Der Bitcoin und andere Kryptowährungen basieren auf einer hochentwickelten Computerverschlüsselung.

Der Bitcoin ist zurück. Weltweit erkennen immer mehr Akteure das Potenzial digitaler Währungen – oder zumindest jener Technologie, die Geldtransfers ohne Zentralbank, ohne Finanzminister und ohne Kreditinstitute möglich macht: der Blockchain. Doch Deutschland tut sich schwer damit, der neuen Kryptowelt einen rechtlichen Rahmen zu geben. Das macht die Umsetzung neuer Geschäftsmodelle und Innovationen schwer und schadet potenziell auch den Verbrauchern hierzulande.

Seit beinahe zwei Jahren arbeitet die Bundesregierung an einer nationalen Blockchain-Strategie. Eine solche war im Koalitionsvertrag in Aussicht gestellt worden, um die digitale Wirtschaft zu fördern. Bitcoin und andere Kryptoanwendungen basieren auf einer hochentwickelten Computerverschlüsselung, mit der sich Eigentum im World Wide Web zweifelsfrei und sicher übertragen lässt.

Das ermöglicht eine breite Palette von Geschäftsmodellen, nicht nur, aber gerade auch im Finanzsektor. Kenner der Materie fürchten, dass die Bundesrepublik bei einer weiteren Zukunftstechnik zurück bleibt. Auch die Opposition kritisiert das mangelnde Tempo, das die Bundesregierung an den Tag legt. Denn über ein schlichtes Positionspapier ist die große Koalition bisher noch nicht hinausgekommen.

Verspielt Deutschland seine Chance?

„Die Regierung verschläft die Entwicklung, die dann ohne uns stattfindet. Dabei suchen viele Investoren und Gründer gerade einen international anerkannten Finanzplatz für ihre Investitionen“, sagt Frank Schäffler, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Steuern und Finanzen der FDP-Fraktion im Bundestag. Bei der Blockchain habe Deutschland eine enorme Chance, international zu punkten. Diese Chance drohe verspielt zu werden.

Auch der Finanzexperte Danyal Bayaz, der Bündnis 90/Die Grünen im Finanzausschuss des Bundestages vertritt, kritisiert den Regulierungsrückstand: „Andere Länder sind weiter und versuchen die Potenziale der Technologie stärker zu nutzen.“ Finanz- und Wirtschaftsministerium sollten endlich aktiv handeln, statt weiter nur zu evaluieren und anzukündigen, fordert Bayaz. Klare Rahmenbedingungen seien sowohl für die Innovationsfähigkeit als auch für die Sicherheit nötig.

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Auch wenn Experten der Blockchain-Technologie äußerst interessante Anwendungsmöglichkeiten zutrauen, lassen sich die Risiken nicht leugnen. „Geldwäsche und andere betrügerische Aktivitäten sind ein Problem im Bereich sogenannter Krypto-Assets“, erklärt Grünen-Politiker Bayaz. Für ihn erhöhen „Unentschlossenheit und mangelnde strategische Weitsicht“ der Bundesregierung diese Risiken.

Bitcoin in der Kritik

Aus seiner Sicht verhindert die fehlende Rechtssicherheit innovative Ansätze gerade im Kampf gegen Geldwäsche oder Betrug mittels Blockchain. „Bei weiterer Untätigkeit droht die Gefahr, dass die Blockchain auf den klimaschädlichen und extrem spekulativen Bitcoin reduziert wird“, sagt Bayaz.

Der Kurs der bekanntesten Kryptowährung war vergangenes Jahr von mehr als 15.000 Euro auf unter 3000 Euro abgestürzt. Dieses Jahr hat sich das 2009 für den Gegenwert von einigen Cent eingeführte Internetgeld im Preis mehr als verdoppelt, auf zuletzt knapp 8000 Euro. Der Bitcoin ist jedoch auch deshalb in der Kritik, weil die Erzeugung auf Computern – das sogenannte Schürfen – viel Energie verbraucht.

Der großen Koalition sind die Missbrauchsgefahren durchaus bewusst, auch wenn sie wohl nicht so enorm sind, wie es manche Politiker suggerieren, die mit diesem Neuland der digitalen Währungen nichts anzufangen wissen.

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„Der weltweite Umfang der Geldwäsche durch Kryptowerte bewegt sich nach Einschätzung der Bundesregierung im unteren einstelligen Prozentbereich des Gesamtumfangs der weltweiten Geldwäsche“, heißt es in der Antwort des Finanzministeriums auf eine parlamentarische Anfrage von FDP-Experte Frank Schäffler. WELT liegt das Antwortschreiben vor, das von der Parlamentarischen Staatssekretärin Christine Lambrecht unterzeichnet ist.

