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Abfindungsbeschränkungen in Gesellschaftsverträgen sind üblich.

In Gesellschafts- und Beteiligungsverträgen werden Abfindungszahlungen an Gesellschafter sehr oft eingeschränkt. In der Praxis werden die rechtlich zulässigen Grenzen der Abfindungskürzung nicht immer eingehalten.

Scheidet ein Gesellschafter aus einer Gesellschaft aus, erhält er einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung. Dies gilt unabhängig davon, ob der Gesellschafter seine Beteiligung kündigt oder durch Beschluss oder Klage aus der Gesellschaft ausgeschlossen wird. Das Gesetz fordert grundsätzlich, dass die GmbH dem scheidenden Gesellschafter seine Beteiligung in Höhe des Verkehrswerts vergütet. Dies gilt indes nicht nur für die GmbH, sondern auch für die UG.

Abfindungsbeschränkungen in der VC-Praxis üblich

Ein ausgeschiedener Gesellschafter kann die gesetzlich geforderte Abfindung in Höhe des vollen Verkehrswerts nur sofort verlangen, wenn sein Abfindungsanspruch auf vertraglicher Basis nicht eingeschränkt wurde. Gesellschafter und Investoren regeln üblicherweise in Gesellschafts- und Beteiligungsverträgen die Abfindungshöhe, Bewertungsvorgaben und Zahlungsmodalitäten. Alle Abfindungsaspekte unterliegen grundsätzlich der Vertragsfreiheit der Beteiligten.

In der VC-Beteiligungspraxis werden die Abfindungsansprüche gegen die Gesellschaft – teils erheblich – eingeschränkt. Überdies wird die Abfindungsvergütung über Jahre gestreckt, obgleich die Abfindung im Zeitpunkt der Anspruchsentstehung vom ausscheidenden Gesellschafter komplett versteuert werden muss. Als Grund für die Abfindungsbeschränkung wird meist genannt, dass die Liquidität nicht einzelnen Gesellschaftern zufließen, sosondern für das operative Geschäft eingesetzt werden soll. Das Interesse der Gesellschaft, der verbleibenden Gesellschafter und Investoren an einer niedrigen finanziellen Belastung dominiert das Interesse des scheidenden Gesellschafters an einer hohen und sofortigen Abgeltung seiner Beteiligung.

Leaver-Mechanismen: Himmel oder Hölle

Zum Marktstandard wurden Leaver-Vertragsklauseln in Deutschland zunächst bei Private-Equity-Transaktionen. Später gelangten sie auch in die Gesellschafts- und Beteiligungsverträge der VC-Investoren. Die Vertragsregelungen machen die Abfindungshöhe von mehreren äußeren Verhältnissen und Ereignissen abhängig, wie der Beteiligungszeit und dem Verhalten der einzelnen ausscheidenden Gesellschafter. Die Leaver-Vertragsmechanismen entscheiden darüber, ob ein ausscheidender Gesellschafter eine hohe Abfindung (Good Leaver) oder eine niedrige Abfindung (Bad Leaver) erhält.

Als Bad oder als Good Leaver gehen?

Üblicherweise verlässt ein Gesellschafter das Unternehmen mit einer hohen Abfindung als Good Leaver, wenn er nicht verschuldensbedingt ausscheidet. Typische Good-Leaver-Fälle sind ein krankheitsbedingtes Ausscheiden oder der Tod des Gesellschafters (Erben erhalten die hohe Abfindung). Wird ein Gesellschafter aus der GmbH ausgeschlossen, zum Beispiel weil er Mitarbeiter sexuell genötigt oder Geschäftsgeheimnisse an Wettbewerber weitergereicht hat, würde er als Bad Leaver nur eine niedrige Abfindungsvergütung erhalten. Die Bad-Leaver-Abfindungen sehen zum Teil sehr hohe Abschläge vom Verkehrswert der Beteiligung vor. Oft begrenzt eine Bad-Leaver-Klausel die Abfindung sogar nur auf den sogenannten Buchwert oder den Nennwert der Beteiligung.

