So soll der Samen- und Eizellen-Satellit „Ark“ von Spacelife-Origin aussehen.

Die Zahl der Vorschläge, wie zumindest ein winziger Teil der Menschheit zu retten wäre, falls die Erde unbewohnbar wird, steigt. Der Technikenthusiast Elon Musk möchte den Mars besiedeln, andere wollen auf dem Mond landen.

Jetzt meldet sich die neu gegründete niederländische Biotechnikfirma Spacelife Origin mit einem verwegenen Plan zu Wort. Über Samen-Eizellen-Satelliten samt künstlicher Befruchtung im All soll das Überleben der Menschheit gesichert werden. Im Jahr 2024 soll sogar das erste Baby im Weltraum geboren werden. Eine Preisliste für die Erdumkreisung von Samen und Eizellen gibt es auch schon.

Das vom Unternehmer Kees Mulder gegründete Startup macht zunächst den Erdenbewohnern Angst. Kollisionen mit Asteroiden, gigantische Vulkanexplosionen, die Überbevölkerung, Erderwärmung oder künstliche Intelligenz könnten schon in 100 Jahren zu einer unbewohnbaren Erde führen, heißt es. Daher müsse das Überleben der Menschheit durch künstliche Fortpflanzung sowie Geburten im All gesichert werden.

Die junge Biotechnikfirma, die angeblich bereits drei Jahre heimlich an dem Projekt arbeitet, schlägt ein dreistufiges Konzept vor. Im ersten Schritt sollen ab 2020 männliche Samen und weibliche Eizellen in patentierten Satellitenkugeln mit je 1000 Röhrchen ins All geschossen werden. Die Samen plus Eizellen würden verwendet, um die Erde nach einer Katastrophe wieder zu bevölkern, oder für den Aufbau von Kolonien auf dem Mond und Mars.

Zweifel an den Sicherheitsregeln

Das Ziel sei zwar ein vielfältiger Genpool. Allerdings würden anfangs 75 Prozent der Kapazitäten verkauft. Die Firma schätzt, dass weltweit mindestens 30 Millionen Menschen Interesse daran haben, dass ihre Gene weiterleben. Geplant sei auch die Zusammenarbeit mit Zentren für künstliche Befruchtung (IVF-Kliniken).

In einem zweiten Schritt will die Firma bis 2021 die Technologie für eine künstliche Befruchtung einer Eizelle im All realisieren, in einem „Space Embryo Incubator“. Nach der Retortenbefruchtung im All folgen die Schwangerschaft und Geburt dann auf der Erde. Als dritten Entwicklungsschritt sagt die Firma bis 2024 die erste Geburt eines Babys im Weltraum voraus.

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Die Pläne stoßen in der Fachwelt jedoch auf große Skepsis. So erklärt die Raumfahrtexpertin Claudia Kessler, die daran arbeitet, die erste deutsche Astronautin ins All zu bringen: „Das Konzept ist im Prinzip interessant und natürlich diskutiert man unter Raumfahrern immer mal darüber, wie das Weiterbestehen der Menschheit im All sichergestellt werden könnte. Aber der Zeitplan, den sich Spacelife Origin da vorstellt, ist sicher sehr unrealistisch und die Umsetzung sowohl technisch als auch ethisch sehr infrage zu stellen.“

In der Fachwelt gibt es auch Zweifel an den Sicherheitsregeln. Vieles erscheint unrealistisch oder hochriskant. So soll für die Weltraumgeburt die hochschwangere Frau nur zu einem 24-bis-36-Stunden-Kurztrip ins All fliegen, dort von Ärzten begleitet ihr Kind gebären und anschließend zur Erde zurückkehren.

Schwangere sollen auf Kurztrip ins All

Die niederländische Firma behauptet forsch, es sei möglich, die medizinischen und technischen Risiken auf ein Niveau unter einer Klinikgeburt in einem westlichen Krankenhaus zu senken. So dürften als Astronautenmütter nur Frauen ins All, die bereits zwei Kinder ohne Komplikationen geboren haben.

Wie abenteuerlich die Ideen sind, zeigt sich auch daran, dass keine Angaben gemacht werden, mit welcher Rakete die Hochschwangeren in den Weltraum gelangen sollen, in welcher Raumstation es überhaupt Platz und die Genehmigung für eine Geburt gäbe. „Wir arbeiten mit verschiedenen Unternehmen, Forschungsinstituten und Universitäten“, erklärt Firmenchef Mulder. Zwei Beispiele seien Paragon Space Development Corporation oder Orion Span, die mit Plänen für Hotels im All für Aufsehen sorgten.

Spacelife-Origin-Gründer Mulder hat jedenfalls viel vor. Er ist zwar 62 Jahre alt, aber er fühle sich wie 40 und habe viel Energie, erklärt er auf Anfrage. Er möchte der Menschheit etwas zurückgeben – aber er sei auch Geschäftsmann.

Daher gibt es bereits eine Preisliste. Zwischen 30.000 und 125.000 Dollar soll der Transport von Samen oder Eizellen ins All kosten. Die künstliche Befruchtung im All im „Space Embryo Incubator“ wird auf 250.000 Dollar bis fünf Millionen Dollar veranschlagt. Was die Geburt im All kosten wird, steht noch nicht fest. Die Missionskosten werden auf lediglich 40 bis 80 Millionen Dollar veranschlagt.

Weder Raumfahrtexperte noch Mediziner

Die Firma verweist darauf, dass viele Paare erst durch künstliche Befruchtung Nachwuchs bekommen können. Dies sei ein Fortschritt für die Menschheit. Zum Thema Sex im Weltraum erklärt Mulder, dass er schon in fünf Jahren damit rechne, wenn Weltraumtouristen ihre eigenen Räumlichkeiten hätten. Allerdings warnt er vor natürlichem Sex im All mit dem Ziel der Fortpflanzung. Dies hätte nicht akzeptable Risiken für das ungeborene Kind zur Folge.

Mulder ist dabei weder Raumfahrtexperte noch Mediziner, sondern eher ein Manager und Marketingfachmann. Jüngst hat er seine Weltraumgeburtsidee auf dem Kongress Harvest Summit in San Francisco vorgestellt. Es ist nicht das erste Startup von Mulder. Seit Jahren arbeitet er eng mit dem Ex-Kodak-Marketingchef Jeff Hayzlett zusammenarbeitet, der jetzt auch in Gremien von Spacelife Origin sitzt.

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Das visionäre Projekt weckt Erinnerungen an das 2011 ebenfalls aus den Niederlanden gestartete Vorhaben Mars One. Dabei ist eine Besiedlung des Roten Planeten durch Astronauten geplant, die nicht zur Erde zurückkehren würden. Es meldeten sich dennoch zahlreiche Freiwillige, die bereit wären, auf dem Mars zu sterben. Über eine börsennotierte Aktiengesellschaft wird der Trubel um das Projekt, etwa die TV-Rechte, kommerziell vermarktet und Geld eingesammelt.

Von der Ursprungsplanung mit der Landung von Menschen auf dem Mars 2022 ist inzwischen keine Rede mehr. Nun wird 2032 angepeilt, und es fehlt auch noch Geld für die schätzungsweise sechs Milliarden Dollar teure Mission. Daher bleibt auch abzuwarten, ob im Fortpflanzungsprojekt von Spacelife Origin tatsächlich 2020 Satelliten mit Samen und Eizellen von Menschen die Erde umkreisen.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt.de.

Bild: Spacelife Origin