Führt eine Gesetzesnovelle dazu, dass Airbnb Nutzer einbüßen wird?

Zweckentfremdungsverbotsgesetz. Allein das Wort macht Angst. Die Regelung des Landes Berlin soll verhindern, dass potenzieller Wohnraum in der Hauptstadt dauerhaft in Ferienwohnungen umgewandelt wird. Nebenbei will der Senat es den Berlinern erleichtern, ihre Unterkünfte über Portale wie Airbnb oder Wimdu anzubieten – Homesharing ist somit offiziell anerkannt. Das Gesetz ist im Mai 2014 in Kraft getreten, wurde aber noch einmal verschärft: Ab dem 1. August müssen viele Gastgeber eine Registrierungsnummer in Inseraten vorweisen. 

Betroffen ist, wer mehr als 50 Prozent der Fläche seines Hauptwohnsitzes zur Verfügung stellt oder seine Zweitwohnung mehr als 90 Tage im Jahr an Touristen vermietet. Nutzer, die nur ein Einzelzimmer anbieten, benötigen diese Nummer zwar auch, sie müssen aber dennoch keine Genehmigung einholen. Vermietet jemand seine Wohnung ohne Genehmigung unter, drohen Strafen von bis zu einer halben Million Euro. Um dem vorzubeugen, verschicken Wimdu und Airbnb seit einem Monat regelmäßig Mails und Briefe an Berliner Homesharer, um sie auf das Verfahren aufmerksam zu machen.

Die Aufklärungsarbeit scheint jedoch nicht besonders wirksam: Eine Airbnb-Gastgeberin zeigt sich gegenüber Gründerszene ratlos, weiß trotz der Post nicht, wie sie mit der Zweckentfremdung umzugehen hat. Verzweiflung ist auch in diversen Foren zu erkennen. Kurz vor der Frist tauchen vermehrt dieselben Fragen auf: Darf ich mein Apartment zeitweise an Touristen abgeben?

Um die nötige Registrierungsnummer zu bekommen, müssen Airbnb-Anbieter einen Antrag beim zuständigen Bezirksamt stellen – inklusive der üblichen Zustimmung des Vermieters. Genehmigt das Amt die Zweckentfremdung, müssen die Homesharer 225 Euro Bearbeitungsgebühr zahlen. Nicht zu vergessen: die Übernachtungssteuer von fünf Prozent und die Erfassung in der Steuererklärung.

Der Homesharer Sebastian Olényi erklärt in einem Facebook-Video, welche Unterlagen er auf Rückfrage noch nachträglich einreichen musste: die Kündigung seiner vorherigen Wohnung und Flugtickets zum Wohnort seiner Tochter. Damit könne er nachweisen, dass er tatsächlich in dem angebotenen Apartment lebt und ein berechtigtes Interesse an einer Untervermietung hat. Die Registrierungsnummer sei für drei Jahre gültig, einmal im Jahr müsse er jedoch seine Unterlagen aktualisieren.

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Viel Aufwand für eine Monatsmiete weniger im Jahr. Mehrere bisherige Airbnb-Gastgeber haben daher beschlossen, ihre Wohnung dauerhaft bei Airbnb zu entfernen, erklären sie gegenüber Gründerszene. Diese Problematik hat auch Alexander Schwarz, Airbnb-CEO für den deutschsprachigen Raum, erkannt: „Wir wollen, dass sich Gastgeber an die Regeln halten können und nicht von einem bürokratischen System abgeschreckt werden.“ Das Unternehmen hat dem Senat schon im Frühjahr angeboten, eine digitale Schnittstelle zu entwickeln, die die Genehmigung für beide Seiten vereinfachen würde. Bisher hat die Stadtverwaltung einer Kooperation nicht zugestimmt.

Nur fünf Prozent mit nötiger Genehmigung

Airbnb selbst gibt keine Auskunft darüber, wie viele Berliner Nutzer ihre Wohnung oder einzelne Zimmer auf der Plattform anbieten. Nur so viel: 130.000 Unterkünfte waren deutschlandweit Ende 2017 auf Airbnb registriert. Laut der Datensammlung Inside Airbnb sind in Berlin derzeit mehr als 26.000 Wohnungen, Zimmer und Hausboote auf dem Vermietungsportal gelistet. Jedes fünfte Inserat stammt demnach aus der Bundeshauptstadt.

