Unscheinbar, aber intelligent: Den smarten Bienenzähler (kleiner Kasten vorne) hat Frederic Tausch mitentwickelt.

Frederic Tausch hebt sich ab. Nicht nur im Vergleich zu vielen seiner Altersgenossen kennt er sich auf einem komplizierten Gebiet besonders gut aus: Mit gerade einmal 22 Jahren weiß Tausch mehr über Künstliche Intelligenz (KI) als ein Großteil der Bundesbürger.

Tausch studiert im sechsten Semester Informatik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Er forschte schon am National Institute of Informatics in Tokio, gerade arbeitet er mit zwei Mitgründern an einer KI für Bienenstöcke namens Apic.ai. Sie soll Imkern dabei helfen zu erkennen, ob die Tiere genügend Nahrung finden oder krank sind.

Wie der Student die Hype-Technologie erlernte und wie er damit arbeitet, hat er im Interview erzählt.

Frederic, wie bereitet dich dein Informatikstudium auf die Arbeit mit KI vor?

Gerade am Anfang des Studiums ist es entscheidend, die Grundlagen der Informatik zu lernen, um einen Überblick zu erhalten. Der Modulplan gibt eher einen Rundumschlag vor. Mein Interesse an KI hat vor allem gestärkt, dass ich neben dem Studium in der Pioniergarage (studentische Gründerinitiative am KIT, Anm. d. Red.) aktiv war. Mit einer kleinen Gruppe war ich auf mehreren Hackathons. Dabei haben wir probiert, Probleme mithilfe von Machine Learning zu lösen. Dann habe ich mich immer stärker damit beschäftigt.

Das heißt?

Ich habe mich zum Beispiel der Hochschulgruppe Machine Learning Karlsruhe angeschlossen. Der Gruppe gehören Studenten aller Fachrichtungen an, die sich wirklich für das Thema interessieren. Sie treffen sich wöchentlich, um wissenschaftliche Veröffentlichungen und deren Auswirkungen zu diskutieren. Außerdem habe ich das Udacity-Nanodegree zum Autonomen Fahren belegt, mir Stanford-Kurse zu Deep Learning angeschaut und das Material durchgearbeitet. Auf KI spezialisieren können sich Informatikstudenten hier in Karlsruhe erst im Master. Das hat mich aber nicht davon abgehalten, mich schon vorher in diese Vorlesungen zu setzen.

Wie sieht deine Arbeit bei Apic.ai ganz konkret aus?

Ich arbeite mit Bilddaten, die händisch mit Labeln versehen oder künstlich erzeugt sind. Diese Daten teile ich in sogenannte Trainings-, Validierungs- und Testdatensätze auf und gebe die Trainingsdaten in ein neuronales Netz. Hier soll der Algorithmus von den gelabelten Daten lernen, zum Bespiel um die Pollenfarbe später selbstständig zu lokalisieren. Das System überprüft seine Leistung stetig und kann sich so nach und nach verbessern. Nach dem Training wird der Algorithmus mit dem Validierungsdatensatz ausgewertet.

Womit arbeitest du?

Als Programmiersprache bevorzuge ich Python, als Machine-Learning-Framework Tensorflow. Es ist entscheidend, den Datensatz gut zu strukturieren und aufzuteilen, damit die Verteilung darin die Realität widerspiegelt. Wenn ich zum Beispiel nur mit Bildern von Katzen trainiere, kennt mein Algorithmus nur Katzen. Bestimmte Faktoren dürfen also nicht über- oder unterrepräsentiert sein.

Wie funktioniert das System im Einsatz?

Unser Aufsatz für Bienenstöcke ist mit einer Kamera ausgestattet, die die Tiere beim Betreten und Verlassen ihrer Stöcke visuell erfasst. Das System erkennt in den Bilddaten mittels Machine Learning selbstständig Muster und zieht daraus Schlüsse über das Befinden der Bienen. So können Imker zum Beispiel ein abnehmendes Nahrungsangebot erkennen, weil sich die hereingetragene Pollenmenge verändert. Verschiedene Eigenschaften der Pollen ermöglichen Rückschlüsse auf die Pflanzenart.

Und mit Hightech im Bienenstock verdient ihr Geld? 

Generell wollen wir mit den erhobenen Daten einen Mehrwert stiften und so diese Daten kommerzialisieren. Wir sehen viel Potenzial für landwirtschaftliche Betriebe, Versicherungen oder öffentliche Institutionen, wenn wir die Bestäubungsleistung mit der Erntemenge und Ernteausfällen in Verbindung setzen. Zu unseren Kunden gehören etwa die Stadtwerke Ettlingen. Indem sie Kästen für Bienenstöcke kaufen, die dann vor Ort Imkern zur Nutzung bereitgestellt werden, zeigen sie, dass sie Verantwortung für ihre Umgebung übernehmen. Testen wollen wir das in einem Pilotprojekt in der Region Karlsruhe.

Ihr setzt sie zur Bienenrettung ein, aber es gibt auch Kritik: Sogar Tesla-Chef Elon Musk warnte eindringlich vor KI, bezeichnete sie als größte Gefahr für die Menschheit. Wie schätzt du die Gefahren ein?

Ich glaube, dass es darauf ankommt, wie wir Menschen mit der Technologie umgehen. Wichtig ist, dass wir sie jetzt nicht pauschal verteufeln, sondern richtig einsetzen. Damit meine ich, etwas Gutes für Gesellschaft und Natur zu tun und nicht versuchen, mit Hilfe von KI etwa auf Öl- oder Nahrungsmittelpreise zu spekulieren. Man darf auch nicht vergessen, dass wir uns technologisch noch in einem sehr frühen Stadium befinden: KIs erfüllen erst eine eingeschränkte Definition von „intelligent“, die fern ab von dem Bild ist, das Hollywood oft zeichnet. Vielmehr müssen wir diskutieren, wie wir als Gesellschaft mit den neuen Möglichkeiten umgehen.

In der Wirtschaft gelten die Karrierechancen für KI-Fachleute als ausgezeichnet. Die Gehälter sind hoch, die Nachfrage riesig. Hast du auch schon ein Jobangebot bekommen?

Ja, schon öfter. Ich bin aber zu gründungsbegeistert, um zurzeit einen Angestelltenjob anzustreben. Deshalb bin ich glücklich, ein Team gefunden zu haben, mit dem ich ein eigenes Unternehmen aufbauen kann.

Bild: Florian Kraft