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Delia Lachance hat Westwing vor zwei Jahren an die Börse gebracht. Nach einem monatelangen Sinkflug ist die Aktie heute wieder genauso viel wert wie zum ersten Handelsstart.

Wer sein Unternehmen an die Börse bringt, der hat es geschafft – so lautet zumindest das Credo in der Startup-Szene. Bislang sind das vor allem Firmen aus dem Rocket-Internet-Kosmos gewesen: der Kochboxen-Anbieter Hellofresh etwa sowie die Möbel-Shops Westwing und Home24. Bastian Schiedat arbeitet seit etwa zehn Jahren bei der Berenberg Bank und hat genau diese IPOs (Initial Public Offerings) begleitet.

Schiedat ist Head of European Equity Syndicate bei der Hamburger Privatbank und weiß, worauf es bei einem erfolgreichen Startup-Börsengang ankommt. Er hat Gründerszene die wichtigsten Fragen zum Börsengang beantwortet.

Die nächsten Startups nehmen Kurs auf den Dax: Auto1 bereitet seinen Börsengang vor und auch von About You soll es ab kommendem Jahr Aktien geben. In den nächsten Tagen erklären wir auf Gründerszene, wie solch ein IPO abläuft, welche Alternativen es gibt und wer die nächsten Börsenkandidaten sind.

Warum gehen Startups an die Börse?

Ein Börsengang hat mehrere Vorteile: Zum einen erhalten Startups hierdurch die Möglichkeit, Geld für das weitere Wachstum schneller und leichter aufzunehmen als sie es auf dem privaten Markt tun könnten. Denn das ist sehr zeitintensiv und nimmt den Fokus vom eigentlichen Tagesgeschäft. Darüber hinaus wählen viele Startups auch den Gang an die Börse, um ihren ersten finanziellen Unterstützern eine Exit-Option zu bieten.

Startups gehören am Anfang den Gründern. Je mehr Geld sie einsammeln, desto mehr verwässern sie ihre eigene Position und somit ihre Anteile. Unterstützer, oftmals in Form von Venture Funds, kommen dann als zusätzliche Teilhaber hinzu. Sie investieren zu einem sehr frühen Zeitpunkt und steigen nach einer bestimmten Zeit wieder aus, wenn sie ihr Investment vervielfacht haben. 

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Am Privatmarkt bedeutet ein Exit, sprich die Realisierung des Investments auf Investorenseite, dass entweder das ganze Unternehmen verkauft wird oder sie ihre Firmenanteile an einen neuen privaten Investor als Secondary weitergeben. In diesem Fall ist allerdings der Markt an potenziellen Käufern im Vergleich zu der Anzahl an Investoren am Kapitalmarkt um einiges kleiner. Für die frühen Unterstützer eines Startups ist ein Börsengang daher oft die einfachere und bevorzugte Variante für den Exit. Zudem können ihre Anteilseigner an jedem Tag genau sehen, was ihr Investment wert ist, statt die Bewertung nur grob anhand der letzten Finanzierungsrunde abzuschätzen.

Beispiel: Aktuell wird in der Öffentlichkeit der IPO von Auto1 sehr aktiv diskutiert. 2018 hat das Unternehmen mit Softbank einen namhaften finanziellen Unterstützer bekommen. Dieser Investor hätte, um in diesem Zusammenhang ein Beispiel zu nennen, nach dem potenziellen IPO von Auto1 die Möglichkeit, anstelle von einem Kreis von kleinen privaten Investoren nun ein Netzwerk von etwa 1.000 institutionellen Investoren anzusprechen, um seine Aktien zu verkaufen. Für Softbank ergibt sich hierdurch eine viel einfachere und schnellere Möglichkeit aus dem Unternehmen teilweise oder komplett auszusteigen als durch einen Exit auf dem Privatmarkt.

Oder Hellofresh: Der Kochbox-Lieferant ist seit drei Jahren an der Börse und hat dort dieses Jahr zum ersten Mal über eine Wandelanleihe Geld aufgenommen. Vorher hat das Unternehmen den Kapitalmarkt noch nicht in dieser Art genutzt, weil es aus dem Cashflow wächst und somit eigentlich kein Geld braucht. Teilhaber haben jedoch mehrfach die Börsenpräsenz von Hellofresh genutzt, um ihre Anteile zu verkaufen.

Dagegen ist der Essenslieferdienst Delivery Hero wiederum sehr aktiv am Kapitalmarkt und hat bereits über verschiedene Arten größere Summen aufgenommen, um das weitere Wachstum zu unterstützen oder um Wettbewerber zu übernehmen.

Wann ist der richtige Zeitpunkt für einen IPO?

Unternehmen gehen in der Regel an die Börse, wenn sie das Gefühl haben, dass ihre Bewertung, in Relation zu vergleichbaren börsennotierten Unternehmen, eine erste angestrebte Größenordnung erreicht hat. Hierbei gilt als Faustformel, dass man mindestens 100 Millionen Euro als Transaktionsvolumen beim Börsengang anbieten sollte, damit institutionelle Investoren ein bestimmtes Level an Liquidität nach dem IPO in der Aktie vorfinden. Bei einem Prime Standard Listing der Deutschen Börse liegt die Mindestanforderung des Streubesitzes bei 25 Prozent, wodurch die Minimum-Transaktionsgröße in der Regel von dem Unternehmenswert abhängt. 