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Führt eine Gesetzesnovelle dazu, dass Airbnb Nutzer einbüßen wird?

Airbnb und Wimdu möchten keine Prognose darüber abgeben, ob aufgrund des Gesetzes künftig weniger Nutzer ihre Wohnung inserieren. Die Unternehmen verdienen eine Provision pro abgeschlossener Buchung. Airbnb hat damit 2017 auf Konzernebene rund 81 Millionen Euro eingenommen (Ebitda). Die deutsche Tochter verzeichnete 2016, aus diesem Jahr stammen die aktuellsten Zahlen im Bundesanzeiger, einen Gewinn von rund 250.000 Euro. Seit Herbst hat die Plattform jedoch eine neue Einnahmequelle: Über Airbnb Experiences vermittelt das Unternehmen Events und Touren und will damit zum umfassenden Reiseanbieter werden. Der Klon Wimdu aus dem Hause Rocket Internet schrieb laut Bundesanzeiger 2016 noch Verluste in Höhe von drei Millionen Euro. Verringert sich die Zahl der Unterkünfte, könnten auch die Buchungen und damit die Umsätze sinken. 

Die meisten Wohnungen werden laut Inside Airbnb in den Berliner Bezirken Mitte, Pankow, Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln angeboten. Mehr als 20.000 Unterkünfte gibt es dort, etwa die Hälfte der Inserate werden als ganze Wohnung vermietet – müssen also eine gültige Registrierungsnummer und Genehmigung vom Amt vorweisen. Die zuständigen Bezirksämter haben bislang aber nur knapp 500 Anträge erhalten. „Wir konnten in den letzten Wochen eine rapide Zunahme der Anträge beobachten“, so eine Sprecherin des Bezirksamts Neukölln auf Nachfrage von Gründerszene. Dennoch bleiben Tausende Unterkünfte ohne Nummer.

Nachbarn sollen anschwärzen

In anderen deutschen Städten ist der bürokratische Aufwand geringer. In München darf eine ganze Wohnung höchstens acht Wochen im Jahr vermietet werden. In Köln und Hamburg für ein halbes Jahr. Frankfurter Nutzer müssen seit Ende März in jedem Fall eine Genehmigung bei der Bauaufsicht beantragen und dürfen ihre komplette Wohnung nur für sechs Wochen inserieren. Für einzelne Zimmer gibt es nirgendwo eine Begrenzung.

Airbnb wird mutmaßlich nicht gegen Nutzer vorgehen, die ihre Unterkunft ohne Erlaubnis inserieren, will sich auf Nachfrage aber nicht festlegen. Wimdu ist sich noch nicht sicher, ob und wann das Startup Angebote deaktivieren will. Für die Strafverfolgung sind letztendlich die Bezirksämter zuständig. In der kompletten Hauptstadt werden daher 60 Mitarbeiter eingesetzt, die Online-Inserate kontrollieren und Hinweise beispielsweise von Nachbarn nachgehen, so die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen. Wie hoch die Bußgelder ausfallen, entscheidet das jeweilige Amt.

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Kundendaten darf die deutsche Niederlassung der Plattform allerdings nicht ausgeben. Eine Klage des Bezirks Pankow wurde im März abgewehrt. Nutzer schließen ihre Verträge mit der Muttergesellschaft in Irland, die keine Auskunft nach deutschem Recht geben muss. Zwar berichten vereinzelt Nutzer im Airbnb-Forum, dass sie in den vergangenen Monaten von Bezirksämtern aufgefordert wurden, Auskunft über ihre Vermietungstätigkeiten zu geben. Die Frage ist dennoch, wie effektiv und flächendeckend die Überwachung durch den Senat sein wird und wie viele User weiterhin ihre Unterkünfte illegal inserieren werden. 

Bild: SOPA Images / Getty Images (Titel), Sean Gallup / Getty Images (Umfrage)