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Alles auf Handschlag? Der eigene Vertrag als Gründer

Gerade noch war man selbst irgendwo angestellt. Dann hat man eine gute Idee und arbeitet erstmal drauf los, in der Regel Tag und Nacht.  Eigentlich möchte man sich um das operative Geschäft kümmern, aber es stellen sich immer mehr Fragen, die mit Arbeitsrecht, Steuerrecht oder gar Sozialversicherungsrecht zu tun haben. Der nachfolgende Beitrag bietet einen ersten Überblick über Themen, die sich früher oder später bei fast allen Neugründungen stellen.

Natürlich kann man auch einfach losarbeiten, und sich ein Geschäftsführergehalt auszahlen. Oder man nimmt den Geschäftsführervertrag eines Kollegen als Mustertext. Aber gerade in der Anfangsphase gibt es viele Weggabelungen, bei denen man falsch oder richtig gehen kann. Typische Fragen sind die nach der Sozialversicherungspflicht der beteiligten Geschäftsführer, die einen bestimmenden Einfluss auf die Gesellschaft und in der Regel eine Sperrminorität voraussetzt.

Bei Finanzierungsgesprächen mit der Bank sollte man sich zweimal überlegen, wer in welcher Form eine Bürgschaft unterzeichnet. Und natürlich können sich auch aus dem Gesellschaftsvertrag mit Co-Foundern oder Kapitalgebern später Streitfragen ergeben, die man so weit wie möglich im Voraus vermeiden sollte.

Wieso Risiko – das sind doch alles freie Mitarbeiter?

Nicht nur in Startup-Unternehmen gibt es viele verschiedene Formen der Zusammenarbeit. Häufig haben beide Seiten erst einmal gar kein Interesse daran, einen offiziellen Arbeitsvertrag zu schließen. Echte freie Mitarbeiter sind aber, gemessen am Maßstab des deutschen Arbeitsrechts, ausgesprochen selten. Wenn sich die sogenannte freie Mitarbeit später als eine sogenannte Scheinselbstständigkeit herausstellt, trifft das Risiko vor allem das Unternehmen.

Fast ebenso weitverbreitet sind nicht nur in der Gründerszene sogenannte Praktikanten, die häufig für eine geringe Vergütung über Monate hinweg nicht nur lernen und zugucken, sondern ganz normal mitarbeiten. Auch hier sollte man jedenfalls die Rechtslage kennen.

Das richtige Arbeitsvertragsformular für alle Fälle?

Arbeitsvertragsmuster sind überall erhältlich, in Formularsammlungen oder auch im Internet. Viele Regelungen im Arbeitsrecht gelten ohnehin zwingend, so dass die Spielräume für Regelungsmöglichkeiten beschränkt sind. Es gibt aber einige Klauseln, die sich im Nachhinein als durchaus nützlich herausstellen können, beziehungsweise deren Fehlen unangenehme Folgen haben kann.

Ist der Mitarbeiter für den Wettbewerb hochgradig interessant, so ist vielleicht eine längere Kündigungsfrist sinnvoll. Bei einer unmotivierten und leicht zu ersetzenden Kraft wird eine kürzere Kündigungsfrist wahrscheinlich ausreichen. Wichtig ist auch, dass man sich über Wettbewerbsverbote und Rechteabtretungen (Arbeitnehmererfindungen, Urheberrecht) Gedanken gemacht hat.

Die magische Zehn

Abgesehen von Altfällen, deren Arbeitsverhältnis vor 2004 begonnen hat (bei Neugründungen also nicht möglich), greift der Kündigungsschutz für Mitarbeiter, in deren Betrieb mehr als zehn Vollzeitarbeitnehmer beschäftigt sind. Wenn das Unternehmen diesen Schwellenwert überschreitet, ändern sich einige Spielregeln. Wenn ein Mitarbeiter gegen eine Kündigung klagt, muss der Arbeitgeber betriebsbedingte, verhaltensbedingte oder personenbedingte Gründe für die Kündigung darlegen und nötigenfalls beweisen können.