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Üblicherweise sollte die Bewertung grob bei mindestens 400 Millionen Euro liegen – inklusive einer möglichen Kapitalerhöhung beim IPO. Darüber hinaus sollte auch das Marktumfeld stimmig und nicht zu volatil sein. Seit 2006 wurden mehr als 80 Prozent der IPOs in Europa bei einem Volatilitätsindex (VIX) von unter 20 Punkten erfolgreich durchgeführt. Das heißt, für die Tage nach dem Börsengang waren kaum Schwankungen vorhergesagt. Aber natürlich ist es auch wichtig, dass die Investoren in Kauflaune sind, was Neuemissionen angeht.

Beispiel: Die IPO-Bewertungen von Westwing und Home24 lagen bei etwa 535 beziehungsweise 625 Millionen Euro, während das Transaktionsvolumen eine Höhe von etwa 130 beziehungsweise 180 Millionen Euro hatte. Beide IPOs wurden zu einem Zeitpunkt abgeschlossen, an dem der VIX einen Wert in der Spanne von 12 bis 16 Punkte hatte.

Zu welcher Jahreszeit ist ein Börsengang optimal?

Unternehmen müssen bei einem angestrebten Börsengang die sogenannte 135-Tage-Regel berücksichtigen. Die Regel zeigt die Werthaltigkeit der letzten Quartalszahlen an, die bis zu 135 Tage nach Beendigung eines Quartals für den IPO genutzt werden können. Der Hintergrund für diese Regel ist darin begründet, dass die neuen Investoren, die bei dem IPO angesprochen werden, die letzten Zahlen der Gesellschaft für ihre Investitionsentscheidung miteinbeziehen. Somit muss in diesem Zeitraum auch der Börsengang stattfinden.

Bastian Schiedat Berenberg Bank
Interviewpartner Bastian Schiedat brachte mehrere Startups an die Börse.

Dadurch ergeben sich entsprechende Platzierungsfenster durch das Jahr hindurch. Man muss dabei aber etwa auch die Ferienzeiten beachten. In der Regel sagt man, dass zwischen Mitte Juli und Ende August keine Börsengänge stattfinden, weil die Investoren für gewöhnlich im Urlaub sind. Man würde also riskieren, nicht die ganze Fülle an Investoren ansprechen zu können. Das gleiche gilt insbesondere für die Weihnachtszeit, Ostern wiederum ist nicht unbedingt in der gleichen Art zu beachten.

Gleichzeitig sind makropolitische Events wie etwa vor kurzem die US-Wahlen extrem entscheidend, weil Investoren abwarten wollen, wie das Marktgeschehen danach reagiert beziehungsweise sich entwickelt.

Wie bereitet man sich auf einen Börsengang vor?

Neben der Tatsache, dass ein Unternehmen über drei Jahre bestehen muss, ist es auch notwendig, dass die Buchhaltung historische IFRS Zahlen für die letzten drei Jahre in geprüfter Form vorlegen kann. Also Geschäftszahlen nach den International Financial Reporting Standards, den internationalen Rechnungslegungsvorschriften. Zudem muss das Unternehmen in eine AG oder SE umfirmiert sein oder im Laufe des Prozesses umfirmiert werden sowie bestimmte Governance-Auflagen erfüllen. In diesem Zusammenhang arbeitet das Startup mit mehreren Parteien zusammen: 

  • Die Banken, die für die Durchführung des Börsengangs und den gesamten Prozess hauptverantwortlich und insbesondere auch für die Vermarktung der Aktien engagiert sind.
  • Die Wirtschaftsprüfer, die die Zahlen und deren Ursprung hinterfragen und entsprechend prüfen.
  • Die Anwälte, die alle involvierten rechtlichen Themen begutachten und bewerten, sowie alles mit entsprechenden Verträgen absichern und den Prospekt federführend in Zusammenarbeit mit allen anderen Parteien erstellen.
  • Teilweise werden auch noch Kommunikationsberater mandatiert, um vor allem die öffentliche Medienpräsenz des Börsengangs zu kontrollieren und effizient zu unterstützen.  

Diese Tech-Börsengänge wurden zu Mega-Flops

Man kann sich dies wie bei einem Hausbau vorstellen: Es arbeiten unterschiedliche Teams mit verschiedenen Schwerpunkten und Kenntnissen zusammen an dem Ziel, das Haus fertigzustellen und gemeinsam zu übergeben. Somit ist eine kontinuierliche Abstimmung und Zusammenarbeit wichtig.

Wie lange sollte man sich also Zeit nehmen?

