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Glaubt, ein Betriebsrat kann auch ein Wettbewerbsvorteil sein: Benjamin Eisenführ

Drei Mitarbeiter. Mehr braucht es nicht, um einen Betriebsrat zu initiieren. Bei Zalando ist Benjamin Eisenführ einer derer, die gerade für eine stärkere Mitarbeitervertretung kämpfen. Mit Unterbrechung arbeitet er seit neun Jahren in unterschiedlichen Funktionen bei dem deutschen Shopping-Vorzeigeunternehmen. Und auch wenn der Modehändler manchmal in der Kritik steht, zuletzt wegen seines Mitarbeiterbewertungstools, fühlt er sich dort wohl, sagt er.

Dennoch hat Eisenführ vor einiger Zeit den Entschluss gefasst, einen Betriebsrat bei der Konzernmutter ins Leben zu rufen. Die ersten Schritte dazu sind bereits gegangen. In wenigen Tagen soll die Wahlerklärung veröffentlicht werden. Danach wird es nicht mehr lange dauern, bis der Betriebsrat steht. Bislang sei es ein sehr intensiver und nervenaufreibender Ritt gewesen, sagt Eisenführ. Im Interview spricht er offen darüber, ob es Anfeindungen gab, was es bei der Betriebsrats-Initiierung alles zu beachten gilt und warum Gründer nicht wie die von N26 versuchen sollten, sich mit alternativen Vertretungen aus der Affäre zu ziehen.

Benjamin, was war der Auslöser dafür, einen Betriebsrat bei Zalando zu initiieren?

Für mich war der Auslöser eine große interne Veränderung beim Tochterunternehmen Z-Labels, das die Eigenmarken von Zalando zusammenfasst. Ein guter Freund von mir hatte die Wahl, entweder einen vorgefertigten Vertrag zu unterschreiben oder zu gehen. Das hat mir bewusst gemacht, wie wichtig eine starke Arbeitnehmervertretung ist. Es geht dabei um Vertrauen. Und das in beide Richtungen, denn Mitarbeiter müssen bereit sein, Veränderungen mitzumachen. Genauso wie Arbeitgeber ihre Mitarbeiter bei Veränderungen frühzeitig einbinden müssen.

Was sind die wichtigsten Ziele, die du mit der Betriebsratsgründung erreichen willst?

Im Grunde genommen geht es uns gut bei Zalando. Es gibt nicht den ganz großen Brocken, bei dem wir gegen die Firma „kämpfen“ müssten. Ein markantes Thema ist sicherlich unser Mitarbeiterbewertungstool Zonar, das zuletzt für Schlagzeilen gesorgt hat. Hier mag die Idee gut gewesen sein, aber es kommt eben auch vor, dass eine Firma mal über die Grenzen hinaus geht.

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Ihr wollt euch also gegen das Tool wehren.

Da lässt sich bestimmt eine bessere Lösung finden, wenn man auf Augenhöhe miteinander spricht. Gerade wenn eine Firma so groß ist und so viele Hierarchielevel hat, dann kann die Unternehmensführung nicht mehr alles überblicken. Und da ist es auch aus Arbeitgebersicht wichtig, über einen Betriebsrat die Fühler überall ausgestreckt zu haben. Das hilft, eine Kultur der Gemeinsamkeit aufrecht zu erhalten.

Warum war eine Mitarbeitervertretung nach europäischem Standard (nach SEBG), den es ja schon seit einer Weile gibt und in der du auch sitzt, dafür nicht ausreichend?

Dieses Gremium wird oft irreführend als SE-Betriebsrat bezeichnet, hat aber sehr wenig mit der deutschen Institution nach Betriebsverfassungsgesetz zu tun. Es lässt sich sehr individuell gestalten und bei Zalando hat es kaum Befugnisse und damit wenig Gewicht innerhalb der Organisation. Nur länderübergreifende Themen werden hier besprochen, das hilft aber den deutschen Standorten nicht.

