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Die 30-jährige Nana Addison sucht Investoren für ihre App. Bisher laden die sie lieber zu Talkrunden ein.

Manchmal gehe sie zum Testen in Berliner Friseursalons und frage, ob sie jemand dort frisieren kann, erzählt Nana Addison. Können die meisten nicht. Addison ist Schwarz*. Friseure, die sich auf Afrohaare wie ihre spezialisiert haben, gibt es hierzulande kaum.

Stattdessen läuft viel über Facebookgruppen und persönliche Empfehlungen. Das funktioniere aber nicht immer gut, etwa, wenn die Stylisten einfach nicht zum verabredeten Treffpunkt auftauchten und den gezahlten Vorschuss einbehielten, sagt Addison im Gespräch mit Gründerszene.

„Eine Kombi aus Treatwell und Instagram“

So kam sie auf die Idee für ihre Plattform Styleindi. Dort will sie unabhängige Friseure mit Kundinnen verbinden. Die App soll über ein visuelles Buchungsmenü funktionieren: Auf der Plattform präsentieren sich die Haarstylisten mit Fotos der Frisuren, die sie bereits gestyled haben. „Eine Kombination aus Treatwell und Instagram sozusagen“, sagt Addison. Auch die User erstellen ein eigenes Profil, mit Angaben zu Hautton und Haartextur. Mithilfe von Algorithmen sollen ihnen passende Styles vorgeschlagen werden. Auch eine E-Commerce-Integration für Beauty- und Haarproduktempfehlungen ist geplant.

Bevor Addison damit begann, an ihrer eigenen Unternehmensidee zu feilen, arbeitete die 30-jährige Gründerin schon in den vergangenen Jahren in einigen Startups in Berlin. Dort also, wo sich die Startup-Szene gerne besonders weltoffen und international gibt. Sie widerspricht diesem Selbstbild: „Schwarze Menschen sollen oftmals nur als Deko fürs Unternehmensimage herhalten.“

Gegenüber Gründerszene erzählt Addison etwa einem ehemaligen Arbeitgeber: Der habe zu ihr gesagt, dass er sich „eigentlich einen frischen Vibe“ von ihr erhofft hätte. „Weil ich aber einfach nur meinen Job in der Seniorrolle gemacht habe, für die ich eingestellt wurde, war er enttäuscht.“ Oft habe er sie gefragt, weshalb sie ihren „frischen“, „süßen“ oder „coolen“ Vibe nicht mehr einsetze oder ausstrahle, zum Beispiel bei Stakeholdern. Solche Kommentare muss sie sich öfter anhören: Als Schwarze Frau habe sie neben dem Rassismus auch noch mit Sexismus und mit einer Hypersexualisierung ihres Körpers zu kämpfen, sagt sie.

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Noch deutlicher wird dies, als Addison das Zoom-Interview mit Gründerszene kurz unterbrechen muss, weil es an ihrer Tür klingelt. Sie nimmt ein großes Paket entgegen und öffnet es, während das Gespräch über Zoom weiterläuft. Ein anonymer Absender hat ihr einen riesigen Strauß weiße Rosen geschickt. An ihre Privatadresse. Auf einer Karte lobt er sie für ihren Einsatz für eine NGO. „Super gruselig“, sagt sie.

Lieber Wagniskapital als Blumen

Statt anonymer Blumen will Addison eigentlich nur eines: in der Startup-Szene ernstgenommen werden, vor allem von den Investoren. Die Idee für ihre Plattform Styleindi hatte sie schon vor drei Jahren, bisher konnte sie jedoch noch keinen Geldgeber von ihrer Idee überzeugen. Mittlerweile zeigt sie sich über das Ökosystem frustriert: „Weiße, 25-jährige Typen, ohne jegliche Gründer- oder Unternehmererfahrung, kommen mit ihrer veganen Chilli-Con-Carne-Businessidee um die Ecke und die Investoren schmeißen ihnen ihr Geld hinterher. Diesen Vertrauensvorschuss möchte ich auch“, sagt sie. 

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Zu nischig, hätten die meisten Business Angels gesagt, denen sie Styleindi gepitcht habe. Anders sah es bei Investoren in England aus: Sie habe das konkrete Angebot bekommen, ihre App dort umsetzen, sagt die Gründerin. Doch Addison möchte Styleindi in Deutschland starten. „Hier bin ich aufgewachsen, hier will ich mal eine Familie gründen.“ Ihre Kindheit und Jugend verbrachte sie im Ruhrpott, in Essen. Im Alter von drei Jahren war sie mit ihrer Familie aus Ghana nach Deutschland gekommen.

Dass es auch hierzulande einen Markt für eine Plattform wie Styleindi gibt, sei Investoren schwer zu vermitteln, sagt sie. Ein Problem ist für sie die fehlende Datenlage über ihre Zielgruppe, Schwarze Menschen. Wie viele von ihnen in Deutschland leben, dazu gibt es keine verlässlichen Zahlen. Zwar hat laut statistischem Bundesamt mittlerweile jede vierte Person einen Migrationshintergrund. Doch anders als etwa in den USA wird in Deutschland die Hautfarbe nicht offiziell erfasst. Verbände schätzen die Zahl auf etwa 800.000.

Auch um das Marktpotenzial für ihre Idee aufzuzeigen, startete Addison 2018 die Curl Con, eine Lifestyle-Messe für Schwarze Menschen. Aus der Messe ist mittlerweile auch eine Agentur entstanden, die Curl Agency, mit der Addison Firmen berät. Mit den Umsätzen aus der Messe und der Agentur finanziert sie mittlerweile die Entwicklung von Styleindi. Ende des Jahres soll die Betaversion der App starten.

Viele Einladungen zu Talkrunden, keine zum Pitchen

Die in den USA gestarteten Blacklivesmatter-Proteste haben seit einigen Wochen auch Deutschland erreicht. Noch sei sie skeptisch, ob sich dadurch etwas verändere, sagt die Gründerin. Aktuell werde sie zu BIPOC*-Gründerrunden oder Lunch-Hour-Treffen mit Investoren eingeladen. „Ich brauche aber keine Lunch Hour mehr“, sagt Addison. Sie wolle lediglich einen Termin, um ihre App als mögliches Investment vorzustellen. Bisher sei es aber bei den Talkrunden geblieben. „Zum Pitchen hat mich keiner eingeladen.“

Dank der Umsätze von der Messe und ihrer Beratung bräuchte sie mittlerweile eigentlich keinen Investor mehr. Trotzdem pitcht sie weiter: „Ich will unbedingt, dass das Ökosystem auch für mich als Schwarze Gründerin funktioniert!”

*Glossar:

Schwarz: Es handelt sich hier nicht um die Beschreibung einer Hautfarbe, sondern um eine politische Selbstbezeichnung und die gesellschaftspolitische Zugehörigkeit. Um das deutlich zu machen, ist der Begriff groß geschrieben.

BIPOC: Black, Indigenious and People of Colour = Selbstbezeichnung für Schwarze Personen

Bild: Nana Addison
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