Bei einem IPO spricht man in der Regel von vier bis sechs Monaten – vom Kick-off-Meeting bis zum Handelsstart. Der tatsächliche Börsengang vom Zeitpunkt der Intention to Float (ITF), also der ersten öffentlichen Bekanntgabe, dauert in der Regel zwischen drei und vier Wochen. In dieser Zeitspanne gehen die Research-Analysten der beauftragten Banken auf Roadshow. Außerdem gibt es eine anschließende Management-Roadshow und parallel dazu läuft das Bookbuilding, sprich das Einsammeln der konkreten Interessenbekundungen der Investoren in Form von Ordern.

An welchem Handelsplatz sollte man seine Aktien platzieren?

Unternehmen haben die freie Wahl, national oder international. Hier sind im Allgemeinen keine Grenzen gesetzt, auch wenn jeder Handelsplatz sich im Hinblick auf die mitzubringenden Voraussetzungen unterscheiden mag. In der Regel entschließen sich die Unternehmen dort an die Börse zu gehen, wo sie auch ihren Hauptsitz und somit oft auch ihren Hauptabsatzmarkt haben.

Beispiel: Home24 und Westwing etwa haben den lokalen Börsenplatz gewählt, weil sie hier ihren Hauptsitz haben und auch den größten Absatz erzielen, auch wenn beide international agierende Unternehmen sind. Hingegen hat der bekannte Impfstoffhersteller Biontech aus Mainz die USA für den Börsengang gewählt, weil dort vergleichbare Biotech-Unternehmen geführt werden und somit der US-Markt über eine Vielzahl an Sektor-Investoren verfügt.

Wie wird der Ausgangspreis bei der Aktienemission bestimmt?

Sobald ein Startup an die Börse will, gibt es die sogenannte ITF bekannt – die Intention to Float. Die mandatierten Banken verteilen dann einen Research-Report an potenzielle Investoren und reisen für gewöhnlich umher, um mit ihnen über das besagte Unternehmen zu sprechen und entsprechendes Hintergrundwissen zu vermitteln. Hierdurch erlangen die Investoren eine erste Einschätzung sowie die notwendigen Informationen, inklusive einer Research-Bewertung des Unternehmens.

Nach dem ersten Meeting ruft in der Regel ein Sales-Mitarbeiter der Banken den Investor an, um entsprechendes Feedback auf das Unternehmen einzusammeln. Hier ist das Bewertungsfeedback von besonderem Wert, da dieses zusammen mit dem der anderen Investoren die Basis für die Herleitung der Bookbuilding-Range darstellt. Das heißt, die Bewertungen werden am Ende dieser Runde von der Gesellschaft und den Banken mit einer Spanne von etwa 20 Prozent versehen und in den Emissionsprospekt übertragen. Dieses IPO-Prospekt wird anschließend von der BaFin gebilligt und publiziert. 

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Dies ist dann auch der Start für das Bookbuilding und die parallel laufende Management-Roadshow, was in der Regel fünf bis neun Tage dauert. Hierbei geht es vor allem darum, dass die Investoren nochmal die Möglichkeit bekommen, persönlich mit dem Management zu sprechen und diesem final in die Augen zu schauen bei der Beantwortung ihrer Fragen. Am Ende ist dies ein wichtiger Faktor, um ein Vertrauensverhältnis sicherzustellen, welches oftmals die finale Investitionsentscheidung auslöst.

Die Banken machen in diesem Zeitraum, bildlich gesprochen, ein Buch auf und notieren beim Bookbuilding die unterschiedlichen Orders der Investoren. Beispielsweise würde ein Investor zehn Euro und ein anderer zwölf Euro geben – immer innerhalb dieser Preisspanne. Die Banken sammeln so viele Orders wie möglich, um dann den bestmöglichen Preis zu generieren. Wenn der Börsengang zu 100 Millionen Euro stattfinden soll, muss am Ende aber auch diese Summe in einer zuteilbaren Form an dem entsprechenden Preispunkt gedeckt sein. Der höchste gedeckte Preispunkt stellt dann den IPO-Preis dar, zu dem alle Investoren, die bis zu diesem Preis mitgegangen sind, dann eine von dem Unternehmen und Banken bestimmte Zuteilung erhält.

Was kostet ein IPO ungefähr?

Die Gebühren für einen IPO sind unterschiedlich. Hierzu zählen die Gebühren der Banken, der Anwälte, der Wirtschaftsprüfer und weiterer Berater, die man als Unternehmen mandatiert hat. Hinzu kommen mögliche Reisekosten beispielsweise zu Investoren, oder Kosten für das Listing oder für Drucke von Vermarktungsmaterialien. Da die Gebühren der Banken prozentual an das Emissionsvolumen geknüpft sind, unterscheiden sich die Gesamtsummen zwischen kleinen und größeren IPOs signifikant voneinander.

Beispiel: Die Emissionsprospekte vergangener IPOs führen an, dass Westwing Kosten von rund 8,2 Millionen Euro, Home24 etwa 7,4 Millionen Euro und der Konzern Knorr-Bremse 74 Millionen Euro hatten, bei Emissionserlösen von 130 Millionen Euro, 180 Millionen Euro und 3,9 Milliarden Euro.

Bilder: Westwing, Berenberg Bank
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