlichen, wie viele Ökostromprojekte wir angestoßen haben und wie viel Kapital wir dabei investiert haben: seit Freitag 52 Projekte weltweit und über sieben Milliarden Dollar Investitionen.

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Verraten Sie, wie viel Strom eine Google-Suche verbraucht?

Da die Nutzer nicht mehr bloß suchen, sondern navigieren, Daten speichern, E-Mails senden und so weiter, macht diese Berechnung heute nur noch wenig Sinn. Wir konzentrieren uns daher auf unser Ziel, den Energieverbrauch insgesamt nachhaltig, das heißt 100 Prozent erneuerbar, zu decken.

Wie lassen sich noch weitere Effizienzgewinne erreichen?

Ein Beispiel ist unser Einsatz von Künstlicher Intelligenz: Seitdem wir AI-Systeme haben, die unsere Kühlungssysteme auf Basis historischer Daten wie Wetter oder Auslastung optimieren, haben wir dort 30 Prozent mehr Effizienz erreicht. Es gibt also immer noch Chancen, auf einen Schlag viel zu erreichen, auch in einer bereits energieoptimierten modernen Anlage.

Gibt es Lösungen, die über Energie hinausgehen?

Ja. Ich glaube, dass Technologie enorme Chancen birgt, den ökologischen Fußabdruck der Menschheit insgesamt zu verringern – sowohl indem wir global Informationen auswerten als auch indem wir einzelne Verbraucher besser informieren. Ein Beispiel: Wir haben einer Künstlichen Intelligenz beigebracht, wie Fischtrawler mit ausgebrachten Netzen aussehen. Die sucht nun in kommerziell verfügbaren Live-Satellitenbildern nach illegaler Fischerei. Die Ergebnisse stellen wir lokalen Behörden zur Verfügung. Das Projekt hat bereits die Gründung von fünf neuen Meeresschutzgebieten weltweit angestoßen.

Am Freitag vor einer Woche haben sich Millionen Menschen an den „Fridays for Future“-Protesten beteiligt. Dürfen Google-Mitarbeiter daran auch teilnehmen, oder fällt das unter das jüngst ausgesprochene Verbot politischer Debatten während der Arbeit?

Nun, am menschgemachten Klimawandel gibt es kaum wissenschaftliche Zweifel und damit kein großes internes Streitpotenzial. Es gibt übrigens auch kein Verbot für politische Debatten bei uns. Als Firma sagen wir, dass jeder seinen Teil beitragen kann. Unseren Mitarbeitern steht selbstverständlich frei, in ihrer Freizeit daran teilzunehmen.

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Nicht während der Arbeitszeit?

Wir vertrauen unseren Mitarbeitern, dass sie ihre Arbeitszeit selbst einteilen können.

Kann ein Einzelner oder eine einzelne Firma überhaupt etwas bewegen, wenn gleichzeitig die US-Regierung Klimagesetze rückgängig macht?

Ich habe für die Obama-Regierung gearbeitet. Und was mich trotz einiger Veränderungen in jüngerer Zeit ermutigt hat, ist der generelle Perspektivwechsel, den wir in der vergangenen Dekade sehen: Inzwischen gibt es viel mehr Engagement von privater Seite, aber auch von Regierungen auf der kommunal- und bundesstaatlichen Ebene. Politik ist nur ein Teil der Antwort. Während auf Bundesebene einiges wieder geändert wird, wird auf diesen Ebenen weiter in die richtige Richtung gearbeitet. Jeder muss mitmachen, die Politik kann es nicht alleine regeln.

Dieses Interview erschien zuerst bei Welt.de.

Bild: Google