Gebrauchtwagenhändler versus Blockchain: Wer ist glaubwürdiger?

Gebrauchtwagenhändler gelten als windige Typen. Sie schwatzen Interessenten Autos auf, die am Ende nicht annähernd das halten, was sie versprechen – so zumindest das weitverbreitete Vorurteil. So denken auch die Macher eines litauischen Startups. CarVertical will das Verkaufsgespräch deshalb obsolet machen – mithilfe der Blockchain-Technologie.

Die Funktionsweise: Basierend auf der Fahrzeug-Identifizierungsnummer (FIN), die im Fahrgestell oder der Karosserie eines jeden Autos zu finden ist, trägt CarVertical alle online verfügbaren Informationen zu einem Auto zusammen und speichert sie auf der Blockchain ab. Die Daten kommen aus unterschiedlichen Quellen, zum Beispiel von Versicherungen, Verkehrsbehörden, Werkstätten, Auktionsanbietern oder Leasing-Diensten, mit denen CarVertical Partnerschaftsverträge aufsetzt. Nutzer sollen die Berichte, ebenfalls anhand der FIN, online abrufen können und pro Report zahlen.

Sind die Daten erst einmal auf der Blockchain, sind sie nicht mehr veränderbar und vor Manipulationen geschützt. Und die sind im deutschen Gebrauchtwagenmarkt durchaus problematisch: Es wird geschätzt, dass der Tacho jedes dritten verkauften Gebrauchten in Deutschland manipuliert ist. Der ADAC geht durch den so künstlich erhöhten Wagenwert von jährlichen Verlusten in Höhe von über sechs Milliarden Euro aus. Abgesehen vom richtigen Kilometerstand will CarVertical etwa auch anzeigen, ob das Auto einmal gestohlen wurde und wann es wieder in die Werkstatt muss.

Nur: Wie will das Startup sicherstellen, dass diese Informationen auch wahr sind? „Indem mehrere Quellen zu ein und demselben Datenpunkt abgefragt werden, verifizieren wir ihn“, so Rokas Medonis, CEO bei CarVertical. Eine 100-prozentige Sicherheit gibt es aber nicht: „Von einem 15 Jahre alten Auto bekommen wir unmöglich sämtliche Informationen“, gibt Medonis an, „aber wir denken an die Zukunft.“ Fahrer von Connected Cars sollen CarVertical daher künftig erlauben können, auf die Daten ihrer Fahrzeuge zuzugreifen.

Ab Herbst im Volkswagen-Inkubator

Ob CarVertical es schafft, alle versprochenen Datenquellen abzubilden und daraus verlässliche Dokumente zu erstellen, lässt sich noch nicht prüfen. Der Dienst soll erst Ende dieses Jahres und vorerst nur in Litauen, Belgien, Ungarn und Rumänien starten. Ein Launch in Deutschland sei wegen der Datenschutzlage noch nicht absehbar. „FIN gelten hier als personenbezogene Daten. Das regulatorische Umfeld muss sich erst ändern, bevor wir in den deutschen Markt gehen können“, sagt CEO Medonis.

Volkswagen unterstützt die Idee dennoch. Der Autobauer wird das Startup ab September über sechs Monate in seinen Inkubator in Dresden aufnehmen. 15.000 Euro bekommt CarVertical dafür von VW. Knapp 20 Millionen Dollar sammelte das Startup Anfang dieses Jahres bei einem ICO ein.

Damit CarVertical sein Ziel von einem transparenten Gebrauchtwagenmarkt wahr machen kann, ist es zum einen auf das Vertrauen von Mobilitätsinstitutionen und Verkehrsteilnehmern, zum anderen auf die Hilfe von anderen Autoherstellern angewiesen. Diese wolle man nun nach und nach an Bord holen, sagt Medonis.

Das Beispiel Mobi macht Hoffnung. Im Mai gaben BMW, Ford, Renault, General Motors und einige Tech-Konzerne eine gemeinsame Initiative bekannt: die Mobility Open Blockchain Initiative (Mobi). Sie soll die Potenziale der Blockchain für die Automobilbranche ausloten. Das Signal: Wenn es um neue Technologien wie die Blockchain geht, raufen sich auch Wettbewerber zusammen. Von möglichen Standards, auf die sich die Initiative verständigt, könnte das litauische CarVertical profitieren.

Bild: Getty Images / Ken Chernus