Dabei stellt sich die Leaver-Frage nicht nur bei der Eigenkündigung eines Gesellschafters, seines Ausschlusses oder seiner Anteilseinziehung. Beteiligungsverträge enthalten auch oft spezifische Kaufoptionen mit Leaver-Regelungen. Über diese sogenannten Call Options wird dem betroffenen Gesellschafter seine Beteiligung zwangsweise entzogen. Dadurch verlässt er die Gesellschaft als Good Leaver oder eben als Bad Leaver. Zur Zahlung verpflichtet ist der Optionsberechtigte, der die Erwerbsoption auslöst.

Gesellschafterschutz durch Hinauskündigungsverbot

Auf den ersten Blick ist ersichtlich, dass die vertraglichen Abfindungsbeschränkungen und Bad-Leaver-Klauseln die Vermögensinteressen der betroffenen Gesellschafter schwer beeinträchtigen können. In der Unternehmenspraxis kommt es sehr oft zum Streit zwischen Gesellschaft, Investoren und ausgeschlossenen Gesellschaftern über die Frage der Wirksamkeit des Gesellschafterausschlusses und der Höhe der Abfindung. Hintergrund sind auch die von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung geltenden Vorgaben und Grenzen zu Hinauskündigungen und der Höhe der Abfindung. Die Rechtsprechung schützt den Gesellschafter vor überzogenen Regelungen im Unternehmensverband.

Und hier wird es rechtlich etwas kompliziert: Die gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verbietet eine freie Hinauskündigung eines Mitgesellschafters. Auch wenn sich ein Gesellschafter im Beteiligungsvertrag vertraglich bindet, die Gesellschaft zu verlassen, wenn ein anderer Gesellschafter oder eine Mehrheit von Gesellschaftern dies beschließt, ist diese Regelung unwirksam.

Die Rechtsprechung fordert für einen Gesellschafterausschluss (einschließlich der Einziehung oder Zwangsabtretung) immer einen sachlichen Grund. Eine sachgrundlose Hinauskündigung verstößt gegen geltendes Recht und ist daher nichtig. Entsprechenden Vertragsklauseln und Beschlüssen muss keine Folge geleistet werden. Der betroffene Gesellschafter verliert seine Beteiligung nicht. Er bleibt Gesellschafter.

Zur Verdeutlichung: Einsatz von Kopplungsklauseln

In der Vertragspraxis findet man die Verknüpfung der Gesellschafterstellung mit dem Geschäftsführerposten. Verursacht der beteiligte Geschäftsführer seine Abberufung als Geschäftsführer, zum Beispiel durch kriminelle Handlungen, führt ein vertraglicher Kopplungsmechanismus dazu, dass auch der Verlust der Gesellschafterstellung möglich wird. Ein klarer Fall des sachlichen Grundes liegt vor.

Dagegen darf eine einfache, das heißt grundlose Geschäftsführerabberufung, nicht den Ausschluss eines Mitgesellschafters herbeiführen. Ein Minderheitsgesellschafter kann zwar stets durch einen einfachen Mehrheitsbeschluss als Geschäftsführer abberufen werden. Eine Kopplungsklausel, welche den Verlust der Gesellschafterstellung durch einen einfachen Gesellschafterbeschluss herbeizuführen vermag, ist so nicht zulässig.

Gerichte verbieten unangemessene Abfindungskürzungen

Die Rechtsprechung schützt den GmbH-Gesellschafter nicht nur vor einer vorbehaltlosen Hinauskündigung. Sie geht noch einen Schritt weiter und verbietet auch überzogene Abfindungsbeschränkungen.

a) Abfindungen orientieren sich am Verkehrswert

Wenn also ein Einziehungsbeschluss wirksam ist, stellt sich anschließend die Frage, ob die vertraglich angeordneten Abfindungsbeschränkungen gegen die Vorgaben des Bundesgerichtshofs verstoßen. Weicht die vereinbarte Abfindung zu weit vom Verkehrswert ab, können die Gerichte die Abfindungsklausel kippen, was zu einer Erhöhung der Abfindungszahlung führt. Die Rechtsprechung spricht davon, dass Abfindungen der Gesellschafter nicht so stark eingeschränkt werden dürfen, dass ein grobes Missverhältnis zwischen der vertraglich vorgesehenen Abfindungshöhe auf der einen Seite und dem vom Gesetz vorgesehenen Verkehrswert der Beteiligung auf der anderen Seite entsteht.

