Apple Watch warnt vor Herzproblemen.

Wenn es darum geht, seine Geräte unter die Menschen zu bringen, hat Apple auch vor der Konkurrenz keine Berührungsängste. Und so hat der iPhone-Hersteller gleich mehrere Beispiele in kleinen Filmen auf die Google-Video-Plattform YouTube geladen. Dort berichten Amerikaner von ihrem Lebensretter: der Apple Watch.

In den USA warnt die Apple Watch ihre Träger, wenn etwas mit ihrem Herzen nicht stimmt. Weil dazu eine Zulassung nötigt ist, mussten bisher andere Länder auf diese Funktion verzichten. Nun hat Apple eine Genehmigung für den Europäischen Wirtschaftsraum bekommen.

Dank CE-Kennzeichen darf die Uhr nun in 19 europäischen Ländern Träger der Apple Watch auf Herzrhythmusstörungen hinweisen, darunter auch in Deutschland. Voraussetzung dafür ist die neuste Uhren-Software watchOS 5.2, die Apple in der Nacht zum Donnerstag zur Verfügung gestellt hat.

Die wohl wichtigste neue Funktion wird somit auf allen Modellen der Apple-Uhr laufen, weil sie auf die Daten des optischen Herzschlagsensors zugreift, der sich auf der Rückseite der Uhr befindet.

Eingeführt hatte Apple diesen Sensor schon mit dem ersten Modell 2015, allerdings mit einer anderen Absicht. Er sollte den Puls messen, um während des Sport-Trackings bei der Ermittlung des Kalorienverbrauchs zu helfen.

Fehlalarme sollen sich in Grenzen halten

Das macht der Sensor heute zwar auch noch. Doch inzwischen hat Apple mehr im Sinn. Nach umfangreichen Studien fühlt sich Apple sicher genug, den Nutzern der Uhr auch medizinische Gesundheitshinweise zu geben. Die größte dieser Untersuchungen ist die Herz-Studie von Apple, die der Konzern zusammen mit der Stanford-Universität und 400.000 Teilnehmern durchgeführt hat.

Doch was misst die Uhr genau? Sie erstellt mithilfe des optischen Sensors sogenannte Tachogramme, also eine zeitliche Abfolge der Herzschläge. Der Sensor sendet grünes und Infrarotlicht aus, um die Menge an Blutkörpern im Handgelenk zu bestimmen. Die Menge des Blutes variiert zwischen den Herzschlägen, der Sensor am Handgelenk misst genau diesen Verlauf – und errechnet daraus die Herzfrequenz.

Da der Puls bei körperlicher Betätigung schon mal unregelmäßig werden kann, misst die Uhr für ihre Tachogramme nur während der Ruhephasen. Sollten Unregelmäßigkeiten in fünf von sechs aufeinanderfolgenden Messungen bestätigt werden, wird der Träger der Uhr auf der Apple Watch und auf seinem iPhone benachrichtigt.

In der Health-App auf dem Smartphone können der Nutzer und sein Arzt ablesen, wann diese Messungen waren. Apple ist von der Genauigkeit seiner Messungen weitgehend überzeugt. Fehlalarme würden sich in Grenzen halten, heißt es im Konzern.

In der Herz-Studie von Apple hätten nur 0,5 Prozent der Teilnehmer eine Benachrichtigung erhalten, „ein wichtiges Ergebnis, das Bedenken hinsichtlich einer möglichen Überbenachrichtigung ausschließen ließ“, heißt es bei Apple.

Apple müht sich jedoch, seine Nutzer nicht in falsche Sicherheit zu wiegen. Deswegen müssen Apple-Watch-Besitzer diese Funktion aktiv einstellen, im Auslieferungszustand ist sie auf der Uhr und im iPhone deaktiviert. Während des Einrichtungsprozesses in der Health App auf dem iPhone gibt es dann jede Menge Warnungen und Erklärungen.

Kann die Uhr wirklich Leben retten?

„Die Apple Watch kann dich benachrichtigen, wenn sie einen unregelmäßigen Herzrhythmus feststellt, der möglicherweise Herzflimmern sein könnte“, heißt es dort. Dann kommt ein kurzer Text, der erklärt, was Vorhofflimmern überhaupt ist: Eine „häufige Form des unregelmäßigen Herzrhythmus, bei der die oberen Kammern des Herzens nicht synchron mit den unteren Kammern schlagen“.

