Das auf dem Bild bin nicht ich. Auch nicht in zehn Jahren. Ich werde nicht montags nach Madrid, dienstags nach Cannes und donnerstags nach New York jetten, mit 40 ein Luxusleben führen und jeden Tag Dauerparty machen. Denn dann müsste ich entweder reich geheiratet, eine Menge geerbt oder einen Hundert-Millionen-Exit hingelegt haben.

Nicht schlimm, denn ich mag mein Leben gerade trotzdem. Ich bin 29 Jahre alt und mein Luxus besteht daraus, 500 Euro im Monat für Lebensmitteleinkäufe, Mittagspausen und Restaurantbesuche auszugeben, dazu kommen 650 Euro für die Wohnung. Nicht zu vergessen Fahrkarten, Partys oder ein neues Paar Schuhe. Das sind noch einmal 300 Euro. Am Wochenende war ich in Venedig, im Sommer geht es noch einmal in den Süden. Monatlich lege ich für solche Trips 300 Euro zurück. Und dann gibt es noch Geschenke, Reparaturen und Versicherungen. Kurzum: Im Monat brauche ich etwa 1.800 Euro. Und dann habe ich nichts gespart, was über Reisen oder mal ein neues Handy hinausgeht. Irgendwann möchte ich Kinder, dann wird diese Summe deutlich höher ausfallen. 

Auf jeden Fall bräuchte ich mehr als 1.400 Euro im Monat. Das ist die durchschnittliche Rente eines Frugalisten. Das sind Menschen, die mindestens zehn Jahre extrem sparsam leben, das heißt monatlich etwa zwei Drittel ihres Einkommens zrücklegen, um idealerweise in ihren Dreißigern oder Vierzigern finanziell unabhängig sein zu können. Im Gründerszene-Webinar hat Frugalist Oliver Noelting erklärt, wie er sich so eine superfrühe Rente finanziert: Von seinem Nettoverdienst von 2.300 Euro gibt der 30-Jährige lediglich 750 Euro aus, den Rest legt er an. Er teilt sich mit seiner Freundin ein WG-Zimmer, zahlt maximal 110 Euro im Monat für Essen und geht so gut wie nie shoppen.

Ehrlich gesagt: Für mich wäre dieses Modell keine Option. Allein die Vorstellung, freiwillig zehn Jahre oder mehr auf niedrigster Sparflamme zu überleben, schreckt mich ab. Aber auch danach wäre mir die Rente schon mit meinem jetzigen Lebensstandard viel zu wenig. 

Geld macht eben doch glücklich

Es ist ja nicht so, dass man nicht mit 750 Euro über die Runden kommen kann, so wie Noelting das gerade schafft. Während meines Studiums habe ich immer gearbeitet und auch nicht viel mehr zur Verfügung gehabt. Aber rückblickend kann ich sagen: Ich habe jetzt lieber weniger Freizeit und dafür mehr Geld auf dem Konto als noch damals als Studentin.

Klar konnte ich meine Woche während meines Studiums viel flexibler gestalten oder auch mal einen Monat spontan durch Thailand reisen ­– und diese Freiheit fehlt mir auch. Im Gegensatz zu früher kann ich es mir jetzt aber leisten, jeden Tag mit Freunden essen zu gehen – und damit meine ich nicht nur Falafel für zwei Euro – oder im Urlaub ein Einzelzimmer mit Frühstück anstatt eines schäbigen Hostels zu buchen. Mehr Geld macht eben doch glücklich, jedenfalls mich.

Nun mögen Frugalisten sagen, dass sie bis zur frühen Rente zwar auf vieles verzichten müssen, ihr Leben und Erspartes dann aber in vollen Zügen genießen können. Tut mir leid, dieses Argument zieht bei mir nicht. Die Vorstellung, ab dem 40. Geburtstag sozusagen dauerhaft im Wochenende zu sein, macht mir dieses Modell nicht schmackhafter. Wenn ich in den Semesterferien viel freie Zeit hatte, habe ich mich nach spätestens zwei Wochen gelangweilt. Meine Freunde waren beschäftigt, also war ich auf mich allein gestellt. 

Was würde ich also jahrzehntelang machen, wenn ich unendlich viel Zeit hätte und bei guter Gesundheit wäre? Auf Weltreise gehen, shoppen, in Cafés abhängen und mich mit meinen zukünftigen Kindern beschäftigen. Aber hätte ich das Geld dafür? Nein. Wozu das Ganze also? Für Noelting mag das Konzept ja aufgehen, meinen Ansprüchen genügt das Frugalistenleben allerdings nicht.

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Bild: Thomas Barwick / Getty Images