Der Bundesgerichtshof hat bislang keine konkreten Zahlen genannt, ab wann ein grobes Missverhältnis gegeben ist. Bei der Prüfung spielen auch Umstände wie die Dauer der Mitgliedschaft und der Beitrag des Gesellschafters eine Rolle. In der Rechtsanwaltspraxis wird jedenfalls ein Risiko der Unwirksamkeit zwingend geprüft, wenn der tatsächliche Verkehrswert um mehr als 50 Prozent eingeschränkt wird. Eine Rolle spielen neben der Abfindungshöhe auch die Zahlungsbedingungen und die Sicherung der Abfindungszahlung.

Wird die Abfindung ungesichert und ratierlich zum Beispiel über zehn Jahre gezahlt, widerspricht dies dem Grundgedanken des Gesetzes, welches von einer sofortigen Fälligkeit der Abfindungszahlung in voller Höhe ausgeht. Mit anderen Worten: Benachteiligen Zahlungsbedingungen den ausscheidenden Gesellschafter über Gebühr, können auch diese – gegebenenfalls in Zusammenspiel mit einer Beschränkung der Abfindung der Höhe nach – zu einer Unwirksamkeit der entsprechenden Klausel führen.

Die Argumentation, warum Hinauskündigungs- und Bad-Leaver-Klauseln von der Rechtsprechung so kritisch gesehen werden, ist, dass ein betroffener Gesellschafter, der zu jeder Zeit den Verlust seiner Beteiligung und zudem eine geringere, das heißt unter Verkehrswert liegende Vergütung fürchten muss, nicht mehr frei seine Gesellschafterrechte ausüben wird. Er muss immer fürchten, dass er durch die für ihn ungünstigen Vertragsregelungen schwer beeinträchtigt wird. In anderen Worten: Die Rechtsprechung will keinen korrumpierbaren und ängstlichen Gesellschafter, über dem das Damoklesschwert schwebt.

b) Ausnahme Managermodell

Die Rechtsprechung lässt nur in ganz engen Bereichen weitreichende Abfindungsbeschränkungen zu. So zum Beispiel beim sogenannten Managermodell. Wenn einem Manager für die Dauer seiner Beschäftigung in der GmbH eine Minderheitsbeteiligung eingeräumt wird und vereinbart wird, dass der Gewinn aus der Beteiligung gewöhnlich in voller Höhe an den Manager ausgeschüttet wird, lässt sich eine Abfindung beim Austritt des Managers in manchen Fällen sogar bis auf Null reduzieren.

Nach seinem Ausscheiden als Manager gibt dieser seine gesellschaftsrechtliche Beteiligung zurück, welche dann wieder an seinen Nachfolger ausgegeben wird („Rotationsprinzip“). Der Manager ist in dieser Konstellation eher Arbeitnehmer als Gesellschafter und wird über die Gewinnbeteiligung variabel am Erfolg der GmbH vergütet – wie bei einer Tantiemeregelung.

Berechnung der Abfindung bei Startups

Wurde ein Gesellschafter eines Startups als Bad Leaver aus dem Gesellschafterkreis ausgeschlossen, stellt sich zunächst die Frage, wie die Abfindungs- und Unternehmensbewertung erfolgt. Bei etablierten mittelständischen Unternehmen wird der Unternehmenswert primär mittels des Ertragswertverfahrens oder eines ertragswertbezogenen Bewertungsverfahrens ermittelt.

Die klassischen Bewertungsmethoden für etablierte Unternehmen sind aber unzulänglich für die Bewertung von Startups. Startups lassen sich schwerer vergleichen als etablierte Unternehmen mit einer aussagekräftigen Ertragshistorie. Grundsätzlich lassen sich Startups zwar auf der Basis eines Discounted-Cash-Flow-Verfahrens bewerten. In der Praxis sind allerdings die Prognosen des benötigten zukünftigen Cash Flows für die Abfindungsbestimmung sehr schwer zu ermitteln und damit streitanfällig.

