Hat gut lachen: Joseph R. Biden Jr.

Nach Tagen des Wartens hat sich nun abgezeichnet: Joe Biden wird neuer Präsident der Vereinigten Staaten. Der bisherige Präsident Donald Trump muss abtreten. Doch was bedeutet das für die deutsche Startupszene? Hat das überhaupt einen Einfluss? Wir haben fünf Startup-Köpfe gefragt.

Christian Miele, Investor und Präsident des Startup-Verbands, erhofft sich persönlich zumindest eine entspanntere Nachtruhe: „Ich werde vermutlich etwas ruhiger schlafen können, wenn ich weiß, dass eine verantwortungsvolle Person im Oval Office sitzt.“ Doch auch für das Startup-Ökosystem könnte der Wechsel positive Veränderungen nach sich ziehen, zum Beispiel, was die zukünftige Regulierung der amerikanischen Tech-Konzerne wie Google, Facebook und Co. angeht. „Ein demokratischer Präsident würde hier vermutlich stärker durchgreifen“, sagt Miele. Das wiederum käme ihm zufolge auch europäischen Playern zugute. Startups wie beispielsweise Getyourguide hatten sich zuletzt öffentlich mit Google angelegt.

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Zum anderen könnte die Biden-Präsidentschaft dafür sorgen, dass die USA wieder beliebter für europäische Startups und internationale Talente wird. Unter der Trump-Administration hätten andere Startup-Standorte außerhalb der Staaten in den letzten vier Jahren an Popularität gewinnen können, sagt er. Zuletzt hätten sich junge Startup-Gründer oder potenzielle -Mitarbeiter aus der ganzen Welt überlegen müssen, ob sie „in einem erratisch regierten, gespaltenen Amerika leben wollen, in denen Rassismus immer weiter um sich greift oder aber im stabilen, friedlichen und liberalen Europa“, sagt Miele. Das europäische Startup-Ökosystem habe sich deshalb in den letzten Jahren von den Vorbildern aus den USA emanzipiert, sagt der 32-Jährige. „Wir sind selbstbewusster geworden, wir wissen um unsere Stärken.“

Gründer hoffen auf gelockerte Visa-Bestimmungen

Dieser „War for Talents“ könnte sich unter Biden nun wieder etwas zugunsten des Silicon Valley verschieben, glaubt der Verbandspräsident. „Damit kann ich und vermutlich die meisten anderen aber leben. Lieber ein fittes Amerika und tougherer Wettbewerb mit unseren amerikanischen Freunden als vier weitere Jahre Donald Trump.“

Die Visa-Bestimmungen für ausländische Mitarbeiter wurden in den USA in den letzten Jahren zunehmend verschärft. Das hat auch das Food-Startup Choco erlebt, das neben dem Berliner Büro unter anderem eine Dependance in New York unterhält. Es sei schwierig gewesen, Visa für Mitarbeiter zu bekommen, erzählt der Gründer Daniel Khachab. Das wiederum habe die Expansion erschwert. Unter Biden hofft er nun, dass sich das ändert: „Je unkomplizierter die Einreise in die USA für Mitarbeiter ist, umso einfacher wird es für deutsche Startups in den USA Fuß zu fassen.“

Wer von nationaler Abschottung profitiert 

„Die Kommunikation unter Trump ist nationalistischer geworden“, stellt auch Jan Goetz fest, der das finnisch-deutsche Quanten-Startup IQM gegründet hat. Doch die zunehmende Abschottung der USA habe auch dafür gesorgt, dass europäische Staaten zunehmend auf Technologiesouveränität setzten und deshalb nationale Programme auflegen. „Das kann aus individueller Firmensicht sogar eine Chance sein“, sagt er. Etwa, wenn man dann als Unternehmen von diesen nationalen Förderprogrammen profitiere. Goetz glaubt jedoch nicht, dass sich für seine Firma IQM besonders viel ändern wird durch die Präsidentschaft von Biden. 

Auch Franziska Leonhardt, Gründerin des Beauty-Startups Ave + Edam, sieht keine konkreten Auswirkungen auf ihr Geschäft. Einer ihrer Investoren ist ein amerikanischer VC, deshalb sei es ihr besonders wichtig, dass transatlantische Startup-Investments weiterhin unterstützt und ermöglicht würden. Wie die nächsten vier Jahre mit dem neuen US-Präsidenten verlaufen, das hängt für sie auch von dem Auftreten der EU gegenüber ab, die den USA gegenüber entschlossen ihre Position vertrete: „Es reicht nicht, wenn unter Biden einfach nur der Ton freundlicher wird.“

„Marginale Unterschiede“ 

Christian Angermayer sieht das ähnlich. Der deutsche Investor ist selbst viel in den USA aktiv, einige seiner Unternehmen sind an der amerikanischen Börse gelistet. Trotzdem hat der Wechsel an der Spitze des weißen Hauses keine große Bedeutung für ihn: „Wir sollten uns hier in Deutschland nicht allzu viel mit den zumindest in Bezug auf deutsche Startups nur marginalen Unterschieden einer Biden-Präsidentschaft versus einer Trump-Präsidentschaft beschäftigen,“ sagt er. „Denn am Ende sind in den USA beide Parteien und ihre jeweiligen Präsidenten rücksichtslos darin, den USA und insbesondere ihrer Tech-Industrie und ihrem Kapitalmarkt globale Vorteile zu verschaffen. Biden mag das vielleicht charmanter verpacken, aber davon sollten wir uns nicht täuschen lassen.“

Stattdessen setzt Angermayer auf die Initiative deutscher Politiker: „Wir sollten uns lieber darauf fokussieren, unsere eigenen Politiker wachzurütteln, damit diese die Rahmenbedingungen für Startups hier in Deutschland deutlich verbessern, und damit die Chance auf eine nachhaltig starke Position von Deutschland und Europa auf der digitalen Weltbühne erhöhen.“

Bild: Getty Images