Blockchain: Revolutionär, sagt die CDU. Überschätzt, sagt unser Autor.
Blockchain: Revolutionär, sagt die CDU. Überschätzt, findet unser Autor.

Es müssen hektische Wochen gewesen sein bei den Digitalpolitikerinnen und Digitalpolitikern der CDU/CSU. Erst wird die Partei von Rezo zerstört, dann weiß niemand, wie man auf das YouTube-Video antworten soll. Stattdessen verhaspelt sich die Parteichefin auf Twitter. Kurzum: Die Union steht gerade nicht unbedingt als die Partei der Internetversteher da.

Und auf Erfolge in der Großen Koalition mit der SPD kann man auch nicht verweisen, denn der Breitbandausbau hinkt selbst dem ambitionslosen Ziel von flächendeckend 50 Mbit/s im Jahr 2018 hinterher. Und von der Umsetzung der mickrigen KI-Strategie der Bundesregierung ist bislang auch nicht viel zu spüren. Niemand glaubt außerhalb der Union daran, dass Flugtaxis den Klimawandel stoppen oder die Mobilität in Großstädten nachhaltig verbessern könnten.

Die CDU/CSU will ja nicht als digitalinkompetent verstanden werden. Da ist guter Rat teuer, aber dann fällt den Digitalpolitikerinnen und Digitalpolitikern der CDU/CSU Bundestagsfraktion auf, dass lange niemand mehr über Blockchain geredet hat. Also wird pünktlich fünf Jahre nach der totalen Blockchain-Euphorie erst jetzt das Thema hervorgeholt und so getan, als ob Deutschland mit einer Blockchain-Strategie aufholen könnte.

Anstatt Wirtschaftsminister Altmaier (CDU), Innenminister Seehofer (CSU), Finanzminister Scholz (SPD) und Breitbandminister Scheuer (CSU) mehr Druck zu machen, damit sie bessere Rahmenbedingungen für Startups schaffen und die Digitalisierung in Deutschland vorantreiben, wird nun so getan, als ob die Blockchain ein Allheilmittel für alles wäre, was gerade verbessert werden müsste – von eGovernment über Startup-Finanzierung bis hin zum Notariatswesen.

So fordert die CDU/CSU-Bundestagsfraktion in ihrem Papier so ziemlich alles, was Blockchain-Euphoriker seit Jahren propagieren, was aber bislang nie umgesetzt wurde. Ein Digitaler Euro auf Basis von Blockchain wird sicherlich nicht einfach einzuführen sein und die Problematik, dass Überweisungen zu lange dauern und zu teuer sind, lässt sich auch ohne Blockchain lösen. Ebenso wirkt ein Handelsregister auf Blockchain-Basis charmant, die im Papier angesprochene Informationsfunktion könnte schon jetzt verbessert werden, ganz ohne Blockchain.

Die Forderung nach einer Digitalen GmbH, damit Gründungen schneller erfolgen können, ist sicherlich einer der Kassenschlager der politischen Forderungen, aber bislang haben noch alle, die halbwegs unternehmerisch veranlagt sind, diese Hürde meistern können. Übrigens sind die angesprochenen Erleichterungen bei der GmbH-Gründung auch ohne Blockchain möglich, sie müssten nur mal angepackt werden.

Bei allen Vorzügen der Blockchain – nach der anfänglichen Euphorie hat sehr schnell Ernüchterung eingesetzt, denn für viele angedachte Problemlösungen ist die Blockchain schlichtweg überdimensioniert oder überflüssig. Meine Prognose: Dieser Vorstoß wird das Sommerloch nicht überleben und wird einfach nur zu einem weiteren Stapel Papier werden, der produziert wurde, damit man mal einen Tag lang halbwegs gute Schlagzeilen bekommt.

Wir haben in Deutschland kein Defizit an Strategiepapieren, es mangelt dafür an der Umsetzung. Wir müssen Probleme angehen, nicht Papiere schreiben, die mit der Realität wenig zu tun haben.

lumma:// ist die Gründerszene-Kolumne von Nico Lumma, Managing Partner des Next Media Accelerator in Hamburg. Zuvor war er unter anderem COO bei Digital Pioneers, 2011 gründete er den Verein D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt e.V. mit und ist Mitglied in der Medien- und netzpolitischen Kommission des SPD Parteivorstandes.

Bild: PETRAS MALUKAS/Getty Images