Verena Pausder

Mit entschlossener, fast ernster Miene und großen blauen Augen schaut Verena Pausder in die Kamera. Zusammen mit Frank Thelen ziert die Gründerin das aktuelle Cover eines Startup-Magazins der Region Ostwestfalen-Lippe. Titel: „Gestalter der Zukunft“. Pausder und Thelen sind zwei Unternehmer, die in Deutschland besonders präsent sind – im Fernsehen, in der Presse und auf Konferenzen. Mit ihren Auftritten beeinflussen sie auch, wie die Startup-Szene von außen gesehen wird.

Jetzt hat Pausder, die gemeinhin als Vorbild-Unternehmerin gilt, in einem Interview mit der Welt einen Lagebericht zu Startup-Deutschland abgegeben. Die Einschätzungen, die sie äußert, passen durchaus zum ernsten Blick auf dem Magazincover – aus ihrer Sicht steht die hiesige Szene nämlich nicht in jeder Hinsicht gut da. Pausders Standpunkte im Überblick:

  • Pausder sieht einen starken Einfluss chinesischer, japanischer und US-amerikanischer Investoren in der deutschen Startup-Landschaft. Das sei problematisch, weil sie die Unternehmen dazu drängten, in die USA oder nach Asien zu gehen, wo die Märkte größer und etwa wegen einer geringeren Sprachvielfalt einfacher abzudecken seien. „Europa spielt dann keine Rolle mehr“, so die Befürchtung der Gründerin.
  • Obwohl die Kapitalausstattung schon größer geworden sei (und die Finanzierungsrunden im Übrigen auch), müssten heimische Fonds weiter wachsen, findet Pausder. Sie plädiert für mehr „europäisches Geld“. Ob dieses zu einem früheren Zeitpunkt geholfen hätte, europäische Facebook- oder Amazon-Alternativen zu schaffen? Pausder kritisiert jedenfalls die heutige Dominanz der Silicon-Valley-Anbieter: „Wir sind im Grunde unmündige Konsumenten dieser Plattformen“, sagt sie.
  • Die Gründerin wünscht sich ein niedrigeres Maß an Regulierung, etwa in der Künstlichen Intelligenz und beim autonomen Fahren: „Warum sollte es nicht möglich sein, deregulierte Zonen zu schaffen, wo Unternehmen erst mal machen können, ohne dass man sie beschränkt?“ Eine steile Forderung, gerade beim autonomen Fahren, das immer wieder im Zusammenhang mit Unfällen in die Schlagzeilen gerät.
  • Zu frühe Exits sind nach Ansicht der Unternehmerin zu hinterfragen. Während im Silicon Valley Unternehmen erst sehr spät verkauft würden oder an die Börse gingen, „wenn sie eine Größe erreicht haben, mit der sich ganze Märkte verändern können“, entschieden sich Gründer in Europa oft zu früh für einen Verkauf. Pausder selbst verkaufte ihren Kinder-App-Entwickler Fox & Sheep 2015, drei Jahre nach der Gründung, an den Spielzeughersteller Haba.
  • Der Fokus auf die großen Startup-Hubs wie Berlin oder Hamburg zeichne ein trügerisches Bild von der tatsächlichen Lage, sagt Pausder. Außerhalb dieser „Blasen“ sehe es oft anders aus. Ihr Urteil: „Die Gründungstätigkeit in Deutschland ist auf einem Tiefpunkt angekommen.“
  • Aus Pausders Sicht trauen sich Frauen zu wenig zu und denken zu klein: „Während Männer gleich Weltmarktführer werden wollen, finden Frauen das eher angeberisch. Im Ergebnis führt das dazu, dass die großen Gründungen nicht von Frauen sind.“ Sie fordert, dass die Regierungen mehr Anreize für Mädchen und Frauen schafft, Informatik zu studieren, und in Schule und Uni mehr Gründergeist weckt. Mit ihrer Non-Profit-Organisation versucht sie das schon: Startup Teens will Schüler bei ihrer ersten Gründung unterstützen und sie mitfinanzieren.
  • Dieser Punkt darf in keiner Kritik der deutschen Startup-Szene fehlen: Auch eine fehlende Risikokultur bemängelt Pausder. Die gute Wirtschaftslage habe den Gründergeist gebremst. Die Zahl der Existenzgründungen ist in Deutschland zuletzt stark zurückgegangen. Das wird nicht ohne Folgen bleiben, lautet ihre Warnung: „Wenn es erst einmal zur Rezession kommt, fehlt die richtige Einstellung zum Gründen.“ Jeder werde sich dann an seinen Job klammern – bis der nicht mehr da ist.

In einem Interview mit Gründerszene forderte Pausder kürzlich, dass sich mehr Gründer für einen guten Zweck engagieren – und nicht nur über den nächsten Exit nachdenken sollten:

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Bild: Kim Keibel