Joy at Work: Die Queen der Ordnung hat neue Tipps für Berufstätige in petto.

Dieser Artikel erschien ursprünglich am 12. Mai 2020 und hat besonders viele Leserinnen und Leser interessiert.

Marie Kondo ist dafür bekannt, sogar Spannbettlaken zu einem perfekten Rechteck falten zu können. Im Zentrum der von der Aufräum-Expertin entwickelten Konmarie-Methode steht immer die Frage: „Was macht dich wirklich glücklich?“ Damit hat die Japanerin vielen Menschen geholfen, ihr Privatleben zu entrümpeln. Mit ihrem neuen Buch „Joy at Work – Aufgeräumt und erfolgreich im Arbeitsleben“ will sie auch das Berufsleben umkrempeln. Ihre Tipps erscheinen dabei bestenfalls vertraut und schlimmstenfalls antiquiert. 

Die „Queen der Ordnung“ dürfte vielen durch ihre Netflix-Serie oder die „Magic Cleaning“-Bücher bekannt sein. In einer Mischung aus Liebe zum Minimalismus und verhaltenstherapeutischen Ratschlägen beschreibt sie immer dieselbe Methode: Alles wird gefaltet, nach Farben und Gruppen sortiert, möglichst aufrecht in Boxen gesteckt und an bewusst gewählte Plätze gestellt. Behalten wird nur, was Freude entfacht oder unabdinglich ist. Das war’s.

In ihrem neuen Buch erklärt Marie Kondo, wie sich ihre Methode auf Schreibtischen und Desktops anwenden lässt. Dabei ist das Aufräumkonzept dasselbe wie das, das Kondo für Zimmer verwendet – wer damit vertraut ist, braucht dieses Buch kaum. Lesenswert ist es trotzdem, da es mit Anekdoten von Klienten und Kondos eigener Vergangenheit ausgeschmückt wird. Diese Geschichten lassen ihre Ordnungsliebe zeitweise zwanghaft erscheinen: So berichtet die Autorin, wie sie alles aufräumte, auch wenn es ihr gar nicht gehörte. Regelmäßig deutet sie in ihren Büchern außerdem Burnout-Erscheinungen an, etwa als Forbes sie 2015 zu einer der einflussreichsten Frauen kürte.

 

Ein Schreibtisch nach den Regeln von Marie Kondo aufgebaut.

Würde dieser Schreibtisch Marie Kondo glücklich machen?

Das Problem mit den Nationen

Um „Joy at Work“ seriös genug für den Arbeitsalltag zu machen, hat Kondo sich Unterstützung vom US-Psychologen Scott Sonenshein geholt. Der ist selbst Bestseller-Autor und forscht zu Produktivität und Glück im Arbeitsleben. Er führt eine Menge Studienergebnisse an, wodurch die etwas starren Ordnungskonstrukte zumindest fundierter wirken. Zusätzlich gibt das Buch Tipps zum Zeitmanagement, dem Priorisieren von Aufgaben und der Teamgestaltung.

Das größte Problem des neuen Kondo-Werkes liegt wie schon bei den Vorgängern in der Überbrückung kultureller Grenzen: Die Japanerin appelliert bei ihren Landsleuten an den Fleiß und das Pflichtbewusstsein. Bei Amerikanern entschuldigt sie dagegen eher das Konsumverhalten. Über Deutschland verliert sie kein Wort. Indem nur die größtmöglichen Gemeinsamkeiten angesprochen werden, soll das Buch weltweit Anwendung finden. Dadurch bleiben die Anleitungen jedoch vage und teilweise antiquiert.

Beim Aufräumen des physischen Schreibtischs fällt das bereits auf: Anscheinend haben viele von Kondos Klienten einen Arbeitsplatz, der „nur etwa eine Armspanne breit“ ist und auf dem viele Briefe ankommen. Bei der digitalen Ordnung stößt das Buch an seine Grenzen: Das Beseitigen „immaterieller Unordnung“, beschreibt nur die Anordnung und Löschung von Apps, alten Dateien und E-Mails. Zusätzlich solle man Meetings kürzen oder weglassen. Kein Wort über moderne Kommunikationslösungen wie Slack und Microsoft Teams oder über Online-Speicher wie Google Drive oder Dropbox. Und keine Hinweise zum Organisieren von Passwörtern.

Die wichtigsten Tipps

Trotz aller Kritik gibt „Joy at Work“ wichtige Hinweise, um das Arbeitsleben besser zu organisieren und einfacher zu gestalten. Die zentralen Tipps des Buchs:

Physische Objekte

  • Visualisiert euer ideales Arbeitsleben.
  • Räumt möglichst alles in einem Rutsch auf.
  • Legt alle physischen Objekte einer Kategorie auf einen Haufen, bevor ihr sie sortiert.  
  • Fragt euch bei jedem Gegenstand: Weckt das eure Freude? Benutzt ihr das noch? Wird das Objekt zukünftig Freude bringen?
  • Gebt weg, was ihr nicht braucht. 

Dateien, E-Mails, Apps

  • Nutzt ihr die App überhaupt? Braucht ihr die Unterlagen noch? 
  • Sortiert digital alles in maximal zehn Ordner.
  • Nutzt bei E-Mails den Archivordner. Räumt jeden Tag den Posteingang auf.

Zeitmanagement

  • Kürzt oder streicht Meetings. Strukturiert die Meetings vorher.
  • Legt Zeiten fest, zu denen ihr Mails beantwortet und Anrufe annehmt. Legt sonst das Handy beiseite.
  • Entscheidet bei jeder neuen Aufgabe, wie wichtig sie ist.
  • Nehmt euch nicht zu viel an einem Tag vor. Ihr könnt auch Aufgaben abgeben.
  • Automatisiert Entscheidungen wie die Verabschiedungsformulierung bei Emails.

Teams

  • Bewertet eure Teams: Wie könnte die Zusammenarbeit mehr Freude bringen?
  • Baut Vertrauen zueinander auf.
  • Wendet euch an die Teammitglieder, die ihr wirklich ansprechen wollt.
  • Schafft Konflikte frühzeitig aus der Welt.
  • Denkt darüber nach, ob euer Job euch glücklich macht.

Die meisten Tipps klingen banal. Doch das Ziel ist es laut Kondo nicht, militärisch perfekt aufgeräumt zu sein. Stattdessen soll man „am Ende mit sich selbst ins Gespräch kommen.“ Tatsächlich kann es heilsam sein, das eigene Hab und Gut zu hinterfragen, weil man dabei innehält und Achtsamkeit für die wichtigen Dinge entwickelt. 

Marie Kondo & Scott Sonenshein: „Joy at Work – Aufgeräumt und erfolgreich im Arbeitsleben.“ Erschienen am 28. April 2020 im Rowohlt Verlag. Gebunden für 20 Euro.

Ähnliche Ansichten über persönlichen Besitz hat Minimalist und Gründer Cedric Waldburger. Wir haben den Schweizer kürzlich in unserem Podcast „So geht Startup“ interviewt: 

 

Bilder: Getty Images / Gary Gershoff; Michael Reinhardt