„Die großen Hersteller verschlafen den 3D-Druck komplett“, sagt Manuel Siskowski, der Gründer von Wiesemann 1893.

Die Idee von Manuel Siskowski klingt nach Science-Fiction: Anstatt Dinge im Geschäft zu kaufen, sollen sie in Zukunft zu Hause gedruckt werden. Wie beim Replikator aus der Serie „Star Trek“, der scheinbar aus dem Nichts Alltägliches erschaffen kann.

Ganz so futuristisch ist der Vorschlag von Siskowski nicht, er will, dass wir bald Werkzeuge aus Metall, wie Hämmer oder Schrauben, aus dem heimischen Drucker holen können. Der Gang zum Baumarkt oder die Bestellung im Onlineshop wäre dadurch hinfällig. Als Kunde müssten wir lediglich das Design herunterladen, den Rest macht der 3D-Printer.

Noch ist das allerdings Zukunftsmusik, das weiß auch der 31-jährige Gründer. Denn die dafür notwendigen Drucker gibt es zwar schon, doch die Verbreitung ist noch begrenzt. Selbst in der Industrie kommen sie nur selten zum Einsatz. Mit seinem Startup Wiesemann 1893 – die Marke hat Siskowskis Firma von einem Familienunternehmen übernommen – will der Gründer das jetzt ändern.

Schon jetzt verkauft der Onlineshop nicht nur Werkzeuge – die noch ganz klassisch per Paket ins Haus kommen – sondern stellt bereits Designs für Werkzeugzubehör aus dem 3D-Drucker zur Verfügung. Und das kostenlos. Wer also beispielsweise einen Hammer kauft, kann zusätzlich auch die Datei für den passenden Wandhalter downloaden und bereits ausdrucken, noch bevor das Paket geliefert wird. Teilweise spart das richtig Geld, weil 3D-Drucker in kleinen Stückzahlen drucken können, die nicht erst aus Fernost importiert werden müssen.

Noch ist der Replikator also Science-Fiction. Doch der Gründer plant trotzdem groß, wie er uns im Gespräch erzählt hat.

Manuel, Werkzeugteile aus dem 3D-Drucker – das klingt nach einem sehr langfristigen Plan, denn der 3D-Druck steckt noch in den Kinderschuhen.

Absolut. Wir konnten am Anfang schwer abschätzen, wie verbreitet das bei unseren Nutzern ist. Sie sind aber sehr werkzeugaffin, dadurch ist die Verbreitung von 3D-Druckern bei ihnen höher als bei der normalen Bevölkerung.


Video: Nicht nur Werkzeuge können gedruckt werden, sondern auch ganze Häuser.

Ihr plant in diesem Jahr 150.000 verkaufte Werkzeuge und 15.000 Downloads für den 3D-Drucker. Also nehmen maximal zehn Prozent der Kunden euren 3D-Service wahr?

Es sind sogar nur zwei Prozent. Die restlichen acht Prozentpunkte sind Kunden von Fremdmarken, die dort nicht das Werkzeugzubehör bekommen. Das ist der Grund, warum wir bei unseren 3D-Designs unser Logo mit einarbeiten. So schaffen wir es an die Wand im Keller des Kunden – ohne ein Produkt verkaufen zu müssen. Wir platzieren das Logo absichtlich so, dass es beim Herausnehmen des Werkzeugs sichtbar wird.

Bietet ihr eure kostenlosen 3D-Designs deshalb nicht nur auf eurer Webseite sondern auch auf anderen Plattformen an?

Ja, weil wir dadurch an Nutzer kommen, die eigentlich nicht unsere Kunden sind. Das ist gerade das Spannende für uns.

Wie kommt das bei Herstellern an, dass sie durch eure kostenlose Drucke Umsatz verlieren?

Wir wollen damit absolut die etablierten Hersteller angreifen. Sie kommen in Erklärungsnot, warum Artikel, die in der Herstellung Cents kosten, bei ihnen mehrere Euro kosten, während Nutzer mit einem 3D-Drucker das kaum etwas kostet. Wir versuchen den Wettbewerb da zu treffen, wo es wehtut. Wir selber haben nie Zubehör einzeln verkauft sondern dem Werkzeug beigelegt und verlieren dadurch kaum Umsätze, sondern sparen sogar ein paar Cent.

