Geht der Plan auf? Zocker sollen durch die Abos Geld sparen können, während die Industrie Kunden binden will. Doch es gibt Bedenken an diesem Modell.

Auf den verschneiten Hügeln über dem Fjord tobt eine virtuelle Schlacht um Hafenanlagen: Norwegische Widerstandskämpfer schießen auf Wehrmachtssoldaten, grelle Explosionen leuchten im Schnee wider, Kugeln pfeifen durch die Luft, Flugzeuge werfen Bomben – der diesjährige Computerspielblockbuster „Battlefield V“ will den Zweiten Weltkrieg simulieren und ist zumindest grafisch eine Wucht. Der gerade erst veröffentlichte Titel des Computerspiel-Publishers Electronic Arts dürfte unter vielen Weihnachtsbäumen gelandet sein.

Wer schon Mitte November dabei sein wollte, konnte das Spiel zwar nicht kaufen – stattdessen forderte Electronic Arts die Spieler in einer weltweit veröffentlichten Onlinewerbekampagne dazu auf, ein Abonnement für „Origin Access Premier“ abzuschließen. Unter dem sperrigen Namen vermarktet der Publisher eine Art Netflix für Computerspiele. Wer 14,99 Euro pro Monat oder 99 Euro pro Jahr bezahlt, dem räumt das Studio unbegrenzten Zugriff auf die neuesten Blockbustertitel ein: Neben „Battlefield V“ sind auch die Sporthits „Fifa 19“ und „Madden 19“, die „Sims 4“, „Star Wars: Battlefront“ und „Need for Speed“ im Abonnement dabei, zudem über 150 ältere Spieletitel des Studios.

Für Electronic Arts ist das Abonnement auf den ersten Blick ein unternehmerisches Wagnis: Top-PC-Spiele wie „Fifa“ oder „Battlefield“ kosten im Handel mindestens 40 Euro, ältere Titel werden auf digitalen Publishing-Plattformen wie Origin von Electronic Arts oder dem Weltmarktführer Steam des Studios Valve für 10 bis 20 Euro pro Titel verkauft. Angesichts dessen erscheint der Abo-Preis als günstig. Dennoch setzen nicht nur Electronic Arts, sondern auch Microsoft, Sony und Activision Blizzard auf das Abo-Modell, haben vergleichbare Mietangebote für ihre Spitzentitel im Markt. Lediglich der französische Publishing-Gigant Ubisoft zögert noch.

Publisher legen an der Börse gewaltig zu

110 Dollar geben PC-Spieler im Schnitt pro Jahr für ihr Hobby aus, das ergab eine Studie der Digitalunterhaltungsanalysefirma EEDAR aus dem Frühjahr. Gelingt es einem Studio, einen Spieler per Abonnement an sich zu binden, dann sichert es also fast dessen komplettes Gaming-Budget. Gleichzeitig verstetigt sich das Einkommen der Studios – sie sind nicht mehr so stark vom Erfolg einzelner teurer Blockbustertitel abhängig und verwerten ihre Bibliothek aus älteren Spieletiteln, die längst nicht mehr im Ladenregal liegen, effizienter.

Auch die Spieler sind längst daran gewöhnt, ihre Spiele nicht mehr physisch zu kaufen – 2017 wurden erstmals mehr PC-Spiele per Download verkauft als physisch im Laden als Datenträger oder Box mit Download-Code. Dementsprechend sieht Electronic-Arts-CEO Andrew Wilson die Game-Abonnents als Schlüsselprodukt für die Weiterentwicklung der Branche: Sie seien „die größte Disruption“ des Spielemarkts der gesamten Dekade, sagte Wilson auf der Spielemesse E3 in Los Angeles im Sommer.

Die Umsatzentwicklung gibt ihm recht: Zwei Milliarden Dollar nahm der Konzern über die sogenannten Live Services im Geschäftsjahr 2018 ein, 30 Prozent mehr als im Jahr davor. Derweil stürzten die Verkäufe von physischen Spieleboxen um 17 Prozent ab.

Auch die Anleger lieben den Gedanken eines stetigen Abonnementeinkommens à la Netflix: EA konnte an der Börse in den vergangenen fünf Jahren von 7 auf mehr als 23 Milliarden Dollar zulegen, im Sommer kratzte der Publisher gar an der 45-Milliarden-Dollar-Bewertung. Activision Blizzard legte von 12 auf über 35 Milliarden Dollar Börsenwert zu.

Nvidia schickt Hardware-Power aus der Cloud

Gleichzeitig ändert sich auch auf der Hardware-Seite das Geschäftsmodell: Bislang kosten aktuelle Spielekonsolen zum Marktstart zwischen 400 und 500 Euro, ein Spiele-PC kostet leicht über 1000 Euro – relativ hohe Eintrittshürden gerade für junge Spieler oder Gelegenheits-Gamer, die lieber auf ihren Mobiltelefonen zocken. Doch auch die Hardware kommt seit diesem Jahr erstmals ebenfalls per Abonnement aus der Cloud zum Spieler.

Der Grafikkartenweltmarktführer Nvidia startete zu Anfang des Jahres den weltweiten Beta-Test seines Dienstes „Geforce Now“. Der Konzern überträgt die rechenaufwendige Simulation der Spielewelten von seinen eigenen Servern in die Cloud und streamt die Spiele per Videostream direkt auf die Geräte der Spieler. Diese benötigen dafür lediglich einen einfachen Laptop oder einen leistungsschwachen Office-PC und eine schnelle Internetleitung. Die Investition in die teure Spiele-Hardware entfällt.

Wie viel Nvidia nach Abschluss der Beta-Phase für den Dienst verlangen will, ist noch offen – zur Präsentation deutete der Konzern an, der Dienst werde spielzeitabhängig zwischen einem und gut zwei Euro pro Stunde kosten. Ob auch eine Flatrate wie beim Dienst Netflix geplant ist, lässt Nvidia bislang offen.

Wer das Abo kündigt, verliert alle Fortschritte

Doch die Spielestudios gehen davon aus, dass durch das Streaming aus der Server-Cloud die Eintrittshürden so weit sinken, dass sie eine deutlich größere Zielgruppe erreichen können: Es werde nur noch eine Konsolengeneration auf den Markt kommen, danach werde nur noch gestreamt, sagte Chris Early, Topmanager beim französischen Spielegiganten Ubisoft, im Sommer bei einer Veranstaltung des Content-Delivery-Dienstleisters Akamai. Die entsprechende Software werde künftig einfach in jedem Fernseher und jeder Streaming-Box als App ausgeliefert, ähnlich wie heute Netflix oder YouTube.

Doch Early zweifelte zugleich daran, dass die Studios langfristig durch die Abonnements mehr Geld einnehmen als durch den Verkauf der Titel. Seine Zweifel machen auf den zweiten Blick Sinn: Abonnements schließen diejenigen Hardcore-Spieler ab, die dadurch Geld sparen – und also vermutlich pro Jahr deutlich mehr als die durchschnittlichen 110 Dollar in Spiele investieren. Fallen sie als Käufer weg, könnte der Markt insgesamt Umsatz verlieren, fürchtet Ubisoft. Es fehle eine neue Monetarisierungsstrategie.

Diese scheint EA jedoch bereits gefunden zu haben: Durch den Verkauf von Zusatzinhalten im Spiel generiert der Konzern bereits jetzt erhebliche Zusatzeinnahmen. Gleichzeitig bindet der Anbieter so seine Abonnenten an sich. Denn wer das Abo kündigt, verliert auch den Zugriff auf seine Spiele – und damit auf alle Spielfortschritte, die er bislang erreicht hat.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt.de.

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