Die Höhe der Abfindung kann im Einzelfall auch aus einer abgeschlossenen Finanzierungsrunde des Startups schnell errechnet werden. Je näher die Finanzierung zeitlich zurück liegt, desto sicherer kann der Wert des Startups ermittelt werden. Ein erfolgreiches Funding stellt eine gute Bewertungsbasis für das gesamte Startup und damit auch für die Beteiligung des ausgeschlossenen Gesellschafters dar. Als Kalkulationshilfe ist ein einfacher Taschenrechner ausreichend.

Wie weit kann die Abfindung bei Startups reduziert werden?

Für Startups gibt es keine Sonderregelungen: Vereinbarte Abfindungen dürfen nicht so weit reduziert werden, dass ein grobes Missverhältnis zum Verkehrswert entsteht. Danach dürften Verkehrswertabschläge von weniger als 40 Prozent meist zulässig sein. Die im VC-Bereich eingesetzten Bad-Leaver-Klauseln, die nicht selten sogar zu Abschlägen von 90 Prozent und mehr führen, sind dagegen vor Gericht angreifbar.

Der Bundesgerichtshof hat erst kürzlich entschieden, dass die Abfindung eines Gesellschafters sich auch dann nicht auf Null kürzen lässt, wenn dieser Gesellschafter sogar grobe Pflichtverletzungen begeht. Da die Abfindung ein Grundmitgliedsrecht darstellt, stehen die Abfindungsinteressen von betroffenen Gesellschaftern bei Gerichten hoch im Kurs.

Besitzt eine Startup-Beteiligung zum Beispiel einen Wert von mehreren 100.000 Euro – dokumentiert etwa nach einer Finanzierungsrunde durch die Post-Money-Valuation – dürfte eine Bad-Leaver-Abfindung zum Nominalwert oder Buchwert, die keine 20.000 Euro erreicht, nach der Rechtsprechung nicht hinzunehmen und mithin angreifbar sein.

Von den Gerichten zugelassene Ausnahmen gemäß dem Managermodell werden jedenfalls für Gründer im VC-Bereich nicht greifen. Investoren werden sich bei Gründern, die die GmbH als Bad Leaver verlassen sollen, nicht auf die Managermodell-Ausnahme berufen können. Aber auch bei später aufgenommenen Gesellschaftern, dürfte die gerichtliche Ausnahme keine Anwendung finden. Der Bundesgerichtshof hielt eine weitreichende Abfindungsreduzierung beim Managermodell nur deshalb für wirksam, weil der Manager über die jährliche Gewinnausschüttung vergütet wurde. Eine laufende Gewinnausschüttung ist insofern für die Gerichte von großer Relevanz.

Indes spielt für die Startup-Beteiligten jedenfalls bei den ersten Finanzierungszyklen die Gewinnausschüttung so gut wie nie eine Rolle, da auf Gewinne erst in der Zukunft spekuliert wird. Die Managermodell-Ausnahmen, die eine weitreichende Abfindungsreduzierung rechtfertigen könnten, passen oftmals nicht in die Landschaft der VC-Beteiligungspraxis.

Fazit

Allen Beteiligten sollte klar sein, dass der Einsatz von Bad-Leaver-Regelungen, sich zu einem großen Minenfeld entwickeln kann. Dies gilt nicht nur für die Frage, ob die Abfindungsbeschränkung angreifbar ist. Eine überzogen niedrige Abfindung kann sogar Auswirkungen auf die Hinauskündigung selbst haben. Der Ausschluss eines schwer benachteiligten Bad Leavers kann sich also als unwirksam erweisen. Schaut man auf die in der Praxis verwendeten Bad-Leaver-Regelungen und die – nicht nur bei Einhörnern – involvierten wirtschaftlichen Werte, lohnen sich aus Sicht der Bad Leaver sehr oft Abwehrmaßnahmen gegen Hinauskündigungen und die angebotenen niedrigen Abfindungen.

Boris Jan Schiemzik und Ronny Jänig, LL.M. (Durham) sind Rechtsanwälte bei Rose & Partnern in Hamburg und Berlin. Beide sind spezialisiert auf VC und Gesellschafterstreitigkeiten.

Bild: Maskot / Getty Images

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