Ein einfacher Weg, einen Blick in die Zukunft zu werfen: Man redet mit Startups und deren Gründerinnen und Gründern.

In den vergangenen Monaten wurde es immer deutlicher: In der deutschen Debatte ist nach wie vor nicht allen klar, wie tief greifend die Veränderungen sein werden, die durch die Digitalisierung ausgelöst werden. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung widmete sich am vergangenen Sonntag ausführlich der Frage „Was ist eigentlich Youtube?“, um dann einen Ausblick auf „die kommende Kultur“ zu wagen. Und die CDU-Vorsitzende verwies in einem Interview darauf, dass sie nach dem Rezo-Video nicht mit ihrem Sohn telefoniert habe, der ihr sicherlich bei der Einordnung hätte helfen können. Die Resonanz der Banken auf N26 und die Einführung von Apple Pay spricht ebenfalls Bände, weil die Nutzer gerade eigentlich sehr deutlich machen, was sie von einer Bank im digitalen Zeitalter erwarten – und enttäuscht werden.

Das sind nur einige Beispiele von vielen, an denen man sieht, dass der alte Ausspruch  stimmt, der dem Science-Fiction-Autor William Gibson zugeschrieben wird: „Die Zukunft ist schon da. Sie ist nur ungleich verteilt.“ Wir sehen dieses Muster in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

Dabei gibt es eine einfache Möglichkeit, einen Blick in die Zukunft zu werfen: Man redet mit Startups und deren Gründerinnen und Gründern. Dabei ist es ziemlich egal, aus welcher Branche sie kommen: Sie alle spüren eine Veränderung oder wittern eine Möglichkeit, die es ihnen ermöglichen soll, mit einem neuen Angebot am Markt zu reüssieren.

Wer nur Marktführer fragt, merkt zu spät, was wirklich passiert

Stattdessen verfallen viele Akteure in ein anderes Muster: Sie fragen die Marktführer, wie sie eine Entwicklung sehen. In aller Regel negieren diese die Auswirkungen einer Entwicklung auf das eigene Geschäftsmodell aber solange, bis es zu spät ist. Wenn man mit diesen Leuten redet, bekommt man viel zu spät mit, was gerade unter der Haube passiert und was in naher Zukunft relevant sein wird. Doch so funktioniert die Debatte um die Zukunft das Landes immer noch: Alte Denkschemata dominieren.

Möglichkeiten, es anders zu machen, gibt es genug. Von Meetups über Konferenzen bis zu Expertenrunden im Parlament oder gar Investments in Startups – man kann vom Know-how junger Unternehmen profitieren, wenn man es denn will. Doch dabei muss man ganz bewusst Irritationen zulassen, damit es zum Erkenntnisgewinn kommen kann. Und der muss nicht einseitig sein: Auch Startups dürfen natürlich dazulernen, wenn sie mit anderen Akteuren sprechen.

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Junge digitale Unternehmen können also einen Resonanzraum für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft bieten. Nur leider haben das deren Protagonisten immer noch nicht verstanden und sprechen lieber weiterhin mit denjenigen, mit denen sie schon seit Jahrzehnten reden, damit man sich gegenseitig auf die Schulter klopfen und die eigene Rückständigkeit bejubeln kann.

Startups müssen das durchbrechen und können nicht einfach abwarten, bis Gesprächseinladungen erfolgen. Auch wenn Gründerinnen und Gründer verständlicherweise vor allem ihre eigene Firma im Blick haben, sollte ihnen klar sein, dass ihnen nicht damit geholfen ist, wenn nur diese vorankommt, das Land ansonsten aber bei der digitalen Entwicklung zurückfällt. Also, Gründerinnen und Gründer, mischt euch ein und redet mit.

lumma:// ist die Gründerszene-Kolumne von Nico Lumma, Managing Partner des Next Media Accelerator in Hamburg. Zuvor war er unter anderem COO bei Digital Pioneers, 2011 gründete er den Verein D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt e.V. mit.

Bild: Getty Images / Morsa Images