Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU)

Die Bundesregierung will das Thema Innovationen in Deutschland mit einer eigens geschaffenen Behörde vorantreiben. Das Bundeskabinett beschloss am Mittwoch, eine „Agentur zur Förderung von Sprunginnovationen“ zu gründen. Sie soll Fördermittel von in Summe rund einer Milliarde Euro vergeben, um „bahnbrechende Ideen“ zur Anwendung zu bringen.

„Wir wollen neue Produkte, neue Geschäftsmodelle und vor allem neue hochwertige Arbeitsplätze in Deutschland schaffen“, sagte Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU). „Wir wollen der Welt zeigen: Zukunft wird in Deutschland gemacht.“

Mindestens 151 Millionen Euro sollen der Agentur in ihrer Anlaufphase bis zum Jahr 2022 zur Verfügung stehen. Davon soll sie laut Plan etwa zehn Innovationswettbewerbe veranstalten und etwa zehn „Spitzenprojekte“ starten. Bis 2029 soll die Höhe der Mittel auf insgesamt rund eine Milliarde Euro anwachsen.

Wie viele Mitarbeiter die neue Agentur haben soll und woher genau diese ihr Spezialwissen mitbringen, um „bahnbrechende Innovationen“ überhaupt zu erkennen, ist allerdings noch unklar. Der Personalumfang werde „eher schlank“ sein, sagte Karliczek auf Nachfrage von WELT. „Fest steht: zwei Geschäftsführer an der Spitze und dann Innovationsmanager, die sich um die konkreten Projekte kümmern.“

Tatsächlich konkurrieren ja auch Industrie und Forschung mit Top-Gehältern um solche klugen Köpfe. Das ficht Karliczek allerdings nicht an. „Wir haben sondiert und sind sicher, dass wir genau diese Experten finden“, sagte sie WELT weiter. Schließlich werde die Agentur „ein sehr attraktiver Arbeitgeber“ sein, der den Innovationsmanagern viele Freiheitsgrade und Gestaltungsmöglichkeiten biete. Wo der Sitz der Agentur sein soll, wird übrigens noch geprüft.

Kann der Staat Innovationen besser managen?

Bleibt die zentrale Frage, warum eine staatliche Agentur besser als alle Forschungsabteilungen von Unternehmen in der Lage sein sollte, die Möglichkeiten für radikale Innovationen überhaupt zu erkennen. Auch da ist die Ministerin zuversichtlich.

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Die Innovationsmanager hätten dank der Agentur völlig neue Möglichkeiten. „Eigenverantwortlich können sie auf Spurensuche gehen und Forschungsergebnisse sehr schnell und flexibel durchleuchten und prüfen, was da für ein Potenzial drin steckt“, sagte Karliczek.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), dessen Ministerium die neue Agentur gemeinsam mit dem Bundesforschungsministerium unterstellt ist, nennt Beispiele für förderwürdige Innovationen: das könnten Anwendungen der Künstlichen Intelligenz (KI) sein, neue Formen der Mobilität oder medizintechnische Durchbrüche. „Von der Idee zum Markterfolg – das muss auch in Deutschland Realität werden, nicht nur im Silicon Valley oder in Asien“, so der Minister.

Was sind Sprunginnovationen?

Was in etwa der Regierung als „Sprunginnovation“ vorschwebt, wird in einem Erklär-Papier des Bundesforschungsministeriums zur neuen Agentur deutlich: Diese Sprunginnovationen – auch radikale oder disruptive Innovationen genannt – entstünden häufig an der Schnittstelle zwischen etablierten Themenfeldern, Disziplinen und Technologien.

Als Beispiele wird etwa der in Deutschland entwickelte mp3-Standard zur Speicherung von Musikdaten angeführt, welcher traditionelle Tonträger wie Schallplatten, Kassetten und CDs weitgehend vom Markt verdrängt habe. Der Online-Versandhandel wiederum wird als Beispiel für eine Sprunginnovation im Geschäftsmodell genannt, der bisherige Marktstrukturen radikal verändert hat.

Grundsätzlich soll die neue Agentur eine Förderorganisation sein. Geld kann an Hochschulen, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen und private Unternehmen fließen. Es wird ausgegeben für Forschung und die „Überführung von Forschungsideen mit Sprunginnovationspotenzial in innovative Produkte oder Dienstleistungen“. Kriterien sollen die „zu erwartende marktverändernde Wirkung“ sowie ein „besonders großer gesellschaftlicher Nutzen“ sein.

US-Agentur DARPA als Vorbild

Unter Ökonomen ist massive staatliche Forschungsförderung nicht unumstritten. Dafür spricht das Argument des Marktversagens. Danach scheuen Private vor so mancher Investition in Forschung und Entwicklung zurück, weil sich Dritte das Wissen später unentgeltlich aneignen könnten.

Staatliche Hilfen könnten das zumindest zum Teil ausgleichen. Kritiker dagegen fürchten, dass der Staat mit seinem Geld einen Teil der privatwirtschaftlichen Aktivität verdrängt. Noch dazu seien wenige staatliche Entscheider, die mit großen Mengen Steuergeld agieren, nicht so weitsichtig wie die Masse privater Investoren.

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Als Vorbild einer Staatsagentur wird immer wieder die amerikanische Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) genannt. Sie untersteht dem US-Verteidigungsministerium und legte einst die Grundsteine für das Internet. Außerdem entwickelte sie das globale Navigations-Satellitensystem GPS. Ihr Budget allerdings beträgt allein für das Jahr 2018 mehr als drei Milliarden Dollar.

In der Europäischen Union hatte zuletzt der französische Staatspräsident Emmanuel Macron nach einer gemeinsamen Innovationsagentur gerufen. Nach dem Vorbild der Amerikaner sollten auch die Europäer gemeinsam die digitale Revolution vorantreiben, sagte er in seiner viel beachteten Europarede im vergangenen Herbst.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt.de.

Bild: Getty Images / Sean Gallup