Das Brighter-AI-Team um Gründer Marian Gläser (2.v.l., 2. Reihe).

Eigentlich wollte Marian Gläser mit seinem Startup Brighter AI nur ein Produkt für bessere Sicht beim Autofahren entwickeln. Mit seinem Team baute der 32-Jährige eine Technologie, die aus Nachtaufnahmen von Infrarotkameras Bilder produziert, die aussehen wie am Tage. Auf Basis dieser Fotos lassen sich digitale Rückspiegel bauen oder Fahrassistenten optimieren. 

Inzwischen haben noch ganz andere Branchen als die Automobilindustrie Interesse an der Technologie des 2017 in Berlin gegründeten Startups – zum Beispiel der Einzelhandel. Ausgerechnet die Datenschutzgrundverordnung habe unverhofft einen neuen Anwendungsfall für Brigther AI geschaffen, sagt Gläser im Interview mit Gründerszene. 

Marian, du arbeitest in der Automobilbranche, besitzt selbst aber gar keine Fahrerlaubnis. Wirst du dort überhaupt ernst genommen?

Ja, da gibt’s keine Probleme. Damit bin ich auch nicht alleine – immer weniger junge Menschen machen einen Führerschein. Das haben auch die Automobilhersteller verstanden. Sie wissen, dass sie sich neu erfinden müssen, um den Anschluss an die Digitalisierung nicht zu verpassen.  

Um mit der Digitalisierung Schritt zu halten, fördern viele Autohersteller Startups. Auch ihr habt Unterstützung vom Unternehmen Hella bekommen. Warum ist eure Technologie für den Zulieferer interessant?

Theoretisch wird durch unsere Nachtsichtkonstruktion eine ganze Branche überflüssig. Sie ermöglicht Autofahrern bei Dunkelheit, Nässe oder Nebel eine bessere Sicht. Damit sind Scheinwerfer, die mehr als 400 Meter weit leuchten müssen, nicht mehr notwendig.

Wie genau funktioniert das?

Zum Einsatz kommen sogenannte Deep-Learning-Verfahren, eine Form von künstlicher Intelligenz: Schicht für Schicht wird ein Bild klarer und besser verständlich gemacht.

Wo kommt das System im Auto zum Einsatz?

Wir entwickeln beispielsweise digitale Rückspiegel oder Fahrassistenzsysteme für große deutsche Automobilhersteller, die dann serienmäßig in neuen Fahrzeugen verbaut werden sollen.

Mittlerweile habt ihr euer Geschäftsmodell erweitert.

Genau. Unsere Technologie ist auch für andere Branchen interessant. Sie kann genutzt werden, um Bilddaten zu anonymisieren. Seit Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung steigt die Nachfrage nach unserer Technologie.

Verfahren, mit denen sich Personen auf Bildern oder Kameraaufnahmen anonymisieren lassen, sind nicht neu. Durch schwarze Balken lassen sich schon lange Gesichter unkenntlich machen.

Das stimmt. Allerdings sind die Daten nach dieser Form der Anonymisierung für viele Zwecke unbrauchbar.

Wie meinst du das?

Dadurch, dass es eine Schwärzung im Bild gibt, lässt es sich nicht weiter analysieren, das Bildmaterial wird komplett unbrauchbar. Für Gesichter könnte es aber beispielsweise wichtig sein, zwar personenbezogene Daten zu löschen, Attribute wie Geschlecht und Alter dagegen für eine Analyse intakt zu halten. Mit unserem Werkzeug ist das möglich.

Wer setzt solche Analysen ein?

Neben der Autoindustrie ist ein Beispiel der Einzelhandel. Wenn die Basisinformationen wie Alter, Geschlecht und Emotionen weiter erkennbar sind, können Supermärkte und Möbelhäuser gezielter Marketing betreiben, das Sortiment verbessern oder die Ladenlogistik optimieren. Die Identität ist dann nicht mehr erkennbar – was im Sinne des Verbrauchers ist.

Unterm Strich spielt euch also die DSGVO in die Hände?

Ja, sie hat uns einen neuen Anwendungsfall geschaffen und damit neue Kunden gebracht – auch außerhalb der Automobilbranche.

Wie habt ihr euch eigentlich bis jetzt finanziert?

Neben dem Automobilhersteller Hella hat die IBB Beteiligungsgesellschaft und ein Business Angel in uns investiert. Insgesamt haben wir 650.000 Euro eingesammelt. Außerdem finanzieren wir uns durch unsere Einnahmen.

Wie geht es für euch jetzt weiter?

Um unsere Aufträge abarbeiten zu können und dafür weiter zu wachsen, sind wir auf der Suche nach Investoren, die uns mit Risikokapital unterstützen. Wir sind zuversichtlich, dass wir in einigen Wochen eine Finanzierungsrunde abschließen können.

Neben der Suche nach Kapital stellt die Suche nach neuen Mitarbeitern junge Unternehmen oft vor eine große Herausforderung. Spürt ihr das auch?

Nein. Wir bekommen viele gute Bewerbungen. Das liegt meiner Einschätzung nach daran, dass wir in dem relativ jungen Bereich der Künstlichen Intelligenz unterwegs sind. Das finden viele Techies spannend und möchten diese Technologie mit entwickeln.

Kürzlich wurdet ihr vom milliardenschweren Chiphersteller Nvidia mit einem Startup-Preis ausgezeichnet. Nach der Preisverleihung hattet ihr Gelegenheit, mit dem CEO zu sprechen. Was hast du aus dem Gespräch mitgenommen?

Wir sollten uns alle als Freiwillige sehen – also auch alle unsere Mitarbeiter. Allein wegen der Vision sollte man bei Brighter arbeiten, nicht des Geldes wegen. 

Bild: Brighter AI