Das Stichwort Privatsphäre fiel auf der Bühne der Apple-Entwicklerkonferenz in San José in auffallender Regelmäßigkeit.
Das Stichwort Privatsphäre fiel auf der Bühne der Apple-Entwicklerkonferenz in San José in auffallender Regelmäßigkeit.

Die Tech-Szene neigt ja zu Extremen. Lassen sich Daten sammeln, werden immer und überall Daten gesammelt. Die seien das neue Öl, heißt es dann, und wir hatten uns wenigstens vorübergehend damit abgefunden, mit ihnen für viele Angebote im Netz zu bezahlen.

Wenn Apple jetzt gegen Facebook und Google wettert und auf der jährlichen Entwicklerkonferenz das Wort Privatsphäre fast schon so oft verwendet wie die üblichen Übertreibungs-Adjektive awesome, fantastic oder incredible – bezieht das Unternehmen klar Stellung gegen die Tech-Kumpanen. Apple behauptet, alle Informationen blieben auf dem Telefon oder zumindest sicher verschlüsselt auf den Servern, und sie würden auf keinen Fall für irgendwelche anderen Zwecke benutzt.

Tatsächlich hat sich Apple in der Vergangenheit stets von Geschäftsmodellen, die eine Jäger-und-Sammler-Mentalität hinsichtlich Nutzerdaten als Basis haben, ferngehalten. Dafür, nie ein erfolgreiches soziales Netzwerk aufgebaut zu haben, wurde Apple in der Vergangenheit belächelt. Gerüchte, die Firma wolle Twitter übernehmen, materialisierten sich nicht. Ob das fehlende Engagement in diesem Bereich Voraussicht war oder Unvermögen, das dürfen die Fans und die Hater unter sich ausmachen. Auch hier neigt die Tech-Szene ja zu Extremen.

Komfort war meist das Argument für die Nutzung von Social-Logins wie die von Facebook oder Google. Mit der eigenen Alternative, die zwar genau so aussieht, aber nicht einmal die E-Mail-Adresse, sondern eine anonymisierte, nicht nachvollziehbare Alias-Adresse weitergibt, will Apple es den Datensammlern schwer machen. Tracking wird systemweit eingeschränkt, die Nutzer können die Datensammellust der Apps noch genauer kontrollieren. Aus Nutzersicht ist das alles absolut wünschenswert. Der Komfort, so scheint es, wird dadurch nicht nennenswert eingeschränkt.

Gibt es also nun ein Wettrüsten in Sachen Privatsphäre, schon der Neigung zu Extremen wegen? Eher nicht. Zumindest, solange Google weiterhin auf das Geschäft mit dem digitalen Öl setzt. Auch Facebook wird sein Geschäftsmodell nicht so einfach selbst disrupten können. Und Künstliche Intelligenz liefert ohnehin immer wieder einen Grund, für bessere Ergebnisse immer mehr Daten zu sammeln. Allein um chinesischen Vorstößen Paroli bieten zu können.

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Am Ende wird der im Vorteil sein, der ausgefeilte Algorithmen liefern und trotzdem die Privatsphäre sichern kann. Apple hat sicherlich in Sachen KI einiges nachzuholen, der Sprachassistent Siri ist im Vergleich noch, wie sagt man das jetzt nett, zu dumm. Googles Angebote sind deutlich intelligenter, aber teuer mit den eigenen Daten bezahlt.

Wie immer, wenn es Umbrüche in einer Branche gibt, öffnet das die Tür für findige neue Unternehmen, die das schneller liefern, was die Status-quo-Bestimmer nicht können. Der Kunde, so viel ist klar, hat in den letzten Monaten und Jahren mehr Bewusstsein für seine Privatsphäre entwickelt. Er ist sogar immer mehr bereit, dafür zu zahlen. Und da, wo Geld locker(er) sitzt und wo Wünsche von Nutzern unbefriedigt bleiben, können neue Geschäftsmodelle entstehen. Wenn zwei Große sich streiten, können sich Startups eigentlich freuen. Wenn sie schnell sind. Und nicht nur in Extremen denken.

Bild: Justin Sullivan / Gettyimages