Vom Kanu in den Chefsessel: Solvemate-Gründer Erik Pfannmöller (33)

Gerade leitet er sein drittes Unternehmen. Erik Pfannmöller studierte an der Leipziger Handelshochschule HHL, gründete anschließend den Groupon-Klon Teambon und den Sportartikel-Versender Mysportgroup. Letzterer wurde 2016 vom Konkurrenten 21sportsclub übernommen. Inzwischen ist Pfannmöller Geschäftsführer des Berliner Startups Solvemate, das Chatbot-Software für den Kundendienst von Unternehmen entwickelt.

Solvemate-Chatbots finden sich auf Webseiten und im Facebook-Messenger. Dort beantworten sie automatisiert Kundenanfragen. Die Mitarbeiter im Kundensupport müssten sich nur noch um die wirklich kniffeligen Fälle kümmern, findet das Startup. Die stets wiederkehrende Frage nach der höchstmöglichen Ausgabesumme am Geldautomaten gehört aus Pfannmöllers Sicht nicht dazu. Solvemate stattet nach eigenen Angaben etwa die Berliner Sparkasse und die Online-Parfümerie Flaconi mit Chatbots aus. Mindestens 500 Euro zahlen sie für den Dienst pro Monat. Hunderttausende Endkonsumenten nutzten die Bots monatlich, sagt Pfannmöller. Zu Umsätzen schweigt er. Im November erhielt Solvemate eine siebenstellige Finanzierung von Investoren.

Erik, gefühlt verstehen Chatbots nur selten wirklich, was man von ihnen will. Euer Bot gibt Nutzern Multiple-Choice-Fragen. Schränkt sie das in dem, was sie ausdrücken wollen, nicht zu sehr ein?

Nein. Das Feedback unserer Kunden ist sehr positiv. Das hat zwei Gründe: Unser Dienst ist erstens schnell. Endverbraucher bekommen in durchschnittlich zwölf Sekunden eine Antwort. Zweitens stellen wir die Fragen. Der Nutzer muss also nicht lange nachdenken und seine Frage formulieren. Er kann einfach loslegen. Dazu grenzen wir schlicht den Lösungsraum ein – wie bei einer Diagnose beim Arzt. Wenn das nicht klappt, wird der Chat an einen menschlichen Kundenbetreuer übergeben.

Wie häufig passiert das?

In weniger als 20 Prozent der Fälle.

Bei welchen Anfragen funktionieren eure Bots gar nicht?

Wir messen nach der Interaktion mit unseren Bots, die wir übrigens virtuelle Agenten nennen, die Zufriedenheit der Nutzer. Es gibt keinen signifikanten Unterschied in der Kundenzufriedenheit zwischen den Nutzern, die anrufen oder eine Mail schreiben und denen, die unsere Agents befragen.

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Wer nutzt Solvemate?

Einerseits junge Tech-Unternehmen, die für den Kundensupport gar keine Mail-Adresse oder Durchwahl mehr angeben. Andererseits etabliertere Unternehmen. Bei etablierten Firmen lösen wir typischerweise zehn bis 20 Prozent der Supportanfragen mit unseren Virtual Agents.

Für Mitarbeiter im Kundendienst sind das keine guten Nachrichten. Schließlich ersetzt ihr menschliche Arbeitskraft durch Roboter.

Es gibt Technologien, die die Arbeitswelt verändern. Auch im Kundensupport wird sich Einiges tun. Wer am Tag 20 Mal dieselbe Mail verschickt, der weiß, dass dieses Vorgehen keinen Spaß macht und ineffizient ist. Der virtuelle Agent übernimmt diese Aufgaben, während der Kundenberater sich auf komplexe Probleme konzentrieren kann. Unsere Erfahrung zeigt, dass die Mitarbeiter im Kundenservice durch einen virtuellen Agenten maßgeblich entlastet werden. Der Abbau von Arbeitsplätzen hängt dort also nicht direkt mit der Solvemate-Nutzung zusammen. Vielmehr werden die Kapazitäten effizienter genutzt.

