Die Branche muss so divers wie möglich sein, damit großartige Innovation entstehen kann, findet unser Kolumnist.

Lange Zeit hatte man das Gefühl, dass in deutschen Startups Diversity eher daran gemessen wurde, ob jemand statt an der WHU mal in St. Gallen studiert hat oder statt einem blauen Hemd ein weißes trägt. Und noch immer sind viele Startups reine Männerrunden, finanziert von Venture-Capital-Firmen, deren Protagonisten alle männlich sind und ähnlich ticken.

Das muss sich ändern. Und zwar aus schlichten wirtschaftlichen Gründen. Wenn bei Startups die Hälfte der Gesellschaft ignoriert wird und wenn wir außerdem kaum Gründer mit Migrationshintergrund haben, dann lassen wir jede Menge Potenzial außen vor. Die Startup-Branche ist dann schlichtweg zu homogen – und damit zu wenig disruptiv.

Es macht einen großen Unterschied, wer eine Firma gründet

Je stärker die Startup-Branche wächst, je mehr es etablierte Strukturen und Akteure gibt, desto mehr müssen wir verinnerlichen, dass Innovation immer am Rand entsteht und nur mühsam in den Kern von Unternehmen vordringt. Die Branche muss also so divers wie möglich sein, damit großartige Innovation entstehen kann, die wiederum Disruptionen auslöst und damit neue Geschäftsmodelle etabliert.

Es macht einen großen Unterschied, wer eine Firma gründet, denn der individuelle Hintergrund, die aktuellen Lebensumstände und damit verbunden die Perspektive, die die Gründung für die einzelne Person bietet, haben nachhaltigen Einfluss auf die Produkte der Firma, auf das Geschäftsmodell und auf die Arbeitskultur. Wenn also Dinge anders gemacht werden sollen, dann müssen wir Andersartigkeit auch ermöglichen.

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Ich halte ausdrücklich nichts davon, dass Investoren oder staatliche Förderprogramme eine Quote für Gründerinnen oder Menschen mit Migrationshintergrund einführen. Denn natürlich muss der Dreiklang aus Team, Produkt und Geschäftsmodell stimmig sein, damit die Firma langfristig erfolgreich sein kann. Aber wir müssen Umfelder schaffen, die eine notwendige Durchlässigkeit haben, um mehr Diversity zu ermöglichen. Das fängt bei der Besetzung einer Pitch-Jury an, die natürlich 50/50 besetzt werden sollte, das geht weiter über Speaker-Slots und Podienplätze auf Konferenzen, die natürlich 50/50 besetzt werden sollten, bis hin zu mehr weiblichen Entscheidungsträgerinnen bei Venture-Capital-Fonds.

Beim Next Media Accelerator versuchen wir den strategischen Nachteil mit drei Männern in der Geschäftsführung dadurch auszugleichen, dass wir die Frauen in unserem Team in die Lage versetzen, die Firmenkultur zu prägen und damit ein attraktives Umfeld für Gründerinnen zu schaffen.

Wir müssen die „Old Boys Networks“ aufbrechen, damit die Startup-Branche auf eine breitere Basis gestellt werden kann, denn mehr Diversity ergibt ökonomisch Sinn, passiert aber eben nicht von alleine.

lumma:// ist die Gründerszene-Kolumne von Nico Lumma, Managing Partner des Next Media Accelerator in Hamburg. Zuvor war er unter anderem COO bei Digital Pioneers, 2011 gründete er den Verein D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt e.V. mit.

Bild: Getty Images / Caiaimage / Martin Barraud