Ibindo-Gründerin Melanie Walter mit ihrem Team.
Ibindo-Gründerin Melanie Walter mit ihrem Team.

„Gut, dass Du momentan von Tom fernbleibst. Du brauchst die Pause.“ Diese Nachricht klingt wie ein typischer Ratschlag von Freundin zu Freundin, wenn die eine gerade Liebeskummer hat. Nur, dass die Nachricht nicht von einer Freundin kommt – sondern von einem Bot. Genauer: dem Liebeskummer-Chatbot Ibindo.

Per Facebook-Chat können Herzschmerzgeplagte mit Ibindo in Kontakt treten – der Name steht übrigens für das österreichisch ausgesprochene „Ich bin da“. Der Bot stellt sich mit den Worten „Ich hol Dich da da raus! Liebeskummer ist genau meine Baustelle“ vor. Anschließend stellt er Fragen. Wie der oder die Ex hieß. Wer von beiden Schluss gemacht hat. Und, ob noch Kontakt zu ihm oder ihr besteht.

Chatbot fragen statt bei der Therapeutin anrufen

„Diagnose“ nennt Melanie Walter diese Phase der Kommunikation zwischen Bot und Nutzer. Sie ist die Gründerin von Ibindo und Expertin in ihrem Metier: Walter arbeitet als Therapeutin – vorrangig mit Personen, die an Liebeskummer leiden. Die Idee zum Chatbot kam ihr, weil sie merkte, dass ihre Klienten gerne auch außerhalb der Therapiesitzungen mit ihr über ihre Probleme sprechen wollten, erzählt sie im Gespräch mit Gründerszene. „Am liebsten zu jeder Tages- und Nachtzeit. Da dachte ich, ich brauche einen Liebeskummer-Bot.“

Die Grundlagen in Sachen Chatbot hatte Walter da bereits bei einem mehrwöchigen Chatbot-Kurs in Wien gelernt. Mit einem Freeware-Programm bauten sie und ihr Mitgründer Michael Nigsch die erste Version von Ibindo und bewarben sich damit beim österreichischen KI-Accelerator The Ventury. Die Idee kam an: Ab November 2017 konnten Walter und Nigsch ihren Chatbot ein halbes Jahr lang mithilfe des Inkubators technisch neu aufsetzen. Ins Team holten sie in dieser Zeit auch einen Programmierer und einen Copywriter. „Er übersetzt meinen Therapeutensprech in lockere Sprache“, erklärt Walter.

In der Umsetzung liest sich das dann in etwa so:

Bot: „Welche Gefühle treffen auf Dich zu? Hau mal bitte alles raus, nur Mut.“
Nutzer: „Einsamkeit und Wut“
„Easy, das ist völlig verständlich in Deiner Lage. Hat jeder Mensch. (…) Mal geht’s Dir wieder besser, und dann biste evtl. wieder down.“

Oder so:

„Coolio! Letzte Frage für heute. Hast Du selbst wieder Bock, Neues auszuprobieren, vielleicht neue Leute kennenzulernen? Oder ist das noch zu früh?“
„Das ist noch zu früh.“
„Easy, wollte Dich nicht pushen. Das kommt schon wieder.“

Den Ex-Freund stalken ist tabu

Auch, wenn es sich so liest: Was Ibindo von sich gibt, ist kein oberflächliches Gerede. Dahinter stehen Elemente aus der sogenannten Dialektisch-Behavioralen Therapie sowie der systemischen Therapie. „Je nachdem, was der Nutzer bei der Diagnose angibt, fährt der Bot unterschiedliche Programme“, sagt Walter. „Wer angibt, dass er noch Hoffnung hat, wird erstmal durch ein Leugnungsprogramm geschickt.“ 

Das heißt: Er oder sie soll das Beziehungsende akzeptieren anstatt es zu leugnen. Dafür sei wichtig, sich vom Partner abzunabeln, sagt Walter. Gebe eine Nutzerin an, dass sie es trotz Trennung nicht lassen kann, ihrem Ex-Freund täglich zu schreiben, empfiehlt der Bot, sich stattdessen einfach an Ibindo zu wenden.

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Social-Media-Profile der Ex-Freundin zu stalken, ist für Ibindo ebenfalls tabu. Wer zugibt, das zu tun, bekommt vom Bot den Auftrag, es zumindest zwei Tage lang zu unterlassen. Sind die zwei Tage vorbei, fragt Ibindo nach, ob es gelungen ist. Eine andere Übung ist es, ein Freudetagebuch zu führen. „Man soll aufschreiben, was heute gut lief, obwohl es einem schlecht geht“, sagt Walter. Das helfe, über negative Gefühle wie Trauer oder Verzweiflung hinwegzukommen.

Ist Liebeskummer ernster als die meisten denken? 

Übungen wie diese trägt Ibindo den Liebeskummer-Kranken einmal täglich auf. Dazwischen spuckt der Bot generelle Infos zu Liebeskummer aus. Etwa, dass Liebeskummer vier Phasen hat: Leugnung, aufbrechende Gefühle, Neuorientierung und Neubeginn. „Psychoedukativ“ nennt Walter diese Teile der Bot-Kommunikation. Aber agieren alle Personen bei Liebeskummer ähnlich, sodass sie mit demselben Bot behandelt werden können? „Liebeskummer verläuft tatsächlich immer nach einem Muster“, sagt Walter. Etwa ein Jahr dauerte es durchschnittlich, bis alle vier Phasen durchlaufen sind.

Unterschätzen sollte man Liebeskummer nicht: Insbesondere bei Jugendlichen könne er zu Depression oder Selbstmordgedanken führen. Eine der ersten Nachrichten, die der Bot sendet, ist daher „Sollte es Dir so schlecht gehen, dass Du daran denkst, Dir das Leben zu nehmen, bitte ruf sofort den Notruf an.“ Die Ibindo-Nutzer sind laut Walter aber keineswegs nur Teenies, sondern zwischen 15 und 40 Jahre alt. Wie viele Personen den kostenlosen Chatbot schon genutzt haben, seit Walter und ihr Team ihn im Mai 2018 veröffentlichten, verrät die Gründerin nicht.

Nach 30 Tagen macht der Chatbot Schluss 

Nun will Walter mit einer groß angelegten Studie beweisen, dass die Nutzung von Ibindo tatsächlich bei der Behandlung von Liebeskummer hilft. Dazu sei sie gerade in Gesprächen mit Universitäten, sagt sie. Doch selbst wenn er das nachgewiesenermaßen tut: Gespräche mit echten Menschen ersetzt der Bot nicht. „Er soll keine Therapeutin, keinen Freund oder keine Mutter ersetzen. Aber er kann vielleicht andere Tipps geben als Freunde, die nur sagen ,Ich wusste eh, dass der Kerl nichts für dich ist‘“, sagt Walter.

Sie selbst ist überzeugt von ihrem Bot. Ein kleines Problem ist da aber noch: Wie sie mit Ibindo einmal Geld verdienen möchte, weiß Walter nicht genau. „Wir haben einige Ideen, aber wollen erstmal das Produkt voranbringen“, sagt sie. Derzeit arbeiten sie und ihr Team noch Vollzeit in ihren alten Jobs, Ibindo machen sie nur nebenbei. Auf der To-Do-Liste steht nun neben der Wirksamkeitsstudie, den Bot so weiterzuentwickeln, dass Nutzer langfristig mit ihm plaudern können. Momentan hat Ibindo alle seine Ratschläge nach 30 Tagen ausgeteilt – dann hört er auf, sich täglich bei seinen Liebeskummer-geplagten Nutzern zu melden.

Bild: Ibindo