Laptop, Mikro, Kamera: So arbeitet Cédric Waldburger zurzeit. Büro
Laptop, Mikro, Kamera – so arbeitet Cédric Waldburger zurzeit. Fakt am Rande: Sein gesamter Besitz ist schwarz.

Cédric Waldburger ist Investor und hat diverse Startups mitgegründet. Der Schweizer hatte mehrere Jahre keinen festen Wohnsitz, stattdessen reiste er durch die Welt. Täglich in ein Büro zu fahren, kam für ihn daher nicht in Frage. Noch heute verzichtet Waldburger – erklärter Minimalist – auf einen festen Arbeitsplatz und bevorzugt Angestellte, die dauerhaft remote arbeiten. Er ist der Meinung, dass Startups ohne Büro erfolgreicher sein können:

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Nach fast 18 Jahren in der Startup-Welt haben sich für mich zwei Kriterien für den Erfolg herauskristallisiert: welches Team junge Firmen zusammenstellen und wie dieses Team zu bestmöglicher Performance gelangt. Remote Work hat sich meiner Erfahrung nach als Geheimwaffe für beide Bereiche erwiesen.

Seit mehr als zehn Jahren arbeite ich remote – ohne Büro, aber mit talentierten Teams aus aller Welt. 2010 habe ich selbst ein Startup in der Schweiz gegründet, zog dann nach New York, später nach Hongkong und führte mein Unternehmen aus der Distanz. Ich erlebte damals die unterschiedlichen Vorteile von Remote Work. Sehr schnell war ich so überzeugt von der Arbeit ohne Büro, dass ich sie zu einem roten Faden in meinem Leben gemacht habe.

So investiere ich auch mit meinem Wagniskapital-Fonds Tomahawk.VC in „Global first“-Gründer. Damit meine ich solche, die in ihren Startups von Anfang an eine Kultur aufbauen, die auf Zusammenarbeit über Distanz ausgelegt ist. Auch unsere eigenen Mitarbeiter bei Tomahawk.VC sind über Europa und Asien verteilt.

Zehnmal so viele Bewerber dank globaler Ausschreibung

Gerade in den ersten Jahren eines Startups entscheiden das Gründungsteam und die ersten Mitarbeiter über den langfristigen Erfolg oder die Niederlage. Deshalb ist es so unglaublich wichtig, die besten, brillantesten und talentiertesten Köpfe einzustellen. Und wenn diese in Chicago, Madrid oder Manila sitzen statt im Nachbardorf, darf das kein Grund sein, nicht zusammenzuarbeiten.

Unternehmen ohne Büros öffnen sich selbst das Tor zu einem weltweiten Pool an Talenten. Bei meinen Unternehmen zeigt sich das deutlich an der Anzahl an Bewerbungen: Je nach Größe einer Stadt und der ausgeschriebenen Position haben wir in der Vergangenheit zwischen 20 und 100 Bewerbungen erhalten. Seitdem wir Stellen global ausschreiben, hat sich diese Zahl mindestens verzehnfacht.

Wachsen ohne das leidige Thema Büroraum

Die meisten Startups mit Büro stoßen ständig an eines von zwei Problemen: Das Büro ist entweder zu groß und sie geben unnötig Geld für ungenutzte Arbeitsplätze aus, oder aber es ist zu klein und Mitarbeiter stehen sich auf den Füßen.

Remote Work und Homeoffice sind nicht dasselbe: Homeoffice oder auch Telearbeit ist ein gesetzlich verankerter Begriff. Er bedeutet, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Arbeitsplatz in dessen Zuhause einrichtet. Es wird vertraglich festgelegt, wie viele Stunden pro Woche der Angestellte an genau diesem Platz arbeiten muss. Das Unternehmen ist dann auch für die Sicherheit des Arbeitsplatzes verantwortlich. Bei Remote Work oder auch Mobile Office kann der Mitarbeiter selbst entscheiden, wo er arbeitet – etwa zu Hause, im Café oder Coworking Space. Der Arbeitgeber muss in diesem Fall nicht die Sicherheit des Arbeitsplatzes gewährleisten.

Diese Probleme erledigen sich in einem Unternehmen ohne Büro von selbst. Man könnte argumentieren, dass gewisse Mitarbeiter das Büroumfeld schätzen, weil es ihnen hilft, Arbeit und Freizeit klar zu trennen und fokussiert zu sein. Ich sehe aber oft, dass sich dieses Problem wunderbar und ohne Wachstumsprobleme mit Coworking-Spaces lösen lässt. Inzwischen gibt es selbst in mittelgroßen Städten Anbieter dafür. Die meisten Mitarbeiter können aber auch von zu Hause aus produktiv sein. Das spart oftmals auch viel Zeit, die sonst fürs Pendeln genutzt wird.

Vertrauen über die Distanz

Mir wird noch oft die Frage gestellt, wie ich Leuten vertrauen kann, die ich noch nie persönlich getroffen habe. Für mich setzt Vertrauen keinen persönlichen Kontakt voraus, sondern vielmehr Verständnis füreinander. Dafür muss ich den Menschen kennenlernen und nicht bloß den Mitarbeiter.

Im klassischen Büro passiert das zugegebenermaßen fast automatisch. Beim Kaffeeautomaten redet man über den nächsten Urlaub, auf dem Weg zur Mittagspause tauscht man sich zu Filmen aus, die einem besonders in Erinnerung geblieben sind. Unsere Leidenschaften und unsere Erfahrungen machen uns als Menschen aus, und diese kommen selten beim morgendlichen Meeting zum Vorschein.

Adjust-Gründer Christian Henschel ist gegenteiliger Meinung: Er findet Büros für Startups wichtig. Wieso, lest ihr hier: 

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Deshalb schaffen wir in unseren Remote-Teams bewusst Zeit dafür. Regelmäßig planen wir feste Zeiten in Meetings ein, in denen wir bewusst über Themen außerhalb der Arbeit reden oder planen wöchentliche Trivia-Sessions (Wissens-Quiz, d.Red.), um uns und unsere Denkweisen besser kennenzulernen.

Trotz alledem hilft es, von Zeit zu Zeit ein paar Tage miteinander zu verbringen. Zusammen essen, ausgehen und Erlebnisse sammeln – das geht nur in Person. Deshalb kommen wir in regelmäßigen Abständen zusammen. Wir fliegen das Team aus aller Welt für eine Woche an einen coolen Ort und unternehmen jede Menge Teambuilding-Aktivitäten. Das ist nicht günstig, aber aufs Jahr gerechnet deutlich günstiger als ein oder mehrere Büros zu mieten. Und ganz ehrlich: Ein aufregender Team-Ausflug bleibt einem deutlich mehr im Kopf als ein langweiliges Office, in das wir jeden Tag kommen.

Die Vorteile überwiegen klar

Mit talentierten, smarten und ehrgeizigen Menschen zusammenzuarbeiten, ist für mich ein Luxus, den ich nie wieder aufgeben möchte. Remote Work ist ein Werkzeug, das das Beste aus allen Welten vereint: Wir haben Zugang zu mehr Talent, wir arbeiten effizienter zusammen und da alle die zusätzliche Freiheit schätzen, sind wir motivierter bei der Arbeit. Ich würde nie mehr eine Firma mit Büro gründen.

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Bild: Cédric Waldburger