Zudem gibt es eine alternative Mitarbeitervertretung – was ja offenbar auch nicht ausreicht.

Warum greift man auf eine solche Alternative zurück? Ganz objektiv betrachtet: Entweder weil man glaubt, ein besseres Konstrukt finden zu können – oder ein „kleineres Übel“. Bei Zalando geht es im alternativen Gremium eher um den Zugang zu Informationen, eine rechtliche Grundlage für Einsprüche gibt es aber nicht.

Hast du seit der Ankündigung Anfeindungen erlebt?

Anfeindungen ist ein starkes Wort. Ich habe aus der Belegschaft ein sehr breites Spektrum an Feedback bekommen. Von „du bist ein Held, dass du den Mut hast“ bis hin zu „du machst nur unseren Arbeitsplatz kaputt“. Natürlich gibt es da auch Ängste, die man akzeptieren und verstehen muss.

Hattest du jemals das Gefühl, Deinen Job zu gefährden?

Nein, das nicht. Der Prozess war schon tough. Und manchmal geht man einen Schritt zu weit, dann muss man sich entschuldigen. Das ist auch passiert, auf beiden Seiten. Als Initiatoren mussten wir 5.000 Leute zusammenbringen. Da sind wir auch Wege gegangen, die nicht der internen Policy entsprechen, alles mehrfach abzustimmen. Da braucht man ein dickes Fell.

Stemmt ihr den Prozess allein aus der Belegschaft oder sind auch Gewerkschaften beteiligt?

Ich hatte mir zu Beginn gleich überlegt, das ohne Gewerkschaften zu machen. Das hätte die Akzeptanz sicherlich nicht verbessert. Als es konkret wurde, habe ich mir eine Anwaltskanzlei gesucht, die sehr aktiv im Bereich Arbeitsrecht ist. Als der Zettel an der Wand hing, haben wir Verdi aber trotzdem informiert. Die Gewerkschaft hat uns dann Unterstützung angeboten, sich aber nicht aufgedrängt.

Apropos Zettel an der Wand, was ist der gegenwärtige Stand im Prozess?

In den nächsten Tagen werden wir die Wahlerklärung veröffentlichen. Dann können 14 Tage lang Vorschläge für die Wahllisten eingereicht werden.

Was waren die größten Hürden bislang?

Corona, und damit verbunden die Aufklärungsarbeit bei internationalen und jungen deutschen Mitarbeitern, die das komplexe Konzept eines Betriebsrats nicht kennen. Roadshows zum Beispiel konnten wir gar nicht machen, jeden einzeln per Email anzuschreiben ist aber sehr mühsam.

Was sind die größten Missverständnisse oder Fragen, die dir bislang begegnet sind?

Zum Beispiel wie es sein kann, dass es nur drei Leute braucht um einen Betriebsrat zu initiieren. Immerhin geht es ja um ein demokratisches Verfahren. Das ist tatsächlich etwas kontrovers, denn das Gesetz geht einfach nicht davon aus, dass eine Belegschaft vielleicht gar keinen Betriebsrat möchte. Sehr viele haben auch gedacht, dass es gleich bei der ersten Versammlung darum geht, den Betriebsrat zu wählen. Tatsächlich muss aber erst einmal der Wahlvorstand gewählt werden. Bei uns ist es jetzt ein Jahr später und die Betriebsratswahl hat immer noch nicht stattgefunden. Und natürlich generell, wie sich das Arbeitsumfeld durch einen Betriebsrat verändert.

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Was kann ein Betriebsrat verändern – und was nicht?