Es kann also nicht mehr einfach so gekündigt werden, weil es „einfach nicht gepasst hat“. Umso wichtiger ist es, dass man die ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses nutzt, und sich gründlich überlegt, ob man den Mitarbeiter dauerhaft behalten möchte.

Das „wasserdichte“ Kündigungsschreiben und gesteuertes Off-Boarding

Bei der Formulierung eines Kündigungsschreibens kann man kaum etwas falsch machen, solange nur klar genug zum Ausdruck kommt, dass man das Arbeitsverhältnis dauerhaft beenden möchte. Viel geht dagegen schief bei der Zustellung des Kündigungsschreibens. Das Kündigungsschreiben muss von der vertretungsberechtigten Person (im Zweifelsfall also Geschäftsführer oder Vorstand) im Original unterschrieben werden und dem zu kündigenden Mitarbeiter im Original überreicht werden.

Auch Mitarbeiter, die krank zu Hause sind, dürfen gekündigt werden. Dann muss aber der Zugang des Kündigungsschreibens immer noch nachweislich erfolgen, zum Beispiel durch einen Messenger-Dienst oder einen Arbeitskollegen. Auch im Übrigen ist ein gut gesteuerter Off-Boarding-Prozess wichtig, zum Beispiel, um den Laptop und das Blackberry des Mitarbeiters zurück zu bekommen.

„Ältere, erfahrene Sekretärin für das Team gesucht“ – Stellen richtig ausschreiben

Seit 2006 gibt es in Deutschland ein umfassendes Gesetz gegen Diskriminierung. Wer also eine „ältere, erfahrene Sekretärin für das Team“ sucht, muss also damit rechnen, dass sich jüngere männliche Bewerber diskriminiert fühlen und – jedenfalls dann, wenn sie beruflich nichts Besseres zu tun haben – Entschädigungsansprüche gerichtlich geltend machen. In der Praxis ist das zwar bei kleinen Unternehmen selten. Dennoch sollten Arbeitgeber die wesentlichen Regelungen zum Diskriminierungsschutz, nicht nur beim Bewerbungsverfahren, kennen und einhalten.

Die Überstundendiskussion

Im Startup wird meistens viel und lange gearbeitet. Umso wichtiger ist es, dass man die Rahmenbedingungen hierfür und mögliche Risiken kennt. Wenn man die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit überschreitet, drohen – insbesondere dann, wenn es zu einer Trennung kommt – Nachzahlungsansprüche des Mitarbeiters. Wenn man die gesetzlichen Grenzen aus dem Arbeitszeitgesetz überschreitet, droht darüber hinaus ein Ordnungswidrigkeitsverfahren und ein Bußgeld.

Wie sieht der richtige Arbeitsplatz aus (und wie nicht)?

Das Startup wächst fröhlich vor sich hin, der alte Mietvertrag läuft erst in einem Jahr aus, und einzelne Mitarbeiter sitzen vorübergehend schon auf Heizkörpern. Hier droht bei Behördenbesuchen ein Bußgeldbescheid. Die Grundregeln nach ausreichend Luftraum und Bewegungsfläche für jeden Mitarbeiter sowie Nichtraucherschutz sollte man auch im Startup schon kennen und einhalten. Bei mehr als zehn Beschäftigten kann auch eine Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung sinnvoll sein, die man der Behörde bei Kontrollbesuchen vorlegen kann.

Der ist einfach zum Wettbewerber gegangen – darf der das?

Gerade für Startups sind die Know-how-Träger oft heiß umkämpft und werden vom Wettbewerb mit allen möglichen Versprechungen und Vergünstigungen umworben. Oder der Know-how-Träger macht sich plötzlich selbstständig. Beides kann man nicht einfach verbieten. Die richtige Gestaltung von Kündigungsfrist, vertraglichem und nachvertraglichem Wettbewerbsverbot, Verschwiegenheitspflicht und möglicher Vertragsstrafe hilft aber dabei, böse Überraschungen zu vermeiden und Risiken zu begrenzen.

Bild: Susann von Wolffersdorff /pixelio.de