Kurz vor dem Festlegen der Versteigerungsbedingungen für die 5G-Mobilfunkauktion versuchen die Netzbetreiber eine Schadensbegrenzung und schlagen Alarm. Sie wehren sich damit gegen Vorgaben für eine weitgehende Funkabdeckung, die nur mit hohen Investitionen möglich wäre.

„Die sich derzeit überschlagenden und teils konträren Forderungen aus der Politik nehmen zunehmend irrationale Züge an“, sagte Hannes Ametsreiter, Vodafone-Chef in Deutschland, im WELT-Gespräch. Immer mehr Fläche soll immer schneller versorgt werden, mit Frequenzen, die das technisch gar nicht möglich machten.

Der Streit entzündet sich an den Vorgaben der Bundesnetzagentur, mit denen die 5G-Frequenzen im Frühjahr 2019 vergeben werden sollen. Diese Bedingungen werden in den nächsten Tagen dem Beirat der Netzagentur mitgeteilt, der sie in seiner Sitzung am 26. November abschließend behandelt. Eine Zustimmung ist nicht nötig.

5G steht für die fünfte Mobilfunkgeneration, mit der deutlich höhere Übertragungsgeschwindigkeiten für Daten und schnellere Antwortzeiten möglich werden. Dadurch werden viele neue Geschäftsmodelle möglich. 5G ist Voraussetzung für autonomes Fahren und vernetzte Produktion, die auch als Industrie 4.0 bezeichnet wird.

Einen ersten Entwurf hatte die Netzagentur im August vorgelegt. Demnach sollten die Mobilfunkanbieter verpflichtet werden, bis Ende 2022 mindestens 98 Prozent der Haushalte in einem Bundesland mit einer Internetgeschwindigkeit von mindestens 100 Megabit pro Sekunde zu versorgen. Es gab noch weitere Verpflichtungen, darunter die Versorgung von fahrgaststarken Bahnstrecken mit 50 Megabit bis Ende 2022.

Vorgaben nur für etablierte Netzbetreiber

Einige der Vorgaben sollten nur für die bisherigen Netzbetreiber gelten. Neueinsteiger müssten demnach nur die Hälfte aller Haushalte bis Ende 2022 mit Mobilfunkleistungen versorgen. Vor allem Politiker zeigten sich unzufrieden mit den Vorschlägen und wollten schärfere Bedingungen, vor allem ein Ende der Funklöcher und eine höhere 5G-Abdeckung.

„Deutschland droht ein industriepolitisches Desaster“, warnte Tim Höttges, Chef der Deutschen Telekom. „Hier gibt es einen politischen Wettbewerb um möglichst hohe Auflagen, ohne Rücksicht darauf, ob die Betreiberunternehmen das überhaupt leisten können.“

Lest auch

Die Telekom hatte im Oktober ihre Pläne für den Ausbau bekanntgegeben, nicht zuletzt auch, um Politiker milde zu stimmen. Bis 2025 will der Konzern demnach 99 Prozent der Bevölkerung und 90 Prozent der Fläche mit dem nächsten Mobilfunkstandard 5G versorgen.

2021 sollen mehr als 99 Prozent der Haushalte mit der derzeitigen Mobilfunkgeneration 4G erreicht werden. Tatsächlich ist ein flächendeckender 5G-Ausbau mit den zur Versteigerung stehenden Frequenzen kaum möglich. Sie sind zwar in der Lage, hohe Datengeschwindigkeiten zu liefern.

„Nicht mit unrealistischen Vorschlägen überbieten“

Aber weil die Frequenzen extrem kurzwellig sind, haben sie nur eine sehr geringe Reichweite. Schätzungen zufolge würden die Netzbetreiber für eine Flächendeckung ein Vielfaches der Antennen benötigen, die es derzeit in Deutschland gibt.

„Wir sollten uns nicht mit unrealistischen Vorschlägen überbieten, die technisch nicht machbar sind“, sagte Telefonica-Deutschlandchef Markus Haas im WELT-Gespräch.

„Für 5G kurzfristig mehrere Hunderttausend Antennen aufzubauen, ist weder wertstiftend, noch finanzierbar, noch lässt sich das praktisch umsetzen. Wir müssen vielmehr zunächst da ausbauen, wo die neue Technologie Mehrwert schafft, und das ist im ersten Schritt bei Unternehmen und in der Industrie.“

Nachdem es weitergehende Forderungen aus der Automobilindustrie gab, rudern die großen Verbände wieder etwas zurück. Gemeinsam mit den Netzbetreibern stimmen der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der Verband der Maschinenbauer (VDMA), der Verband der Elektroindustrie ZVEI und der Digitalverband Bitkom derzeit ein Positionspapier ab, indem sie davor warnen, die Versteigerung zum Spielball der Politik zu machen und physikalische Gesetzmäßigkeiten zu ignorieren.

Wunsch nach nationalem Roaming

Nach wie vor gibt es den politischen Wunsch, ein nationales Roaming zu ermöglichen. So könnte der Markteinstieg eines neuen Anbieters vereinfacht werden. United-Internet-Chef Ralph Dommermuth hatte das gefordert.

Auch die Verbraucherzentralen sprechen sich dafür aus und erwarten dadurch mehr Wettbewerb. Die Netzagentur befürchtete bisher „einen Eingriff in die Rechte der Mobilfunknetzbetreiber“, die sich gegen das nationale Roaming aussprechen.

„Wir sollen unsere Netze zu Dumpingpreisen für Firmen öffnen, die bislang keinen Cent in Deutschlands mobile Infrastruktur investiert haben, was uns wieder das Geld für den schnellen Flächenausbau nimmt“, sagte Vodafone-Chef Ametsreiter. „Wir müssen aufpassen, dass diese Frequenzvergabe jetzt nicht politisch, ökonomisch und juristisch zum Desaster wird.“

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt.de.

Bild: Getty Images / Towfiqu Photography