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Habt ihr bereits die Größe, dass es dem Wettbewerb wehtut?

In einigen Produktkategorien sind wir auf dem Schirm der etablierten Hersteller. Denn gerade durch Corona schauen sie viel stärker auf den digitalen Handel, weil das stationäre Geschäft massiv weggebrochen ist. Das Thema 3D-Druck verschlafen sie aber komplett.

Ihr wollt nicht nur simples Zubehör aus dem 3D-Drucker anbieten, sondern langfristig ganze Werkzeuge. Allerdings hat noch niemand Geräte zu Hause, die Metall drucken können.

Das stimmt. Wir haben deshalb einen Zwischenschritt: Das sind kunststoffgedruckte Designs, die nicht kostenlos sind, beispielsweise kleine Schraubenboxen. Das sind nur Mikrotransaktionen. Wir wollen damit aber zeigen, dass man als Hardware-Player auch komplett digitalen Umsatz machen kann.

Und danach?

Danach kommt der Metalldruck. Das ist für uns das mit Abstand Spannendste. Da geht es dann nicht mehr um den Consumerbereich, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass sie einen Metalldrucker zu Hause haben werden. Wir wollen eine Plattform aufbauen, die Werkzeugdesigns für Industriekunden anbieten wird.

Was heißt das konkret?

Der Use Case für den Industriekunden sieht so aus: Eine seiner Fabriken steht still, weil ein spezifisches Werkzeug fehlt. Der Kunde kann dieses dann innerhalb von wenigen Stunden drucken und er verliert keinen Umsatz.

Was zahlt der Kunde dafür?

Wir wollen da auf ein Abomodell für den gesamten Werkzeugkatalog setzen. Das ist in der Industrie gerade undenkbar, weil heute alles auf einer Stückbasis verkauft wird.

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Wenn ihr nur das Design – also eine Datei – liefert, wie wollt ihr dann verhindern, dass diese nicht einfach raubkopiert wird und ihr nichts daran verdient?

Unsere Designs werden sicherlich auch kostenlos im Internet auftauchen. Aber der Unterschied ist, dass wir Industriekunden garantieren, dass die Werkzeuge, die von uns angeboten werden, nach der Norm sind und funktionieren. Bei anderen Plattformen haftet dafür ja niemand.

Ihr wollt Industriekunden ansprechen, aber auch in dem Bereich steht der 3D-Druck für Metall noch ganz am Anfang.

Ehrlicherweise schon. Wir sind aber mit den Drucken, die bisher möglich sind, schon sehr zufrieden. Das reicht für die meisten Anwendungen. Die Verbreitung ist noch ausbaufähig. Unsere Wette ist, dass es an Bedeutung gewinnt.

Das ist eine teure Wette, wie finanziert ihr das?

Wir subventionieren diese Form von Experimenten quer über unser normales Werkzeug-Geschäft.

Bei euren bisherigen 3D-Druck-Designs habt ihr keinen Einfluss darauf, wie das Endergebnis beim Kunden aussieht. Noch kann dabei sehr viel schief gehen. Kann das nicht negativ auf euch zurückfallen?

Das kann man natürlich nicht verhindern. Wir garantieren deshalb auch nur für das Design. Am Anfang haben wir das nicht ganz ernst genommen, bis uns ein Vorschlaghammer von der Wand gefallen ist, weil es Probleme mit dem gedruckten Halter gab. Dann sind wir deutlich vorsichtiger geworden und machen beispielsweise bei kritischen Produkten entsprechende Hinweise.

Müsstet ihr in einem solchen Fall dafür haften, falls sich der Kunde mit einem Design von euch verletzt?

Auf den Druck haben wir leider keinen Einfluss. Da habe ich aber mehr Bedenken, wenn wir später in den Industriebereich gehen, wo es um größere Summen geht. Es gibt hier noch keine Rechtsprechung, das ist alles noch Wilder Westen. Wir könnten uns davor lange verstecken oder es im Kleinen testen, so wie wir das tun.

Bild: Wiesemann 1893