CEO Nicolas Röhrs in einem Server-Container von Cloud & Heat

Auf Youtube kursieren zahlreiche Filme, in denen Personen die Prozessoren ihrer Computer nutzen, um darauf Spiegeleier zu braten. Das funktioniert meist problemlos. „Eine Herdplatte gibt eine Wärme von etwa acht Watt pro Quadratzentimeter ab“, sagt der Dresdner Nicolas Röhrs. „Die neuesten Generationen von Server-Prozessoren kommen indes auf 31 Watt pro Quadratzentimeter.“ Der Geschäftsführer des Startups Cloud & Heat verwendet den Vergleich gern, wenn er mit Investoren spricht. Denn er macht schnell anschaulich, wie viel Abwärme bereits einzelne zentrale Recheneinheiten – meist CPU genannt – erzeugen. In der Regel kühlen Unternehmen die in Rechenzentren produzierte Hitze für viel Geld herunter. Cloud & Heat kehrt das Prinzip um und verwendet die Serverschränke als Heizanlagen.

Das Unternehmen hat seinen Sitz in einem modernisierten Dresdener Industriegebäude mit metergroßen Fenstern und hohen Decken. Einst wurden dort Schiffsturbinen hergestellt, heute arbeiten dort IT-Spezialisten und Elektroniker. Die schwarzen Computerkästen von Cloud & Heat sehen auf den ersten Blick aus wie gewöhnliche Serverschränke, doch in ihrem Inneren verlaufen dünne Wasserkanäle entlang der Prozessoren. „Wir führen 55 Grad warmes Wasser in die Server hinein, das sich dort dann auf 60 Grad erwärmt“, erläutert Röhrs gegenüber Gründerszene. Die Technik bestehe aus einem patentierten Pumpensystem, das auch bei schwankenden Rechnerleistungen konstant Wärme erzeugen soll. „Das Wasser kühlt den Rechner und gleichzeitig kann es zum Beheizen des Büro- oder Wohngebäudes genutzt werden“, so Röhrs weiter. Mit einem Serverschrank von Cloud & Heat ließe sich eine Heizleistung von bis zu 80 Kilowatt erreichen, um beispielsweise ein Gründerzeithaus mit mehreren Wohnungen zu versorgen.

Das Geschäftskonzept des 2011 aus der TU Dresden heraus gegründete Unternehmens sah ursprünglich vor, Cloud-Server dezentral als eine Art Heizung in private und öffentliche Häuser zu installieren. Cloud & Heat wollte die Serverkapazität vermarkten. „Es gab auch ausreichend Nachfrage nach der Wärmetechnik“, erzählt Röhrs, der seit 2014 die Geschäfte führt. Die Dresdner taten sich jedoch schwer ihre Cloud zu vermarkten und wandten sich stattdessen den Betreibern von Rechenzentren zu – mit Erfolg.

Mindestens 20.000 Euro für einen Schrank

Zu den Kunden zählen laut Röhrs sowohl mittelständische Unternehmen als auch internationale Konzerne, die für ihre eigene Cloud ein Rechenzentrum betreiben. Das sind beispielsweise Innogy und die Commerzbank-Tocher Commerz Real. Ein Serverschrank koste je nach Ausführung 20.000 Euro bis zu 200.000 Euro. Herkömmliche Schränke ohne Kühlsystem sind bereits für weniger als 1.000 Euro im Handel erhältlich. Das Cloud & Heat-System sei modular aufgebaut und ließe sich beliebig erweitern. Im vergangenen Jahr rüstete Cloud & Heat beispielsweise ein Rechenzentrum im Frankfurter Hochhaus Eurotheum aus. Drei Mal haben die Dresdner bereits den deutschen Rechenzentrumspreis gewonnen.

Ein Rechenzentrum in Frankfurt mit Schränken von Cloud & Heat

Doch warum werden in Deutschland die meisten neuen Rechenzentren noch gekühlt, anstatt selbst zu heizen? Der IT-Infrastrukturexperte Roman Bansen vom Branchenverband Bitkom sagt zu Gründerszene: „Aus ökologischer Sicht ist die Wasserkühlung der Luftkühlung bei weitem überlegen.“ Wirtschaftlich habe sich eine Umstellung trotz hoher Strompreise bisher oft nicht gelohnt. „Die Rechenzentren haben ihren Fokus vor allem auf die Datenverarbeitung gelegt, der Umweltgedanke stand nicht im Vordergrund“, so Bansen. Doch das ändert sich nach seiner Ansicht: „Zum einen gehen in Deutschland große Kohlekraftwerke, die günstige Abwärme liefern, vom Netz. Zum anderen werden beispielsweise durch Streaming-Dienste die Datenmengen und damit auch der Energiebedarf so groß, dass die Nutzung von Abwärme immer relevanter wird.“ 

Supercomputer können bis zu 300 Häuser beheizen

Auf diesen Trend setzt auch Cloud & Heat. „Durch Deep-Learning-Software, Künstliche Intelligenz oder Virtual Reality steigt das Datenvolumen so immens, dass es ökologisch inakzeptabel wird, die frei werdende Energie verpuffen zu lassen“, ist Röhrs sicher. Das Dresdner Startup bereitet sich drauf vor. Die Serienprodukte lässt das Unternehmen inzwischen in einer Foxconn-Fabrik in Tschechien fertigen. Das taiwanesische Unternehmen ist weltweit für seine iPhone-Fabriken in China bekannt. 

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Auch andere Hardware-Hersteller wie Dell und Lenevo bieten inzwischen Server mit integrierter Wasserkühlleitung an und sind damit als Zulieferer interessant. Das Premium-Sortiment von Cloud & Heat umfasst Supercomputer in Containern. Diese können an jedem beliebigen Ort der Welt aufgestellt werden und in der höchsten Leistungsstufe bis zu 300 Häuser beheizen. Inzwischen sind weltweit mehr als 1.000 Cloud & Heat-Server im Einsatz. Der Umsatz des Unternehmens mit aktuell 106 Mitarbeitern lag im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben bei 15,5 Millionen Euro.

Für das Wachstum haben 2018 der tschechische Energieriese CEZ und die Beteiligungsgesellschaft ETF Partners aus Großbritannien zehn Millionen Euro investiert. Seit 2016 ist der Leipziger Gaskonzern VNG Anteilseigner. Die Energiewirtschaft sieht Röhrs auch als „natürlichen Partner“ an. „Deutsche Energieversorger stehen für Verlässlichkeit und Sicherheit, beides ist auch bei Cloud-Anwendungen gefragt“, argumentiert Röhrs. „Das Feld muss nicht den US-Multis IBM, Amazon & Co. überlassen werden.“

Bild: Cloud & Heat