Dies könne zu Blutgerinnseln im Herzen führen. Die Folge: Schlaganfall, Herzversagen und andere Komplikationen. Apple erklärt auch, wie die Uhr das misst. Und zwar wird der Herzschlag gelegentlich überprüft, wenn der Nutzer ruhig ist. Nur so könne die Messung möglichst genau werden. Wer also den ganzen Tag aktiv ist, macht es der Uhr schwer.

Apple klärt anschließend über vier Dinge auf, „die du wissen solltest“: Die Uhr kann keine Herzinfarkte feststellen, und sie achtet nicht ständig auf Vorhofflimmern. Im Zweifelsfall, also bei Unwohlsein, sollte man besser zum Arzt gehen. Und man sollte seine Medikation nicht ändern, ohne vorher den Arzt zu fragen.

Der Konzern will also die Alarmierung über die Uhr eher als Aufforderung verstehen, zum Arzt zu gehen, um eine genauere Untersuchung anzustoßen. „Die Uhr ersetzt keinen Arzt“, betonen Apple-Manager unentwegt.

Mit dem neuen Modell, der Apple Watch Series 4, geht Apple sogar noch einen Schritt weiter. Sie ist sogar in der Lage, ein echtes Elektrokardiogramm (EKG) direkt am Handgelenk anzufertigen, das vergleichbar sein soll mit einer 1-Kanal-Aufzeichnung beim Arzt. Diese Funktion ist ebenfalls ab sofort in Europa verfügbar.

Auch sie muss vom Nutzer in der Health App auf dem iPhone aktiviert werden und kommt mit vielen Erklärungen. Apple empfiehlt die EKG-Messung für den Fall, dass sich der Träger nicht wohlfühlt.

Dann kann er die EKG-App auf der Uhr starten und seinen Unterarm auf den Tisch legen, damit er ruht. Anschließend legt er den Zeigefinger auf die Digital Crown, also an das Drehrad an der Seite der Apple Watch. Anschließend wird für 30 Sekunden ein EKG aufgenommen.

Die Messung lässt sich in der Health App auf dem iPhone betrachten, in ein PDF verwandeln und sogar per E-Mail verschicken. Dies kann bei einer Arztkonsultation hilfreich sein, weil das EKG den Zustand im Moment des Unwohlseins anzeigt. Oft lässt sich nämlich bei einem späteren Arztbesuch das Problem nicht mehr nachvollziehen.

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Auch hier erklärt Apple im Einrichtungsprozess, zu was das EKG in der Lage ist. Es gibt nach der Messung ein Ergebnis aus. Entweder ist alles in Ordnung, was mit einem Sinusrhythmus angezeigt wird. Oder es wird ein Vorhofflimmern oder eine zu hohe oder eine zu niedrige Herzfrequenz festgestellt. Dies gilt bei weniger als 50 oder mehr als 120 Herzschlägen pro Sekunde. In diesem Fall hat die Uhr Schwierigkeiten, Vorhofflimmern zu erkennen.

Das Ergebnis kann aber auch „uneindeutig“ sein, dann kann die Aufzeichnung gar nicht klassifiziert werden, weil die Uhr zu locker getragen oder das Handgelenk nicht auf dem Tisch abgelegt wurde. Auch hier warnt Apple vor seiner eigenen Technik: Herzinfarkt und Schlaganfall kann das EKG nicht feststellen, auch andere Herzleiden nicht, darunter zu hoher Blutdruck oder zu hohe Cholesterinwerte.

Zwar hatte Apple in seiner umfangreichen Herzstudie ältere Apple-Watch-Modelle im Einsatz. In einer ergänzenden klinischen Studie mit etwa 600 Teilnehmern wurden nach Apple-Angaben die EKG-Messungen der neuen Apple Watch Series 4 verglichen mit einem 12-Kanal-EKG. Demnach soll die Uhr Vorhofflimmern in 98,3 Prozent der Fälle erkannt haben. Bei der Feststellung des Sinusrhythmus soll die Genauigkeit bei 99,6 Prozent gelegen haben.

„Wir sind zuversichtlich, dass diese Funktionen den Nutzern helfen können, besser informierte Gespräche mit ihren Ärzten zu führen“, sagte der für Gesundheit verantwortliche Apple-Manager Sumbul Desai. „Mit der EKG-App und der Mitteilungsfunktion bei unregelmäßigem Herzrhythmus können Anwender verschiedene Aspekte ihrer Herzgesundheit ab sofort besser verstehen.“

Bild: NOAH BERGER/Getty Images