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Der Fahrdienst-Anbieter Uber aus dem Silicon Valley hat seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie ein Viertel seiner Arbeitskräfte entlassen.
Der Fahrdienst-Anbieter Uber hat seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie ein Viertel seiner Arbeitskräfte entlassen.

Das Silicon Valley ist Vorbild für Startup-Szenen weltweit, auch für die in Berlin. Doch wie läuft es gerade für deutsche Gründer an der Westküste? Warum interessieren sich US-Geldgeber nun mehr für deutsche Startups? Hat das Silicon Valley möglicherweise seinen Glanz verloren? Auf Gründerszene berichten wir eine Woche lang, was in der Bay Area von San Francisco aktuell passiert.

Als Deutschland Mitte März in den Lockdown ging, belächelte die US-Regierung das Corona-Virus noch. Die Counties im Silicon Valley gehörten indes zu den ersten, die eine Ausgangssperre verhängten – in etwa zeitgleich mit der Bundesrepublik. Die Kalifornier durften nur das Haus verlassen, wenn sie einkaufen, zum Arzt oder draußen Sport treiben wollten. Seit Mitte Mai dürfen Restaurants für Lieferessen öffnen, die Restriktionen lockern sich langsam. In San Francisco trage jeder in der Öffentlichkeit eine Maske, berichtet etwa Mesosphere-Macher Florian Leibert. Dieses Bild gibt es in Deutschland an nur wenigen Ecken.

Während für so manches deutsche Unternehmen der plötzliche Wechsel ins Home Office ein großes Problem darstellte, sei Tech-Firmen in der Bay Area der Übergang leicht gefallen, berichten dort ansässige Unternehmer auf Gründerszene-Nachfrage. Wann die Mitarbeiter zurück ins Büro können, bleibt ungeklärt. Facebook hat angekündigt, seine Belegschaft ab Juli zurückzuholen – allerdings nur mit einer Auslastung von 25 Prozent. Google, Slack und Microsoft veranschlagen frühestens den Herbst für die Rückkehr. Konzerne wie Twitter und Square erlauben ihren Mitarbeitern sogar, für immer aus dem Home Office zu arbeiten.

Führt permanentes Home Office zur Abwanderung?

Ob diese Regelung zu einem Exodus aus dem Valley führt, darüber sind sich die Kalifornier nicht einig. Bloomberg-Reporterin Sarah Frier und M&A-Berater Alec Dafferner von GP Bullhound beispielsweise glauben, dass ein Teil der Leute im Laufe der Zeit in günstigere Regionen ziehen werde, wenn sie nicht mehr im Büro anwesend sein müssen. Eine Massenabwanderung sieht Dafferner aber nicht. KI-Entwickler Dietmar Meister und Food-Gründer Michael Küch denken hingegen, dass die Mitarbeiter das Büro bevorzugen. „Ein Büro ist immer noch sehr wichtig: für das Zwischenmenschliche, für Ideen und vor allem für junge Mitarbeiter, die Leadership und eine professionelle Atmosphäre brauchen“, so Your-Super-Chef Küch. Außerdem sei das Netzwerken ein ausschlaggebender Grund, in die Bay Area zu ziehen, so Meister. Viele Gründer – wie etwa Küch – denken daher über einen Mix aus Home Office und Büro nach. 

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Das hat auch einen Vorteil bei der Personalsuche. Mark Zuckerberg will ab nächstem Monat Leute einstellen, die bis zu vier Stunden vom nächsten Facebook-Standort entfernt wohnen. Das erhöhe die Chance, gute Talente zu finden, sagt er. Zuckerberg schätzt, dass in den nächsten fünf bis zehn Jahren die Hälfte seiner Belegschaft von zuhause aus arbeiten wird.

Kein Job, keine Krankenversicherung

Millionen US-Amerikaner würden sich derzeit über solch ein Privileg freuen. Unternehmer aus dem Silicon Valley berichten gegenüber Gründerszene, dass viele Firmen als erste Sparmaßnahme Stellen gekürzt haben. Seit Mitte März dokumentiert ein Blogger auf der Website Layoffs.fyi, welche Startups Mitarbeiter entlassen mussten und welche Arbeitgeber gerade Personal suchen. Airbnb hat einem Viertel seines Personals gekündigt, Uber musste 6.700 Personen entlassen und 45 Büros schließen und auch der E-Zigarretten-Hersteller Juul hat knapp ein Drittel seiner Leute auf die Straße gesetzt. Und die Liste geht weiter. Laut des Blogs haben in der Bay Area mehr als 23.000 Startup-Mitarbeiter ihren Job verloren. US-weit sind es fast 40 Millionen Menschen, die aufgrund der Corona-Krise arbeitslos geworden sind.

Wird US-Amerikanern gekündigt, verlieren sie damit auch den Anspruch auf Krankenversicherung. Eine Zwangsversicherung hat Donald Trump vor einem Jahr abgeschafft. Vielen Bürgern ist die Gebühr für eine private Versicherung allerdings zu hoch. Günstige Angebote kosten etwa 300 Euro im Monat, medizinische Behandlungen liegen schnell im vierstelligen Bereich. Haben Personen Corona-Symptome, vermeiden sie aufgrund der Kosten einen Arztbesuch, was zu einer hohen Dunkelziffer führen könnte. Angestellte der Gig-Economy, wie etwa Uber-Fahrer oder Putzkräfte würden ebenfalls weiterarbeiten, weil sie jeden Tagesverdienst brauchen, so Dietmar Meister zu Gründerszene.

