Dieser Anblick ist relativ selten. Viel häufiger wird um jeden freien Platz gekämpft.

Das ganz normale Leben in Deutschland an einem Dienstagmorgen um 9 Uhr morgens. Ich bin auf dem Weg von Berlin nach Köln und steige in den ICE. Inzwischen läuft das WLAN in den Zügen ganz verlässlich, der Sitzplatz in der Ruhezone ist gebucht. Nachdem sich das übliche Chaos bei der Suche des Sitzplatzes gelegt hat, logge ich mein iPhone ins Netz und schaue mir meine elektronische Fahrkarte genauer an.

In der Navigator-App der Bahn erscheint jetzt ein kleiner Schieberegler. Komfort Check-In steht da. „Führen Sie selbst Ihre Ticketkontrolle durch. Kostenfrei und mit nur einem Klick entwerten Sie ihr Ticket.“ Wow. Das klingt gut. Ich schiebe den Regler und ein grünes Check-Häkchen erscheint auf dem Display. Na, mal schauen, ob das funktioniert. Die Bahn hat vorsichtigerweise „Beta“ unter die Funktion geschrieben.

Werden jetzt alle Zugbegleiter abgeschafft?

Als der Zugbegleiter naht, zücke ich vorsichtshalber mein Smartphone. Doch er nickt nur kurz und sagt: „Sie sind ja schon eingecheckt.“ Ihm wird die Info auf seinem Terminal-Display angezeigt – und er hat sie auch gelesen. Ich muss kein Ticket zeigen, es wird nichts entwertet oder gescannt. Das klappt sehr gut. Man kann ohne Störung arbeiten.

Doch es bleibt ein mulmiges Gefühl. Verlieren die Zugbegleiter in Zukunft ihre Arbeit, wenn die Mehrzahl der Reisenden alles alleine mit dem Smartphone erledigt? Der freundliche Schaffner sagt mir: „Unser Arbeitgeber meint, wir hätten durch den Komfort Check-In mehr Zeit, um uns um die Fahrgäste zu kümmern.“ Meinen Kaffee serviert allerdings ein anderer Mitarbeiter.

Auf der Rückfahrt von Köln nach Berlin das gleiche Spiel. Durch einen Ausfall des Reservierungssystems kommt es vor der Abfahrt zu tumultösen Szenen. Verwirrte Rentner mit riesigen Koffern tapern verzweifelt durch die Wagen, schauen abwechselnd auf Fahrkarten und Sitzplatznummern und weniger auf die Füße der Vorderleute. Als endlich alles sitzt, kommt schon der Zugbegleiter.

„Nein, wir wollen keine Stellen abbauen“

Dieses Mal will er trotz des Self-Check-Ins meine Fahrkarte sehen. Das liegt wohl am Computersystem, das den Wagen falsche Nummer gegeben hat. „Ich glaube, es wird in Zukunft immer weniger Zugbegleiter in den Zügen geben“, sagt er. „Wahrscheinlich wird irgendwann auch der Zugführer durch einen Computer abgelöst.“ Die Bahn schreibt auf der offiziellen Website: „Nein, wir wollen keine Stellen abbauen. Durchschnittlich werden pro Jahr 15.000 neue MitarbeiterInnen eingestellt.“

Vor der Rückreise habe ich mir im fast menschenleeren Zeitungsladen im Kölner Hauptbahnhof noch ein paar Zeitungen gekauft. Warum ist es so leer an einem ganz normalen Arbeitstag? „Ganz einfach“, sagt die Verkäuferin, „das WLAN in den Zügen funktioniert inzwischen sehr gut. Die Leute brauchen keine gedruckte Lektüre mehr.“

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