Klassentreffen: Jedes Jahr lädt der HighTech Gründerfonds nach Bonn ein.

Wenn es um Startup-Finanzierung geht, dann wird schnell von klangvollen Namen gesprochen wie Sequoia, Softbank oder Rocket Internet. Es sind die großen Finanzierungsrunden und die erfolgreiche Historie, die die Namen bekannt gemacht haben. Zurecht. Denn: Ohne den Valley-VC Sequoia wären die 6Wunderkinder mit ihrer Todo-App Wunderlist vielleicht nicht an Microsoft verkauft worden. Ohne den japanischen Mega-Fonds Softbank hätte die Reiseplattform Getyourguide womöglich keine 430-Millionen-Runde durchführen können. Ohne Rocket Internet wäre die Startup-Szene in Deutschland und vor allem Berlin nie so groß geworden, wie sie heute ist.

Beim Blick auf den Szene-Report, den das Berliner Unternehmen Startupdetector vor Kurzem veröffentlicht hat, fällt demgegenüber etwas Interessantes auf: Zu den aktivsten Geldgebern in Deutschland – wohlgemerkt nach Anzahl der Investments, nicht nach Finanzierungssumme – gehört eine Investorengruppe, der gemeinhin nicht das Attribut „sexy“ anhaftet: öffentliche Geldgeber. Rund die Hälfte der Investoren mit sieben oder mehr Finanzierungsrunden im zweiten Halbjahr sind demnach staatlich.

Freilich, vom HighTech Gründerfonds, dem laut Studie auch insgesamt aktivsten Startup-Geldgeber im zweiten Halbjahr 2019, hört man auch durch seinen Frontmann Alexander von Frankenberg häufiger. In der Berliner Szene ist die IBB Beteiligungsgesellschaft in Finanzierungsrunden-Meldungen regelmäßig vorzufinden. Aber WFT Rheinland-Pfalz, Bayern Kapital, NRW Bank, Coparion? In der öffentlichen Wahrnehmung finden diese staatlichen VC-Fonds kaum statt. Dabei tragen sie einen ganz wesentlichen Teil zum Entstehen neuer Startups bei. Denn Business-Angels, die oftmals am Anfang einer Gründung ihr Kapital bereitstellen, können in der Regel spätere Runden finanziell nicht mehr stemmen. Und bis die großen Namen auf ein Unternehmen aufmerksam werden, ist es meist ein langer Weg. Staatliche VCs helfen deswegen häufig in den Finanzierungsrunden dazwischen aus. 

Finanzierungslücke in späteren Phasen

Alles gut also bei der Startup-Finanzierung? So einfach ist es leider nicht. Während heute in frühen Phasen vielleicht kein drängender Kapitalmangel herrscht – nicht zuletzt durch die Engagements der öffentlichen Geldgeber – trifft die Geldnot Gründer heute in späteren Phasen. Dann, wenn mehrere hundert Millionen gebraucht werden. Zumindest innerhalb Deutschlands. In den späten Phasen ist nämlich nur Kapital nur von internationalen Geldgebern zu bekommen, das haben die Leuchtturmfinanzierungen der letzten Monate deutlich gezeigt. Damit wandert viel Kontrolle und Know-how ins Ausland, das bemängeln hiesige Investoren wie Klaus Hommels schon seit Jahren.

Mit Coparion hat die Bundesregierung zwar auch einen 220-Millionen-Fonds gestartet, der beim Schließen dieser neuen Lücke bei größeren Later-Stage-Investments helfen soll und auch die KfW Bankengruppe soll ihren Teil dazu beitragen. Aufgrund der größeren notwendigen Summen fällt das Engagement allerdings vergleichsweise gering aus.

Lest auch

Tut der Staat trotz der hohen Aktivität, die die Studie von Startupdtector ausweist, also doch nicht genug? Im Gespräch mit Gründerszene hat sich der Startup-Beauftrage der Bundesregierung, Thomas Jarzombek, der Later-Stage-Problematik zumindest bewusst gezeigt. Bereits seit einer Weile werde gemeinsam mit großen Versicherungen und Family Offices ein immerhin zehn Milliarden Euro umfassender Fonds entwickelt, der im Bereich der nicht mehr ganz so jungen Startups für mehr Stabilität sorgen soll.

Auch in der gegenwärtigen Krise zeigt sich der Staat bemüht, die angespannte Lage für viele Startups durch zusätzliches Kapital in dreistelliger Millionenhöhe etwa in Berlin so gut wie möglich abzufedern – auch wenn sich natürlich noch nicht absehen lässt, mit welchen Erfolg. Die Rolle der großen VCs soll und wird das alles nicht mindern. Es wird sich beobachten lassen, ob und wie sich deren Verhalten in den kommenden Monaten krisenbedingt verändern wird. Große internationale Finanzierungsrunden werden in jedem Fall auch in Zukunft unabdingbar sein, damit sich das deutsche Startup-Ökosystem weiterentwickeln kann.

Lest auch

Dennoch sollten sich diejenigen die Rolle der öffentlichen Investoren vor Augen führen, die schnell danach rufen, dass die Bundesregierung „den Hebel umlegen“ oder „endlich für bessere Finanzierungsbedingungen sorgen“ soll. Es gibt von der Einführung einer staatlich geförderten Gründerzeit über bessere Bedingungen für Frauen in Führungspositionen bis zur steuerlichen Begünstigung von Mitarbeiterbeteiligungen genug Baustellen, um die sich die Politik für die Startup-Szene kümmern muss. (Noch) mehr Geld bereitzustellen – vor allem für Startups in frühen Phasen – sollte also nicht der alleinige Fokus sein.

Lest auch

Bild: Gründerszene