Momentan fliegen etwa 2.000 aktive Satelliten um die Erde.

In der TV-Serie „Raumschiff Enterprise“ nutzt die Crew um Captain James T. Kirk für Außeneinsätze zu fremden Planeten häufig sogenannte Shuttle. Mittels eines Ionenantriebs fliegen die Raumgleiter geräusch- und emissionslos durchs All – lediglich ein blaues Licht ist zu sehen. Science-Fiction. Doch Ionentriebwerke werden schon heute zur Steuerung von Satelliten eingesetzt. „Wir haben nun den kleinsten Satellitenantrieb der Welt entwickelt“, sagt Daniel Bock. Der Gründer und Geschäftsführer des Startups Morpheus Space aus Dresden hält ein Triebwerk in Größe einer Fingerkuppe zwischen Daumen und Zeigefinger.

Aktuell fliegen etwa 2.000 aktive Satelliten um die Erde. Viele sind so groß wie ein Kleinwagen und kosten teilweise rund 100 Millionen Euro. Gesteuert werden sie mit unterschiedlichen Gasantrieben. Die teuren Hightech-Geräte bekommen jedoch zunehmend Konkurrenz durch schuhkartongroße Nano-Satelliten. Diese kosten nur einen Bruchteil der großen Geräte. „Heute machen diese Kleinsatelliten Aufnahmen etwa für die Landwirtschaft oder die Schifffahrt“, erklärt Bock.

Auf dem Pico-Satelliten „UWE-4“ der Uni Würzburg wird der Antrieb derzeit getestet.

Laut der Research-Plattform Markets and Markets könnte der Markt für die kleinen Satelliten von 1,2 Milliarden US-Dollar im Jahr 2017 auf 3,5 Milliarden US-Dollar im Jahr 2022 wachsen. Die Zahl der Satelliten würde sich verzehnfachen. Dafür sind jedoch zwei Herausforderungen zu bewältigen: Bisher gab es keine Steuerungssysteme für diese Nano-Satelliten, um sie nach dem Raketenabwurf ferngesteuert zu positionieren. Zudem fliegen sie nach ihrer Funktionsdauer von zwei bis drei Jahren oft noch Jahrzehnte als gefährlicher Weltraumschrott durch das All.

Das im Juni 2018 gegründete Unternehmen Morpheus Space, ein Spin-off aus dem Institut für Luft- und Raumfahrttechnik der Technischen Universität Dresden, bringt nun eine Antriebstechnologie auf den Markt, um die Probleme zu lösen. Der 32-jährige Bock arbeitet schon seit sieben Jahren daran. „Als Treibstoff wird das Metall Gallium verwendet“, erklärt der Wissenschaftler. Dieses werde ionisiert, die Ionen würden anschließend durch ein elektrisches Feld beschleunigt, umreißt Bock die Funktionsweise. Das System zeichne sich dadurch aus, dass es extrem klein und sehr effizient sei. „Wir können den Satelliten so mehrere Jahre antreiben und damit steuern.“

Seit Februar 2019 wird das Antriebssystem im All erprobt. Die Universität Würzburg hat dafür im Dezember 2018 vom russischen Weltraumbahnhof Wostotschny den Pico-Satelliten „UWE-4“, der ein Kilogramm wiegt, ins All gebracht. Der Experimentalsatellit ist mit vier kleinen Triebwerken von Morpheus Space bestückt. „Der Ionenantrieb aus Dresden funktioniert“, sagt Professor Klaus Schilling vom Lehrstuhl für Robotik und Telematik. Durch den Miniatur-Antrieb wird sich die Umlaufbahn des Satelliten im Orbit gezielt verändern lassen. Nach Angaben von Schilling soll in künftigen Missionen auch getestet werden, die Kleinst-Satelliten mit anderen zu vernetzen, „damit sie im Verbund zusammenarbeiten“.

Morpheus-Space-Gründer Daniel Bock

Das ist auch Ziel von Bock und seinem fünfköpfigen Gründerteam: „Wir arbeiten daran, die Antriebstechnologie intelligent zu machen.“ Die Kunden sollten nur noch angeben, welche Position der Satellit einnehmen soll. Durch ein Softwaresystem sollen die Satelliten-Betreiber weniger hochqualifiziertes Personal für die Steuerung benötigen. Gelingt es, Nanosatelliten in einem Netzwerk zusammenzuführen, könnten sie auch großen Satelliten Konkurrenz machen. Der Vorteil: Fällt eine Komponente aus, lässt diese sich vergleichsweise kostengünstig ersetzen. Auch wenn der Ionenantrieb derzeit bei Nanosatelliten getestet wird, hält Bock den Antrieb bei jeder Art von Satelliten für einsetzbar. „Wir können unsere kleinen Triebwerke in beliebiger Zahl aufmontieren“, sagt der Forscher.

Ein weiterer positiver Effekt der neuen Antriebstechnologie ist, dass nicht mehr benötigte Satelliten kontrolliert in der Erdatmosphäre zum Verglühen gebracht werden können. „Ausrangierte kleine Satelliten sind derzeit noch Weltraumschrott, der andere Satelliten oder die Weltraumstation ISS gefährdet“, sagt Bock. Durch den Ionenantrieb seien künftig zudem auch Ausweichmanöver der kleinen Satelliten möglich.

Als potenzielle Kunden von Morpheus Space sieht der Firmenchef die Satellitenhersteller und auch die Betreiber mit Sitz in Europa, Asien und den USA. Laut Bock hat das Unternehmen bei den Nano-Satelliten nur wenige Konkurrenten: „Auch andere Startups arbeiten an dem Thema, doch die große Mehrheit befindet sich technisch in einer frühen Entwicklungsphase.“ Vor allem auf Messen und Raumfahrtfachtagungen werben die Dresdner nun für ihr Produkt.

Die Ausgründung aus der Universität geschah über das Bundesprogramm Exist-Forschungstransfer, das eine Anschubfinanzierung sicherte. Nach Angaben von Bock habe man nun Kontakt zu potenziellen Investoren aufgenommen. Der Geschäftsführer selbst befindet sich derzeit in den USA, um auch dort Gespräche zu führen. Die Entscheidungsprozesse in der Raumfahrt-Industrie sind mitunter langwierig, das hält die Dresdner nicht davon ab, ihre Ziele hoch zu stecken.

Der Firmenname Morpheus ist angelehnt an den griechischen Gott der Träume und Gestaltwandlung. Zum einen sollen kleine Satelliten durch eine Steuerung und Vernetzung ihre Funktionen erweitern und verändern können. Zum anderen ist Bock davon überzeugt, dass der Ionenantrieb die Satelliten-Branche revolutionieren wird. „In Kosten und Effizienz ist er bestehenden Systemen überlegen.“

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Bilder:Erik Simonsen/Getty Images (Titelbild)/Uni Würzburg/Morpheus Space