Mit Pacific Garbage Screening hat Marcella Hansch ein Sozialunternehmen gestartet – was eine ganze Reihe an Herausforderungen mit sich brachte.
Mit Pacific Garbage Screening hat Marcella Hansch ein Sozialunternehmen gestartet – was eine ganze Reihe an Herausforderungen mit sich brachte.

Der Schlüsselmoment, sagt Marcella Hansch, sei ein Tauchgang auf den Kap Verden gewesen. Etwas habe sie dabei am Körper berührt und gewaltig erschreckt. Allerdings war es kein Fisch, der sie streifte, sondern Plastik. Dann sei ihr aufgefallen, dass es davon um sie herum mehr gegeben habe als Fische. Aus dem Erlebnis entstand die Idee für eine Vorrichtung, erzählt Hansch, die Plastik aus dem Meer holen kann. Die Idee konkretisierte sie dann für die Abschlussarbeit ihres Architekturstudiums.

Fünf Jahre ist das her. Seitdem ist einiges passiert. Nach dem Studium fängt Hansch erst einmal an, als Architektin zu arbeiten. Weil ihr die Plastikproblematik aber nicht aus dem Kopf geht, spricht sie immer wieder mit anderen über ihre Vorrichtung. Eine Lokalzeitung schreibt über die Idee. Das wiederum sieht eine Firma und lädt Hansch auf eine Messe ein. Zuerst ist sie ernüchtert, als sie erkennt, dass die Einladung nur ein Marketing-Coup war.

Doch dann kommen Fachleute und Ingenieure auf sie zu und fragen, ob sie sich schon mal überlegt hat, die Vorrichtung wirklich zu bauen. Zwei Jahre, nachdem sie die Idee dafür hatte, geht sie schließlich zur RWTH Aachen, wo sie auch studiert hat. Dort will sie die Umsetzbarkeit prüfen lassen. Die Universität schreibt Abschlussarbeiten darüber aus, noch ein Jahr später liegen dann detaillierte Berechnungen vor. Ergebnis: Das Vorhaben ist realistisch.

Allerdings stößt Hansch schnell auf Schwierigkeiten. Um ihr Projekt, das sie Pacific Garbage Screening nennt, finanzieren zu können, braucht sie Kapital. Weil Plastik aus dem Meer zu fischen allerdings keine riesigen Profite verspricht, ist die Investorensuche schwierig. Alle Startup-Förderungen, die Hansch sich anschaut, fokussieren sich auf Businessplan-Schreiben, um in zwei Jahren eine Rendite erwirtschaftet zu haben, was für sie nicht passt.

Also wird Hansch kreativ. Um Spenden annehmen zu können, gründet sie mit ein paar Unterstützern zunächst einen gemeinnützigen Verein. Außerdem kann sie die breite Masse für sich gewinnen: Insgesamt 230.000 Euro sammelt sie im Juni und Juli 2018 über ein Crowdfunding-Projekt ein. Durch Spenden steht ihr bald der doppelte Betrag zur Verfügung. „Bis letzten Sommer hatten wir fünftausend Euro auf dem Konto“, erinnert sie sich heute.

Das Geldproblem verfolgt Hansch immer noch. „Wir bekommen keine nennenswerte Förderung, weil wir kein Wirtschaftsunternehmen sind. Für soziale beziehungsweise ,grüne´ Vorhaben funktioniert das System nicht gut.“ Deswegen hat sie nun ein Startup gegründet. Mit eigenem Büro, sagt sie stolz, nachdem das Team um Hansch zuvor nur in Co-Working-Spaces und Wohnzimmern gearbeitet hatte. 40 Leute arbeiten heute ehrenamtlich am Projekt. Seit dem Jahreswechsel gibt es zwei festangestellte Teilzeitmitarbeiter.