Kalifornien zahlt Arbeitslosen maximal 400 Euro pro Woche – und das auch nur 26 Wochen lang. Von April bis Juli bekommen Personen, denen wegen der Corona-Pandemie gekündigt wurde, zusätzlich 530 Euro pro Woche. Die Bearbeitung der Arbeitslosengelder dauere derzeit aber mehrere Wochen, berichten US-Medien.

335 Milliarden Euro Hilfe für kleine Unternehmen

Alternativen wie Kurzarbeit gibt es in den Staaten nicht. Der Insolvenzprozess lässt sich nicht mit dem in Deutschland vergleichen, sodass auch bei Zahlungsunfähigkeiten keine Lockerungen angedacht sind. Um kleinen Unternehmen und Selbstständigen zu helfen, stellt die US-Regierung von ihrem Zwei-Billionen-Euro-Hilfspaket rund 335 Milliarden Euro zur Verfügung. Unternehmer können einen Niedrigzins-Kredit in Höhe von maximal 1,8 Millionen Euro aufnehmen, um Rechnungen beispielsweise für Waren zu bezahlen. Hier müssen nicht die gesamten Schulden beglichen werden. Obendrein bekommen sie ein Darlehen ausgestellt, mit dem sie während der Corona-Krise acht Wochen lang allgemeine Ausgaben wie Miete und Personalkosten decken können. Diese Summe müssen Gründer nicht zurückzahlen, wenn sie für genau diese Zwecke genutzt wird und in dem Zeitraum keine Mitarbeiter entlassen werden.

Doch von dieser finanziellen Unterstützung profitieren nicht alle Startups.

Bilder: Justin Sullivan & Rich Fury Getty Images,

Die Stadt San Francisco versucht auch bei Obdachlosen einen Mindestabstand einzuhalten.

Die staatliche Hilfe geht nur an Firmen, die weniger als 500 Mitarbeiter haben. So weit, so gut. Wäre da nicht eine ganz bestimmte Klausel: Hat ein Startup einen Investor an Bord, der gleichzeitig auch Anteile an anderen Firmen hält, könnte das Portfolio gegebenenfalls einen Zusammenschluss ergeben, das insgesamt nicht mehr als 500 Angestellte haben darf. Entscheidend ist, ob der VC Kontrolle ausüben kann. Entweder, weil er mehr als die Hälfte der Stimmrechte hält oder mit seinem Veto Entscheidungen blocken kann. Ist das bei mehreren Portfolio-Startups der Fall und liegt deren Mitarbeiterzahl über der Grenze, bekommen sie kein Geld von der Regierung.

Startups verzichten auf staatliche Hilfe

Medienberichten zufolge warten Antragsteller bis zu einem Monat, bis sie das Geld auf ihrem Konto haben. Das Food-Startup Your Super sagt, es falle nicht unter die Klausel und könnte Geld von der Regierung aufnehmen, habe sich aber dagegen entschieden. Noch sei die Firma gut finanziert. Gründer Michael Küch kenne viele Unternehmer in Kalifornien, die ebenfalls keine staatliche Hilfe benötigen. 

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Allerdings hat nicht jedes Jungunternehmen ausreichend Kapital auf der Bank. Eine Untersuchung der Silicon Valley Bank hat ergeben, dass in den Vereinigten Staaten mehr als ein Viertel der Startup pleite sein könnte, bis die Wirtschaft wieder angekurbelt werde. „Ich glaube, dass viele Startups schließen müssen, die keine zusätzliche Finanzierung vom Staat oder Investoren bekommen“, sagt M&A Berater Alec Dafferne zu Gründerszene. „Das wird ab der zweiten Jahreshälfte beginnen.“

Unternehmensbewertungen sinken

Ähnlich wie in Deutschland hätten sich Wagniskapitalgeber in den ersten Wochen der Wirtschaftskrise vor allem auf ihre geschwächten Portfolio-Startups fokussiert, berichten mehrere Unternehmer aus dem Silicon Valley. Mittlerweile schauten sich die Investoren wider vermehrt nach neuen Projekten um – vor allem nach innovativen Geschäftsideen, die während der Pandemie entstanden sind.

Manche Gründer aus dem Valley müssen allerdings eine niedrigere Bewertung hinnehmen, schreibt die Financial Times (Paywall). Die Software-Firma Confluent beispielsweise habe statt einer anvisierten Bewertung von 4,4 Milliarden Euro nur geschätzte vier Milliarden Euro erreicht. Der fünf Jahre alte Sensorhersteller Samsara sowie das Reisebuchungsportal Tripactions mussten laut Financial Times ebenfalls niedrigere Summen annehmen.

Auch wenn die Stimmung in der US-amerikanischen Tech-Hochburg angespannt ist, sind viele Unternehmer optimistisch. So auch Florian Leibert: Er glaubt, dass angeschlagene Startups mit ein paar Einsparungen aus der Krise wieder herauskommen werden. Die Hoffnung gilt auch für deutsche Unternehmen.

Bild: JOSH EDELSON / Getty Images
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