Die Berliner SPD will mit strengeren Förderkriterien für Startups den Schutz der Arbeitnehmer gewährleisten.

Startups locken mit flachen Hierarchien, flexiblen Arbeitszeiten und dem Versprechen, die Welt zum Besseren zu verändern – oder zumindest eine Branche zu revolutionieren. Für viele junge Menschen sind sie deshalb eine attraktive Alternative zur Konzernkarriere.

Die Kehrseite des aufregenden Jobs: Die Bezahlung ist meist nicht gerade üppig und die flexiblen Arbeitszeiten entpuppen sich oft als Überstunden, vor allem in der Wachstumsphase.

Die Berliner SPD will die Startup-Förderung deshalb an „Kriterien guter Arbeit“ koppeln. „Künftig sollte es weder direkte noch indirekte Förderung für Unternehmen ohne Tarifbindung und betriebliche Mitbestimmung geben“, teilte die stellvertretende Landesvorsitzende der Partei, Ina Czyborra, am Freitag mit.

Man wolle mit den strengeren Förderkriterien für Startups den Schutz der Arbeitnehmer gewährleisten. Faire Arbeitsbedingungen dürften nicht zugunsten des Wachstums auf der Strecke bleiben, so Czyborra.

„Öffentliches Geld nur für gute Arbeit“

Konkret bedeutet das: Ein Betriebsrat und die Bezahlung nach Tarifvertrag sollen nach dem Willen der SPD künftig Voraussetzung sein, um als Startup staatliche Fördergelder zu erhalten. Das Vorhaben ist Teil des Koalitionsvertrags der Berliner Landesregierung, demzufolge die Vergabepolitik dem Grundsatz „Öffentliches Geld nur für gute Arbeit“ folgen soll.

Dabei geht es nach Informationen von Business Insider um Millionensummen: Im Fördertopf der Investitionsbank Berlin waren zuletzt 67,3 Millionen Euro pro Jahr für Gründungsvorhaben vorgesehen. Hinzu kommen noch 40 Millionen Euro, die über einen Zeitraum von knapp zehn Jahren (2014 bis 2023) für das sogenannte Berliner Startup Stipendium fließen.

Der Vorstoß der regierenden SPD überrascht, rühmt sich Berlin doch stets als Startup-Magnet. In keiner anderen Stadt ist der Zugang zu IT-Fachkräften und Risikokapitalgebern so gut wie hier. Rund 16 Prozent der Startups, die der Bundesverband Deutsche Startups in seiner jährlichen Bestandsaufnahme listet, haben in der Hauptstadt ihren Sitz — damit ist Berlin Gründungshauptstadt. Auch im Ausland ist Berlin als Startup-Metropole angesehen.

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Diesen Status sieht der Bundesverband Deutsche Startups durch den SPD-Vorstoß nun bedroht. Kaum ein Startup würde unter diesen Bedingungen noch Förderungen des Landes Berlin erhalten, sagt Geschäftsführer Christoph Stresing zu Business Insider. Das könne eine deutliche Schwächung des Standorts bewirken:

„Die Konsequenzen für den Startup-Standort wären katastrophal, Berlin würde seinen Jobmotor verlieren und die erzielten wirtschaftlichen Erfolge wieder verspielen. Die SPD tut daher gut daran, von diesen Überlegungen schnell Abstand zu nehmen. Allein Diskussionen über die Einführung solcher neuen Restriktionen führen zu Verunsicherung und fügen der Reputation der Startup-Hauptstadt vermeidbaren Schaden zu.“

Betriebsräte sind selten in der Startup-Welt

Tatsächlich wäre die Betriebsratspflicht für viele Startups wohl ein K.O.-Kriterium. Theoretisch können sie diese zwar umsetzten: Im Durchschnitt beschäftigen Startups knapp 13 Mitarbeiter, für die Gründung eines Betriebsrates sind nur fünf Mitarbeiter nötig.

In der Praxis fehlt jedoch der Wille. Betriebsräte sind in der Startup-Welt eine Seltenheit, das gibt auch Christoph Stresing vom Startup-Verband zu. „Aber nicht, weil sie verhindert werden sollen, sondern weil in Startups andere Einfluss- und Beteiligungsmechanismen greifen.“

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Er verweist darauf, dass es schon genügend Formen der Mitbestimmung gebe, etwa flache Hierarchien und Mitarbeiterkapitalbeteiligung. Der Berliner SPD ist das aber offenbar noch zu wenig.

Neben den „Kriterien für gute Arbeit“ hat die Partei noch ein weiteres Ziel für die Startup-Förderung formuliert. Man wolle sich zudem für die Gleichberechtigung von Männern und Frauen in der Gründerszene einsetzen. Welche Förderkriterien diesbezüglich aufgestellt werden sollen, konkretisierte die SPD auf Nachfrage von Business Insider aber nicht.

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Dieser Artikel erschien zuerst auf Business Insider Deutschland.
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Bild: Getty Images / Odd Andersen