Vier Gründerinnen (v.l.): Lea-Sophie Cramer, Pia Frey, Franziska von Hardenberg und Chanyu Xu.
Vier Gründerinnen (v.l.): Lea-Sophie Cramer, Pia Frey, Franziska von Hardenberg und Chanyu Xu

Dieser Text erschien zuerst am 15. Oktober 2019. Anlässlich unserer Analyse zu der geringen Gründerinnenquote in den Portfolios deutscher Investoren veröffentlichen wir ihn an dieser Stelle erneut. 

Eine BCG-Studie lieferte kürzlich eine erschreckende Zahl. Nur vier Prozent der Startups in Deutschland werden allein von Frauen gegründet – heißt: ohne männlichen Mitgründer. Bei zehn Prozent der Firmen sitzt zumindest eine Frau mit im Gründungsteam. Der Rest der Startups, also 86 Prozent, wird von reinen Männerteams gegründet. 

Bei der Konferenz Female Future Force Day in Berlin trafen sich vergangene Woche einige der erfolgreichsten Gründerinnen Deutschlands zum Austausch mit anderen gründungsinteressierten Frauen. Bei einem gemeinsam Panel sprachen vier von ihnen über ihre Erfahrungen beim Gründen: Lea-Sophie Cramer, Gründerin des Online-Sexshops Amorelie, Franziska von Hardenberg, Gründerin von Bloomy Days und dem Schmucklabel Holy Goldy, Chanyu Xu vom Nahrungsergänzungsmittel-Startup Her1 und Pia Frey, die mit ihrer Firma Opinary ein Umfragetool für Onlinemedien entwickelt hat. Wir haben die vier gefragt: Was denken sie, warum die Gründerinnenquote so niedrig ist? Und was müsste sich ändern, damit mehr Frauen gründen?

Lea-Sophie Cramer:

Nach Meinung der Amorelie-Gründerin resultiert die niedrige Gründerinnenquote aus zwei Dingen: fehlendem Mut und fehlendem Netzwerk. „Es gibt zwar inzwischen immer mehr Frauennetzwerke, aber Männernetzwerke sind immer noch deutlich stärker“, sagt Cramer. Außerdem sehe sie als Investorin qualitative Unterschiede zwischen den Geschlechtern: „Die Qualität der Pitches und der Pitchdecks ist bei Männern besser. Davon sind Frauen Lichtjahre entfernt, sorry“, so die Berlinerin. Männer nutzten auch an dieser Stelle ihr Netzwerk besser. „Sie schicken ihre Pitchdecks vorher zehn, zwölf erfolgreichen Gründern aus ihrem Netzwerk und holen sich Feedback.“ Sie rät Frauen: keine Scheu haben, immer wieder diejenigen anzusprechen, von denen sie Hilfe möchten – beispielsweise auf Konferenzen oder über Linkedin. 

Chanyu Xu:

Die Her1-Gründerin Chanyu Xu glaubt, Frauen müsse der Zugang zu Wagniskapital erleichtert werden, damit mehr von ihnen gründen. Dazu müssen mehr Frauen Investorinnen werden, findet sie: „Das würde dazu beitragen, dass von Frauen gegründete Startups besser verstanden werden.“ Ihre Idee, Nahrungsergänzungsmittel speziell für Frauen zu verkaufen, müsse sie männlichen Investoren immer viel ausführlicher erläutern als weiblichen. „Männer sagen oft: Das ist nicht mein Markt, da investiere ich nicht. Dabei gibt es eine riesige Zielgruppe, die sie nur nicht sehen.“

Pia Frey:

Laut Opinary-Gründerin Pia Frey sind nicht die Männer an der niedrigen Gründerinnenquote Schuld. „Das größte Problem ist ein von Frauen erzeugtes: Perfektionismus“, sagt sie. „Frauen wollen immer alles perfekt machen, aber bei einer Gründung geht das nicht. Da musst du unperfekt rangehen und akzeptieren können, dass auch mal etwas nicht nach Plan läuft.“ Außerdem gebe es zu wenig weibliche Vorbilder in der Startup-Szene, sagt Frey – vor allem Vorbilder mit verschiedenen Hintergründen und Ambitionen: „Viele Arten von Frauen können gründen“, so die ehemalige Journalistin. 

Franziska von Hardenberg:

Zum Thema Frauenquote äußere sie sich nicht gern, sagt Bloomy-Days-Gründerin Franziska von Hardenberg. Sie finde die Diskussionen dazu überzogen: „Es gibt in Deutschland viele Frauen, die gründen, aber außerhalb der Startup-Szene“, sagt sie. Laut einer KfW-Studie stehen tatsächlich hinter 37 Prozent der gesamten deutschen Unternehmensgründungen Frauen. Das sind zwar auch hier deutlich weniger als Männer, aber auch deutlich mehr als die vier Prozent Gründerinnen in der Startup-Szene. 

„Man muss nicht so strategisch ans Gründen rangehen.“ 

Auf der Bühne sprachen die Frauen auch darüber, was ihre eigene Motivation war, zu gründen. Von Hardenberg sagt, sie habe die Leidenschaft für die Branche zur Gründung ihres ersten Startups Bloomy Days getrieben. Damit verschickte sie Blumen im Abonnement. Bei Lea-Sophie Cramer war das anders: „Meine Leidenschaft waren nicht Sextoys. Ich konnte das Wort Vibrator nicht mal aussprechen, ohne knallrot zu werden.“ Stattdessen habe sie der Drang nach Selbstständigkeit zum Gründen motiviert. „Ich war schon in der Schule und im Studium diejenige, die die Verantwortung bei Projekten übernommen hat“, sagt sie. „Bei einem Praktikum sagte mir mein Chef dann: Du kannst hier anfangen, aber du solltest Unternehmerin werden.“ Das habe ihr den entscheidenden Kick gegeben.

Auch über ihre Wege zum Gründerinnensein sprachen die vier. Dabei zeigte sich: den einen, richtigen Weg gibt es nicht. Von Hardenberg war beispielsweise schon als Schülerin klar, dass sie einmal eine Firma gründen wollte. Sie ging daher strategisch an die Sache ran: Marketingstudium in Berlin, dann ein Master in den USA und Ungarn, als nächstes der Einstieg bei Rocket Internet, wo sie möglichst viel Erfahrung im Aufbau von Startups sammeln wollte. In fünf Jahren war sie bei drei Rocket-Ventures stationiert. Mit so einem Jobhopper-Lebenslauf könne sie sich nirgendwo mehr bewerben, habe ihr einmal jemand gesagt. Darauf habe sie geantwortet: „Ich will mich auch nie wieder irgendwo bewerben, ich gründe jetzt selbst.“ Pia Frey dagegen findet: „Man muss da nicht so strategisch rangehen.“ Sie studierte erst Philosophie und war dann Journalistin. Vom Gründen habe sie keine Ahnung gehabt, als ihr die Idee zu Opinary kam, sagt sie. Das sollte aber niemanden vom Gründen abhalten: „Die fachlichen Kompetenzen, zum Beispiel zu Rechtsformen und Investoren, lernt man auf dem Weg“, sagt sie.

Bilder: Amorelie / Pia Frey / Ono Labs / Franziska v. Hardenberg