In der Robotik sieht Jörg Bienert deutsche Unternehmen gut aufgestellt.
In der Robotik sieht Jörg Bienert deutsche Unternehmen gut aufgestellt.

Der Bundesverband Künstliche Intelligenz hat sich im März 2018 gegründet. Sein Ziel ist es, Deutschland als Wirtschaftsstandort im globalen KI-Ökosystem zu etablieren. Der Präsident des Verbandes, Jörg Bienert, hat uns erklärt, wie er das schaffen will und wie weit der Verband damit schon ist.

Herr Bienert, im Juni dieses Jahres hat Ihr Bundesverband einen 9-Punkte-Plan vorgelegt, um KI in Deutschland zu stärken. Wie fielen die Reaktionen aus der Politik aus?

Dort sind wir auf offene Ohren gestoßen. Wir haben sehr viel Rückmeldung bekommen! Aber jetzt muss man diesen guten Willen in konkrete Maßnahmen umsetzen.

Jörg Bienert

Jörg Bienert leitet den KI-Bundesverband

Was machen Sie denn konkret, um sich im politischen Berlin Gehör zu verschaffen?

Wir sprechen mit Entscheidern in den verschiedensten Funktionen. Wir nehmen an vielen Workshops und Diskussionsrunden teil. Vor drei Wochen waren wir zum Beispiel bei Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU). Und wir stehen mit Ansprechpartnern in verschiedensten Bundesministerien im Dialog. Es besteht natürlich auch ein enger Draht zu Bundestagsabgeordneten und voraussichtlich werden wir auch Teilnehmer in die Enquete Kommission entsenden, die das Thema KI für die Bundesregierung grundlegend untersuchen soll.

Diese Kommission legt ihre Ergebnisse erst 2020 vor. Trotzdem hat Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) schon im Juli eine KI-Strategie präsentiert. Wissen Sie, woran Sie sich orientieren sollen?

Das Strategiepapier vom Juli ist ein Instrument der Bundesregierung, die Enquete Kommission eines des Parlaments. Dort werden also auch alle Fraktionen einbezogen. Für uns zählt aktuell vor allem das Strategiepapier: Die grobe Richtung stimmt und wir finden viele Punkte wieder, die wir auch in unserem 9-Punkte Plan angeregt haben. Jetzt soll aus diesem Dokument bis Anfang Dezember eine umfassende Strategie entwickelt werden und wir werden uns vom Bundesverband KI aktiv in diesen Prozess einbringen. 

Nach 15 Jahren als Angestellter in IT-Unternehmen gründete Jörg Bienert 2011 das Datenanalyse-Startup Parstream. Vier Jahre später verkaufte er es für eine unbekannte Summe an den US-Konzern Cisco. Im Mai 2017 startete er mit Aiso Lab ein neues Unternehmen. Mit diesem Startup entwickelt er KI-Software für mittelständische Betriebe. Der heute 51-Jährige ist Präsident des KI Bundesverbandes seit dessen Gründung. 

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In Ihrem 9-Punkte-Plan fordern Sie Maßnahmen etwa im Bereich der Startup-Förderung, die Sie teilweise mit fünf Milliarden Euro beziffern. Wo soll das ganze Geld denn hinfließen?

Als KI-Bundesverband schlagen wir für die Verteilung von Investitionen ein Pyramiden-Modell vor, das folgendermaßen aussehen könnte: Ganz oben stehen Exzellenzforschungscluster, die mit mehreren 100 Millionen Euro pro Jahr gefördert werden sollten. Darunter folgen Großprojekte mit circa zehn Millionen Unterstützung nach dem Moonshot Prinzip (große Visionen fördern, Anm. d. Red.). Danach 100 Startup- und KMU-Projekte mit einer Förderungssumme von ein bis drei Millionen. Weiter ginge es mit der unbürokratischen Förderung von 1000 Forschungseinrichtungen, Promotionen und einzelnen Forschern, die jeweils um die 100.000 Euro bekämen und dann noch 10.000 Maßnahmen für Aus- und Weiterbildung für Schüler, Studenten und Arbeitnehmner etwa für die Bereitstellung von Online-Lernprogrammen, die jeweils 10.000 erhielten. So hätten man ein klares Verteilungssystem, das alle wichtigen Bereiche abdeckt.

Sind es denn die Startups oder Forschungsabteilungen großer Konzerne, die den Umgang mit KI in Deutschland prägen werden?

Wir müssen bei Fördermaßnahmen neue Wege gehen. Es darf nicht passieren, dass nur große Industrieprojekte mit viel Geld gefördert werden. Oder dass Forschungseinrichtungen und große Unternehmen Geld vom Staat bekommen, das sie dann in Technologien stecken, die nur dieses Unternehmen selbst einsetzen kann. Es muss ein Umdenken stattfinden, dass es ohne Startups nicht geht. Wir brauchen neue Unternehmen, die aus KI-Ideen skalierbare Geschäftsmodelle machen. Sonst machen es die anderen.

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China oder die USA sind in vielen Bereichen bereits Vorreiter. Wo könnte Deutschland denn Weltmarktführer werden?

Im Bereich der KI auf allgemein verfügbaren Daten zum Beispiel aus dem Internet haben Google, Amazon und Microsoft ganz klar die Nase vorn. Aber im Bereich von industriellen Daten etwa aus Maschinen hat Deutschland gute Voraussetzungen führend zu werden. Hier wird die KI für sehr spezifische Aufgaben in der Industrie eingesetzt. Und etwa im Bereich der Robotik steht Deutschland gut da. Dieses Potential muss aber auch dringend genutzt werden, denn wenn hier die Chancen von Deutschland nicht genutzt werden, bekommen wir ein gesamtwirtschaftliches Problem.

 

Spüren Sie bei deutschen Konzernen den Willen, in Deutschland zu forschen? Wenn die Rahmenbedingungen in China oder den USA besser sind, wäre das ja auch dort möglich.

Pauschal kann man das nicht sagen. Aber es gibt schon eine Reihe von deutschen Konzernen, gerade in der Automobilindustrie, die hier sehr aktiv sind. Die wichtigste Fragen ist dabei: Sind deutsche Konzerne bereit, im globalen Wettbewerb um Ressourcen mitzuhalten? Und damit meine ich vor allem menschliche Ressourcen. Es muss endlich erkannt werden, wie wichtig ein guter Data Scientist für den Erfolg von Projekten ist.

Was ist bei Ihrer Mission denn der größte Bremsklotz? Fehlendes Geld? Politiker von gestern? Konkurrierende Lobbyverbände?

Nein, die Industrie geht da größtenteils in die selbe Richtung. Entbürokratisierung in der Forschungsförderungen wäre wichtig, damit nicht ein großer Teil der Arbeitszeit für Papierkram aufgewendet werden muss. Und Deutschland muss risikofreudiger werden. Wenn auch manche Ideen scheitern werden, führen die anderen vielleicht zu umso mehr Erfolg. Deutsche müssen da mehr denken wie ein VC. Von zehn Projekten wird vielleicht nur eines erfolgreich. Das wird aber so profitabel, dass es die Gesamtinvestitionen rechtfertigt.

Bilder: Getty Images / Hero Images