Vor zehn Jahren (links) und heute: Qype-Gründer Stephan Uhrenbacher

Das Jahr 2020 ist da. Ein Startup-Jahrzehnt ist damit zu Ende gegangen. Wir lassen in unserem Neujahrsfragebogen noch einmal einige der spannendsten Persönlichkeiten der Gründerszene zu Wort kommen.

Er kennt beide Seiten des Unternehmertums. Stephan Uhrenbacher ist Gründer und Business Angel. 2005 startete er die Bewertungsplattform Qype, die 2012 für 50 Millionen US-Dollar an das US-Pendant Yelp verkauft wurde, außerdem baute er den Airbnb-Klon 9flats auf. Uhrenbachers jüngstes Startup, die Flughafen-App Flio, wurde im vergangenen Sommer von einem italienischen Reiseunternehmen übernommen. In einem Blogpost schrieb Uhrenbacher damals, Flio sei das erste Business in seiner Karriere gewesen, bei dem er Geld verloren habe. Wir haben ihn zum Jahreswechsel gebeten, auf einen Teil dieser Karriere zurückzublicken. Wie fällt seine Bilanz des letzten Jahrzehnts aus?

Stephan, was hast du vor zehn Jahren gemacht?

2010 war ein spannendes Jahr. Erstens war ich gerade von der Rolle des Qype-CEO in den Aufsichtsrat gewechselt. Zweitens hat sich Philipp Gloeckler bei mir gemeldet, mit dem ich dann den Avocadostore aufgebaut habe. Drittens habe ich den Wagniskapitalgeber Eventures in San Francisco besucht, und dort mithilfe eines kleinen US-Startups Übernachtungsgelegenheiten gefunden. Das hat mich zur Gründung von 9flats motiviert. Das kleine US-Startup war übrigens Airbnb. Und alles ist im selben Jahr passiert.

Wie hättest du reagiert, wenn dir 2010 jemand gesagt hätte, was du heute tust?

Ich wäre überrascht gewesen, dass ich mich wieder mehr mit technischen Startups befasse. Von Künstlicher Intelligenz hatte ich damals noch nie gehört. Und dass es so etwas wie Deep Tech in den Bereichen Gesundheit, Ingenieurwesen oder im Energiesektor gibt, hätte ich auch nicht gedacht. Vor allem wäre ich überrascht gewesen, dass ich wieder so viel Zeit in Kanada verbringen würde, wo ich vorher studiert hatte.

Mit welchen Trends der letzten zehn Jahre hättest du niemals gerechnet?

Mit allem rund um Künstliche Intelligenz: Autonomes Fahren, medizinische Diagnosen, Fake Videos. Womit ich außerdem nicht gerechnet hätte: dass ich heute ganz selbstverständlich ein Elektroauto fahre.

Und welche hast du überbewertet?

Die Sharing Economy. Damals dachte ich wirklich, dass es um die effizientere Nutzung von Ressourcen wie zum Beispiel leer stehendem Wohnraum oder ungenutzten Autos geht. Heute stehen dank Uber eher mehr Autos im Stau, und Airbnb ist ein massiver Treiber der Gentrifizierung. Es gibt natürlich auch positive Trends wie Moia (VW-Tochter und Sammeltaxi-Fahrdienst aus Hamburg und Hannover, Anm. d. Red.) oder E-Scooter, aber ich hätte 2010 noch mehr erwartet.

Technologie, Politik, Gesellschaft: Wie stellst du dir das nächste Jahrzehnt vor? Welche Wünsche hast du?

Ganz allgemein würde ich mir wünschen, dass sich mehr Menschen auf Fakten stützen. Konkreter Fall Klimakrise: Ja, wir müssen unser Verhalten massiv ändern. Dafür brauchen wir eine CO2-Steuer. Wir sind schon ziemlich gut beim Energiesparen in Neubauten. Elektroautos sind viel besser als es Leute wie Hans-Werner Sinn behaupten. Selbst die Grünen geben zu, dass wir in Deutschland allein mit Solar, Wind und Biomasse nicht genug Energie haben. Atomenergie ist kein Teufelszeug, sondern muss weiterentwickelt werden. Das wird sowieso nicht bei uns passieren, aber wir dürfen das nicht blockieren. Wir brauchen eine Can-do-Attitude, dürfen weder moralisieren noch Massenpanik verbreiten.

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Was hast du dir für die nächsten zehn Jahre vorgenommen?

Ich will mich auf der einen Seite unternehmerisch und als Investor auf größere Themen konzentrieren, auf erwachsenere Unternehmen. Wie das genau aussieht, weiß ich noch nicht. Mit mindestens der gleichen Energie werde ich mich im Bereich fossilfreie Energie weiterbilden und auch aktiv werden. Idealerweise kombiniere ich beides.

Bilder: Stephan Uhrenbacher