Da muss sich jeder Betriebsrat selber finden. Jemand hat einmal gesagt: „Jedes Unternehmen bekommt den Betriebsrat, den es verdient.“ Wenn der Beriebsrat diskutiert, ob Club Mate oder Bionade in den Kühlschrank kommt, wurden alle anderen Probleme schon einvernehmlich geklärt. Ein schlechter Betriebsrat zieht wegen jeder Kleinigkeit vor das Arbeitsgericht und kämpft regelrecht gegen die Unternehmensführung. Wir hoffen, bei Zalando zum Beispiel bei der Weiterentwicklung der Mitarbeiter etwas bewirken zu können.

Was heißt das konkret?

In jungen Unternehmen kommen und gehen viele Mitarbeiter, da mag man Weiterentwicklung vernachlässigen können. Aber bei Zalando arbeiten mittlerweile Leute, die langfristig planen. Oder ganz verrückt, sogar bis zur Rente dort bleiben möchten. Entsprechend muss das Unternehmen sich um sie kümmern. Führungskräfte müssen gut ausgebildet werden. Es gibt etwa die Möglichkeit zu sagen, dass alle Neueinstellungen vom Betriebsrat erst genehmigt werden müssen. Das klingt verrückt, aber es zwingt das Unternehmen, erst einmal zu schauen, ob sich Stellen intern besetzen lassen.

Da werden viele argumentieren, das sei genau der Grund, warum ein Betriebsrat ein Unternehmen langsam macht.

Natürlich darf man das nicht ins Extrem treiben. Aber man kann ja überein kommen, dass jede Stelle, die rechtzeitig intern ausgeschrieben war, nach einer Weile auch extern besetzt werden darf. Über Betriebsvereinbarungen lässt sich das so regeln, dass es für beiden Seiten passt.

Es beginnt alles mit mindestens drei Leuten. Wie hast du deine Mitstreiter gefunden?

Ich habe zwar frühzeitig mit einigen Kollegen und Kolleginnen persönliche Gespräche geführt, mich aber nach Rücksprache mit den Anwälten zudem für einen offenen Brief im Intranet entschieden. Ich fand Transparenz immer schon enorm wichtig und wollte ebenso transparent mit der Initiierung umgehen. Da das Thema Betriebsrat noch immer sehr zwiegespalten gesehen wird, war dieser öffentliche Schritt etwas heikler.

Wieso heikel?

Heikel ist das deshalb, weil der besondere Kündigungschutz im Prozess erst dann gilt, wenn die Absichtserklärung an der Wand hängt. Am Tag meines Posts hatten sich direkt genug Mitstreiter gefunden und alles war offiziell. Und am gleichen Tag hatte ich dann auch noch ein Gespräch mit einem der Zalando-Gründer. Der zeigte sich offen und wollte wissen, was mir an der bisherigen Mitarbeitervertretung nicht gepasst hat und ob ich mir sicher bin, dass ein Betriebsrat die richtige Lösung ist.

Wann ist ein guter Zeitpunkt für eine Betriebsratsgründung?

Das hängt sehr stark von den Leuten ab. Wenn sich niemand berufen fühlt, dann ist der Zeitpunkt jedenfalls nicht richtig. Bei allzu jungen Unternehmen ergibt es auch wenig Sinn, weil dann die meisten Angestellten befristete Arbeitsverträge haben, die dann im Zweifelsfall einfach auslaufen würden.

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N26 hat sich verzockt

War der Zeitpunkt bei N26 der richtige?

Jeder Arbeitgeber sollte sich fragen, ob er das Thema nicht selbst auf die Agenda bringt. Oder sich offen zeigt. Zumindest sollte man einen Plan dafür in der Schublade haben, um schnell reagieren können. Wenn es soweit kommt, dass sich frustrierte Mitarbeiter zusammenrotten, um in den Krieg zu ziehen, ist es zu spät. Man kann es doch auch als Standortvorteil sehen: Wir bekommen gute Mitarbeiter, weil wir ihnen starke Rechte zugestehen. Und alternative Formen werden irgendwann sowieso an die Wand fahren, man erkauft sich höchstens etwas Zeit damit.

Bild: Benjamin Eisenführ
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