In dem Schreiben heißt es weiter, dass die deutsche Finanzaufsicht BaFin keine Kenntnis von größeren kriminellen Machenschaften im Zusammenhang mit Bitcoin und anderen digitalen Währungen habe: „Der BaFin liegen keine Informationen vor, dass es zu Cybervorfällen auf Handelsplattformen für Krypto-Assets in Deutschland gekommen ist. Dies gilt auch für Marktmanipulationen.“

Kriminelle Aktivitäten im Zusammenhang mit Bitcoin und Co. seien zwar bekannt, würden statistisch aber nicht erfasst. Insgesamt betont die Bundesregierung, dass es eines international koordinierten Vorgehens im Umgang mit Krypto-Assets bedürfe – da diese ja international handelbar seien.

Nährboden für illegale Machenschaften

Für Marktkenner Schäffler reicht das bei Weitem nicht aus. „Die Bundesregierung darf sich nicht zu stark darauf verlassen, dass auf internationaler Ebene gegen die Möglichkeiten des Missbrauchs von Krypto-Assets vorgegangen wird. Es muss endlich auch ein nationaler Rechtsrahmen für die Blockchain-Technologie geschaffen werden“, fordert der Liberale. Deutschland laufe sonst Gefahr, Kriminellen den Nährboden für illegale Machenschaften zu liefern und seriöse Unternehmen an das Ausland zu verlieren.

Auch die hiesigen Unternehmen beklagen die unklaren Rahmenbedingungen, die dem Finanzstandort abträglich sind: „Das regulatorische Umfeld hat sich nicht gebessert, außer dass es jetzt nach acht Jahren ein Positionspapier der Bundesregierung gibt“, rekapituliert Oliver Flaskämper, Geschäftsführer des führenden deutschen Kryptohandelsplatzes Bitcoin.de.

Andere EU-Länder wie zum Beispiel Malta hätten bereits Gesetze verabschiedet und unterstützen die Entwicklung ihrer Krypto- und Blockchain-Unternehmen aktiv. „Schade, dass Deutschland wieder mal nur reagiert, statt eine aktive Führungsrolle bei dieser zukunftsweisenden Technologie einzunehmen“, sagt Flaskämper.

Während viele Blockchain-Anwendungen noch in der Entwicklung oder sogar Zukunftsmusik sind, hat sich rund um Kryptowährungen bereits ein reger Handel entwickelt. Bitcoin, Ethereum, Ripple und andere digitale Münzen haben aktuell einen Marktwert von gut 240 Milliarden Euro, wie aus Daten des Portals Coinmarketcap.com hervorgeht.

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Nach einem Kursrutsch im Jahr 2018 haben Kryptowährungen dieses Jahr eine Renaissance erlebt. Verstärkt nutzen auch große Vermögensverwalter, Fonds und Family-Offices Bitcoin & Co. als alternative Anlageklassen (Assets), um ihr Portfolio zu diversifizieren.

„Die institutionellen Investoren steigen ein, und es werden noch deutlich mehr erwartet, wenn der Vermögensverwalter Fidelity in den USA seinen Trading Desk startet“, erklärt Flaskämper von Bitcoin.de. Kürzlich hat die schweizerische Vontobel Bank das Marktvolumen des Bitcoin-Partizipationszertifikats deutlich erhöht.

„Augenscheinlich ist die Nachfrage so stark gestiegen“, sagt Flaskämper. Auch Bitcoin.de verzeichnet nach seinen Angaben stark steigende Handelsvolumina und zunehmende Anfragen von institutionellen Investoren: „Der Markt ist nach zehn Jahren erwachsen, und die Stimmen der Kritiker sind deutlich leiser geworden.“

Zugleich bleiben viele Fragen ungelöst. Bitcoin ist womöglich nur die Pioniertechnik einer digitalen Revolution. Hier könnte Deutschland, das Land der Ingenieure, aber auch der Normierung und des Datenschutzes, eigentlich durch Zuverlässigkeit und klare Rahmenbedingungen punkten: „An den Finanzmärkten hat Vertrauen einen besonderen Stellenwert. Dazu gehört der Schutz vor Betrug, Geldwäsche und dem Missbrauch von Kundendaten“, betont Grünen-Politiker Bayaz.

Wenn die Bundesregierung ihren Ankündigungen nicht bald Taten folgen lasse, drohe der noch jungen, aber sehr dynamischen Blockchain-Industrie eine Abwanderung ins Ausland: „Wer technologische Standards setzen möchte, braucht ein starkes und innovatives Ökosystem der jeweiligen Branche vor der eigenen Haustür“, so Bayaz. Verbraucher- und Datenschutz dürften nicht vernachlässigt werden. Doch nichts anderes geschieht in Deutschland derzeit.

Dieser Artikel erschien zuerst auf Welt.de.

Bild: KTSDESIGN/Getty Images