Ich will doch nur Musik hören, die mir gut gefällt.

Plötzlich muss überall Blockchain eingebaut sein. Alleine die Erwähnung dieser Technologie kann den Wert eines Startups rasant steigen lassen. Die Verfechter von Blockchain glauben, dass sich das ganze Internet, die Politik und der ganze Rest durch diese Technologie dramatisch verbessern werden. Gegner sagen, es gäbe kaum einen Anwendungsfall, der sich nicht durch eine schlaue Datenbank unkomplizierter abbilden ließe. Trotzdem ist Blockchain jetzt auch im Musik-Streaming angekommen. 

Der Markt für Streamingdienste ist undankbar. Es gibt den überragenden Player Spotify, der den Markt derzeit beherrscht. Danach kommen Apple Music und Amazon und irgendwann vielleicht auch noch das neue Musik-Angebot von YouTube. Außerdem gibt es noch Deezer, das mit Personalisierung und kuratierten Angeboten punkten will, und Tidal, das Musik mit höherer Auflösung streamt und sich an Fans mit teuren Stereoanlagen oder Kopfhörern richtet. Wo ist da noch die Lücke für neue Anbieter?

Künstliche Intelligenz sorgt für Personalisierung

Der Streamingdienst Alissia aus München baut ein Produkt mit Blockchain und künstlicher Intelligenz und geht damit auch auf Kunden- und Investorenfang. „Ja, die beiden Buzzwords öffnen uns viele Türen“, sagt Gründer Bosco Bellinghausen, „doch im Endeffekt zählt, was wir vorzeigen können.“ Im Gespräch am Rande der Musikmesse Midem in Cannes hat er Gründerszene erklärt, wie er und sein Team die Technik einsetzen wollen.

Bellinghausen: „Im Gegensatz zu vielen da draußen, die immer nur von Blockchain reden, lief unser Alpha Produkt bereits im Jahr 2017 komplett auf einer privaten Blockchain. Künstliche Intelligenz sorgt bei uns für die nötige Personalisierung. Unser Ziel ist es, dass jeder Nutzer von uns eine eigene KI-Instanz bekommt und die Kommunikation zwischen unserem System und der individuellen KI durch Blockchain-Technologie abgesichert ist. Daten sollten bei dem verbleiben, der sie produziert hat. Und das wollen wir mit Hilfe von Blockchain gewährleisten.“

Als noch mit Tonträgern Geld verdient werden konnte

Okay. Personalisierung ist offenbar das Zauberwort. Hörer, die sich nicht in aller Tiefe mit Musik auskennen, sollen automatisch Musik bekommen, die sie noch nicht kennen und die zur aktuellen Situation und Stimmung passt. Auch die anderen Dienste arbeiten mit solchen Mechanismen. Aber Alessia will eigentlich kein Streamingdienst sein, sondern ein persönliches Radio mit dem richtigen Programm für jeden einzelnen Hörer.

Bellinghausen: „Wir haben eine Studie in Auftrag gegeben und der Großteil der Menschen hört immer noch Radio, weil die Mehrheit der Menschen keine Musikexperten sind und sie einfach nur eine bunte Mischung aus Musik und Informationen erhalten wollen. Ohne eine sich immer wieder wiederholende Songauswahl. Man braucht kein Musikexperte zu sein und es gibt keine nervige Müsliwerbung.“

Immer noch werden in Deutschland viele CDs verkauft. Viele Musiker verklären die Zeiten, als noch mit Tonträgern Geld verdient werden konnte. Die Beträge, die mit dem Streamen verdient werden, sind übersichtlich. Das liegt aber nicht so sehr an Spotify oder Apple Music. Es liegt an den Verträgen, die die Rechteinhaber, meistens Plattenfirmen oder Musikverlage, mit den Streamer gemacht haben.

Auch hier sieht Alissia-Gründer Bellinghausen ein Einsatzgebiet für Blockchain: „Blockchain-Technologie ermöglicht es auch, dass Künstler in einem Peer-2-Peer Netzwerk direkt bezahlt werden, ohne, dass sie etwas an Publisher, Rechteverwertungsgesellschaften und Labels abtreten müssen.“ Streaming funktioniert derzeit finanziell nur für große und bekannte Künstler. Die Mehrheit der unbekannteren, kleineren Bands kann nicht von der Vermarktung ihrer Musik leben. 

Als Nischenbewohner hat sich Alissia aber zunächst für einen personalisierten Musikservice entschieden. Bellinghausen: „Wenn man sich den Markt genau anschaut, dann kann jeder seine Nische finden und wir sehen diese in einem neuartigen, personalisierten Radio-Service.“ Ist der Einsatz von Blockchain und KI dafür zum jetzigen Zeitpunkt wirklich nötig? Wahrscheinlich nicht. Aber für einen frühen Einstieg in diese Technologie kann in diesem engen Markt durchaus eine Chance sein, um sich in ein paar Jahren von den Wettbewerbern abzusetzen und ein Geschäftsmodell darauf aufzubauen. Dafür muss man allerdings einen langen Atem haben. 

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