Auf dem Chatbot-Markt gibt es Konkurrenten: Rasa aus Berlin, die Düsseldorfer von Cognigy oder das Münchner Start-up E-bot7 zum Beispiel. Was macht euch anders?

Rasa arbeitet mit natürlicher Sprache. Die ist sehr komplex, man hat es zum Beispiel mit Vertippern oder Dialekten zu tun. Da kommt es häufig vor, dass die Maschine nicht versteht, was der Mensch meint. Bei anderen Anbietern werden zum Teil statische Prozesse abgebildet. Bots kann man sich dort wie Entscheidungsbäume vorstellen, also strikt regelbasierte Systeme, bei denen nach dem Anklicken von Option A automatisch Option B angezeigt wird. Wir stehen dazwischen, indem wir die Komplexität natürlicher Sprache verhindern, aber dynamischer sind als ein starrer Entscheidungsbaum.

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Du hast die Leipziger Handelshochschule abgeschlossen, danach das Groupon-Copycat Teambon gegründet und verkauft. Außerdem bist du Gründer der Handelsgruppe Mysportgroup, die online mit Sportartikeln handelte. Wie kamst du auf Chatbots?

Ich habe schon mit zwölf meinen ersten PC zusammengeschraubt. An der Uni hatte ich meine besten Noten in Statistik. Eigentlich wäre ich gerne Programmierer geworden, dazu kam es aber nie. Als ich die Mysportgroup verlassen hatte, hat mich mein sportlicher Ehrgeiz gepackt und ich habe gesagt, ich gründe jetzt etwas, das zu mir passt. Ein Jahr lang habe ich dann zu Maschinellem Lernen recherchiert und bin darauf gekommen, dass Künstliche Intelligenz in Wettermodellen, Bildanalyseprogrammen und selbstfahrenden Autos steckt. Das hat mich so fasziniert, dass ich ein Unternehmen darauf aufgebaut habe.

Deine zweite Gründung, die Mysportgroup, entließ 2013 auf einen Schlag 30 von 100 Mitarbeitern. Die Shops der Gruppe wurden später verkauft. Heute gibt es die Marken nicht mehr. Befürchtest du manchmal, dass das auch bei Solvemate passieren kann?

Nein, hier läuft alles exakt nach Plan. Ich habe keine Bedenken. Das Tolle an Software ist, dass wir Jahresverträge mit unseren Firmenkunden haben. So können wir das Geschäft sehr gut planen.

2007 hast du mit zwei Teamkollegen den Weltmeistertitel im Kanuslalom geholt. Leistungssportlern und Gründern werden gerne gemeinsame Eigenschaften nachgesagt. Disziplin und Zielstrebigkeit beispielsweise. Was passt gar nicht zusammen?

Als Kanute gab es in meinem Umkreis immer nur Fair Play. Nicht so im Geschäftsleben: Da muss man brutal aufpassen, nicht übers Ohr gehauen zu werden.

Dein Bruder Stefan hat unter anderem den Wagniskapitalgeber Venture Stars gegründet, der auch an Solvemate beteiligt ist. Wird da an Weihnachten auch über etwas anderes als das Unternehmen geredet?

Mein Bruder hat eine ähnliche Vita wie ich: Er gewann eine Olympiamedaille im Kanuslalom, gründete mehrere Firmen und verkaufte eine. Wir tauschen uns wöchentlich aus. Er ist einer der wenigen Menschen, die zu 100 Prozent wissen, wie ich und meine Firma ticken. Mein zweiter Bruder ist auch Unternehmer, leitet einen mittelständischen Betrieb. Über Weihnachten werden wir alle gemeinsam ins Erzgebirge fahren. Klar, dass es da auch mal ums Business gehen wird.

Bild: Solvemate