Hansch hat sich einen Plan gemacht, wie es weitergehen soll. „Erstes Ziel ist es nicht, das Riesenkonstrukt wirklich zu bauen. Stattdessen adaptieren wir die Technologie so, damit sie in einer kleineren Variante für Flussmündungen funktioniert.“ Das halte sie für realistischer und schneller umsetzbar. Zum anderen sei es auch effektiver, den Plastikmüll gar nicht erst in die Meere kommen zu lassen. Bevor sie belastbare Zahlen präsentieren kann, müsse aber Grundlagenforschung betrieben werden.

In den nächsten fünf Jahren sollen dafür eine Machbarkeitsstudie, Berechnungen und Modellversuche durchgeführt und ein Prototyp entwickelt werden. Für den größten Teil des laufenden Jahres sei genug Geld da, abhängig natürlich von den Personalkosten. „Mit der Anschlussfinanzierung steht und fällt alles“, sagt Hansch. Gerade sehe es ganz gut aus, genaueres will sie aber nicht verraten.

Kreativ bleibt Hansch aber weiterhin: Nun versucht sie, mit gesponserten Kampagnen noch mehr Geld von freiwilligen Unterstützern zu bekommen. Weil sie als weiteren Schwerpunkt ihrer Arbeit auch Umweltbildung und Aufklärung sieht, tritt Hansch immer öfter auf Veranstaltungen auf. Bezahlte Engagements brächten auch etwas Geld, mit Workshops will sie sogar ein zweites Standbein für ihr Unternehmen aufbauen.

Wichtiger aber sei ihr die Botschaft: „Noch besser als unsere Entwicklung ist es, wenn der Müll gar nicht erst in die Flüsse und Meere gelangt.“ Weil sie nun ein Wirtschaftsunternehmen hat, will Hansch auch Fördergelder bei der EU beantragen, gemeinsam mit Partnern aus dem Wirtschafts- und Forschungsbereich. Zwei Stiftungen habe sie schon als strategische Partner gewinnen können.

Was sie in 20 Jahren erreicht haben will? Immerhin gibt es eine Reihe gleichgerichteter Vorhaben, die letztendlich um die selben Förder- und Investorengelder kämpfen. Nicht eine Lösung könne das Problem beseitigen, sagt Hansch, alle müssten zusammenarbeiten: „Mit Pacific Garbage Screening fokussieren wir uns auf kleine Partikel unterhalb der Oberfläche in Flüssen und Flussmündungen.“ Weil sich andere Projekte wie das Münchner One Earth One Ocean auf Häfen und Küstengebiete oder internationale Unternehmungen wie The Ocean Cleanup auf die großen Müllinseln in den Meeren konzentrierten, passe alles gut zusammen. Man kenne sich untereinander, sagt Hansch, und auch eine Zusammenarbeit sei nicht ausgeschlossen.

Im Podcast spricht Boran Slat, Gründer von The Ocean Cleanup über seine Motivation und darüber, wie es zur Gründung seines Unternehmens kam. Und er verrät, wie er mit Rückschlägen umgeht, die bei derart komplexen Projekten nicht zu umgehen sind.

Was unabhängig davon alle Vorhaben eine: „Wir müssen die Menschen dazu bringen, weniger Müll abzuladen.“ Enttäuscht sei sie vor allem von der Politik. Die ziehe viel zu langsam mit. Beim CO2-Ausstoß habe politisches Eingreifen ja Wirkung gezeigt, zumindest wurden weltweit erste Schritte gegangen. „Gegen Plastik in den Meeren unternimmt die Politik aber gar nichts.“

Also müssten andere vorpreschen. Hansch gibt sich optimistisch, immerhin sei das Reinigen der Meere ja auch eine Rückgewinnung von Rohstoffen. „Das gesammelte Plastik muss dem Wiederverwertungskreislauf zugeführt werden. Irgendwann kann das vielleicht auch Teil unseres Geschäftsmodells werden“, sagt Hansch. Dann müsste die Sozialunternehmerin zumindest nicht mehr so viel Zeit in das Herbeiholen von Geld investieren.

Artikelbild: Gründerszene, Illustration: Pacific Garbage Screening