Für Michael Haag steht immer die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine im Vordergrund.

Die Firma Kuka mit Sitz in Augsburg gehört zu den führenden Herstellern von Industrierobotern. Die Entwickler dort sind jeden Tag damit beschäftigt, ihre Maschinen intelligenter zu machen. Wir haben mit Michael Haag gesprochen, er ist Head of System-Architecture in der Forschung und Entwicklung von Kuka. Er hat uns verraten, wo Deutschland aus seiner Sicht in Sachen Künstliche Intelligenz (KI) im internationalen Vergleich steht und ob KI eher eine Bedrohung oder eine Chance darstellt.

Herr Haag, sind Ihre Roboter intelligent?

Wir wenden Methoden der Künstlichen Intelligenz an – und zwar dort, wo es sinnvoll ist. Wenn es beispielsweise für gewisse Zusammenhänge schon gute mathematische und physikalische Modelle gibt, dann braucht man diese Zusammenhänge nicht erst aufwendig mittels KI zu lernen. Beim Durchforsten großer Datenmengen, bei komplexen Optimierungsproblemen oder bei kognitiven Aufgaben hilft die KI. Ein Erfolgsfaktor besteht darin, das eigene Domänen-Know-How mit den KI-Ansätzen zu kombinieren. 

Müssen Ihre Roboter in Zukunft Künstliche Intelligenz besitzen?

In vielen Bereichen des täglichen Lebens hat KI bereits spektakuläre Erfolge erzielt, die mit konventionellen Ansätzen nur schwer bis gar nicht lösbar waren. Dazu zählen die Bild- und Spracherkennung, Service-Hotlines oder sicheres Bezahlen mit Kreditkarten durch automatisches Sperren bei ungewöhnlichen Transaktionen. In vielen dieser Beispiele kommt KI in der Mensch-Maschine-Interaktion zum Tragen. Genau so wird sich die Interaktion von Mensch und Roboter, die heute noch durch explizites Programmieren und händisches Verfahren mittels eines Bediengerätes geprägt ist, durch KI verändern.

Michael Haag ist zuständig für die Entwicklung der System-Architektur bei Kuka.

Der Umgang mit Robotern wird leichter und ist nicht nur Experten vorbehalten, wodurch sich neue Anwendungsfelder für Roboter ergeben werden. Im laufenden Betrieb geht es um die Erhöhung der Produktivität und Verfügbarkeit durch KI-basierte Optimierung der Prozessqualität, der Taktzeit, des Energieverbrauchs, der Wartungsintervalle. Eine höhere Flexibilität in der Produktion erreichen wir durch Bildauswertung und andere adaptive Lösungen, die auf Veränderungen in der Produktionsumgebung reagieren können.

Auf welchen neuen Gebieten ist zukünftig ein Einsatz von Robotern denkbar, wenn sie noch intelligenter werden?

KI kann zur „Demokratisierung“ der Robotik beitragen. Auch kleinere und mittlere Unternehmen können so trotz kleinerer Stückzahlen von der Qualität und Produktivität roboterbasierter Automatisierungslösungen profitieren. Ebenso werden sich Einsatzfelder außerhalb der Produktion ergeben, wie in der professionellen Service-Robotik in Krankenhäusern, Hotels oder auf Flughäfen, aber auch im häuslichen Umfeld, im Entertainment-Bereich oder in der Pflege.

Welche Jobs könnten in Zukunft durch Roboter übernommen werden?

Letztlich geht es darum, die komplementären Eigenschaften von Mensch und Maschine optimal zu kombinieren. So können Roboter sehr wohl den Menschen unterstützen beziehungsweise entlasten und etwa unergonomische, gesundheitsschädliche oder repetitive Aufgaben übernehmen. Gerade auch vor dem Hintergrund des demographischen Wandels. Andererseits ist der Mensch nach wie vor bei Aufgaben überlegen, die große Kreativität oder überragende Wahrnehmungsfähigkeiten erfordern. Wichtig ist das Zusammenspiel. Auch außerhalb der Produktionswelt gibt es genügend Aufgaben, für die absehbar nicht mehr genügend Menschen gewonnen werden können, beispielsweise in der Pflege. Stets geht es also darum, den Menschen zu unterstützen.

Welches Land ist bei der Entwicklung von Robotern führend? Wo steht Deutschland?

Klassischerweise hat sich gerade in solchen Ländern die Robotik stark entwickelt, die einen hohen Automatisierungsbedarf aufweisen, sei es aufgrund einer ausgeprägten Automobilindustrie als Schrittmacher in der Produktionstechnik oder aufgrund hoher Qualitäts- und Produktivitätsanforderungen. Hierzu zählen Deutschland, Japan, Korea und Skandinavien. Die größten Industrieroboterhersteller kommen nicht zufällig aus diesen Ländern. Auch die Robotik-Forschungslandschaft ist hier besonders ausgeprägt, ebenso wie in den USA, gerade auch in Kombination mit Künstlicher Intelligenz.

Kuka ist von einem chinesischen Konzern übernommen worden. Was bedeutet diese Übernahme für den Industriestandort Deutschland?

Kuka ist nach wie vor eine deutsche Firma mit deutscher DNA, die Kuka-Kultur bleibt bestehen. Mit unserem Mehrheits-Eigentümer Midea haben wir einen starken Partner, der uns bei der Ausweitung unseres Geschäftes in China helfen wird. Und unser globaler Erfolg sichert auch regional Arbeitsplätze. In den kommenden Jahren steckt Kuka mehr als 100 Millionen Euro in die Erweiterung und Modernisierung des Augsburger Hauptquartiers. Dort arbeitet auch ein 800 Mitarbeiter starkes Entwickler-Team an Innovationen.

Arbeitet Kuka mit Startups zusammen? Wenn ja, welche sind das?

Investitionen in Startups sind eine gute Möglichkeit, von neuen Trends zu profitieren. Auf der anderen Seite können junge Firmen von unserer langjährigen Erfahrung und unseren Kundenbeziehungen, aber auch vom großen globalen Vertriebs- und Servicenetz profitieren. KI-Anwendungen brauchen nicht nur Unmengen von Daten, sondern auch die richtigen Daten. Hier sitzen wir bei Kuka genau an der richtigen Schnittstelle. Wir setzen auf Kooperationen mit Startups und spezialisierten Partnern. Beispielsweise arbeiten wir im Bereich 3D-Vision mit dem Münchner Startup Roboception zusammen. 

Wie beurteilen Sie die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz? Wo stehen wir? Was können wir erwarten? Müssen wir Angst davor haben?

Meiner Meinung nach können wir es uns nicht erlauben, auf die Entwicklungen der Künstlichen Intelligenz zu verzichten. Die Fortschritte in diesem Bereich sind in der Tat beeindruckend, zum Beispiel beim autonomen Fahren. Es wird zu weniger Verkehrsunfällen führen und den Energieverbrauch senken, wir werden Fortschritte in der Medizin sehen, wir werden weniger Lebenszeit mit langweiligen Routineaufgaben verbringen, wir werden unsere Lebensqualität bis ins hohe Alter erhalten.

Ganz entscheidend ist jedoch, dass sowohl die KI als auch die Robotik keinen Selbstzweck darstellen, sondern immer den Menschen unterstützen sollen. Der Mensch ist in der Lage, sich tolle Algorithmen auszudenken. Er wird sich aber nicht von diesen ersetzen lassen. Letztlich muss stets der Mensch die Maschine beherrschen, und niemals umgekehrt.

Bilder: Kuka