Weltraumflüge für Touristen: SpaceShip2 on Virgin Galactic bei einem Testflug über der Mojavewüste.

Millionen Touristen reisen jedes Jahr nach Apulien, den „Stiefelabsatz“ Italiens. Künftig aber sollen von hier auch Urlauber starten – zu extrem fernen Zielen. Der kleine Flughafen Tarent-Grottaglie könnte zur europäischen Startbasis für Weltraumreisen werden, wenn die Pläne des britischen Milliardärs Richard Branson Realität werden. Hier, am südöstlichen Zipfel Italiens, will er europäische Raumfahrtgeschichte schreiben.

Bislang wird der Airport mit seiner über drei Kilometer langen Piste von Militärs und für Frachtflüge genutzt. Er ist aber auch ein idealer Ort für den Start von Bransons Flieger „Cosmic Girl“. So nennt sein Unternehmen Virgin Orbit einen umgebauten Boeing-Jumbo-Jet, mit die Schwesterfirma Virgin Atlantic früher Touristen um die Erde geflogen hat – natürlich innerhalb der Atmosphäre. Der Jumbo soll künftig als fliegende Startplattform dienen, um eine Rakete mit Satelliten ins All zu befördern.

Zudem sollen von der italienischen Startbahn Spezialflugzeuge abheben, um Weltraumtouristen einen Schnupperflug in die Schwerelosigkeit zu bieten. Urlauber in der italienischen Sonnenregion könnten dann neben Besichtigungen und Badeausflügen ans Meer auch ins All abheben.

Die Rakete LauncherOne startet vom Jumbo-Jet Cosmic Girl

Der Kopf hinter den Plänen ist der 67-jährige Multiunternehmer Richard Branson. Er ist der Gründer der breit aufgestellten Virgin-Gruppe, die mit ihren bislang in den USA angesiedelten Weltraumprojekten künftig auch in Italien aktiv werden will.

Dazu zählen die US-Firmen Virgin Galactic, die bemannte Kurztrips in den Weltraum anbieten soll, und Virgin Orbit. Diese Firma will die große Rakete LauncherOne von Jumbo Cosmic Girl auf 15 Kilometer Höhe über die Wolken transportieren. Dort wird die Rakete abgeworfen und gezündet, um weiter ins All zu fliegen.

Die beiden Virgin-Firmen haben jetzt ein Bündnis mit der privaten italienischen Raumfahrtfirma Sitael geschlossen, um ihre ambitionierten Pläne voranzutreiben. Sitael gehört zur Hightech-Gruppe Angel des 59-jährigen Unternehmers Vito Pertosa mit über 1000 Beschäftigten.

Die Kooperation der Privatfirmen ist nur eines von vielen Projekten, mit denen derzeit risikofreudige Investoren und Unternehmer die Raumfahrt aufmischen. Unter dem Stichwort „New Space“ erlebt die Branche einen beispiellosen Umbruch, bei dem sich neben den großen staatlichen, eher schwerfälligen Raumfahrtstrukturen neue Firmen entwickeln.

Elon Musk und Jeff Bezos investieren in die Raumfahrt

Möglich wird das neue Zeitalter im Weltraum durch das Zusammenspiel von Digitalisierung, mutigen Investoren und neuen Technologien, die Raketenstarts deutlich billiger machen. Der Satellitenbau wandelt sich von einer Unikat- zur Serienfertigung. Herausragende Antreiber sind neben Branson der Multiunternehmer Elon Musk mit seiner Firma SpaceX und Amazon-Gründer Jeff Bezos mit seiner Raumfahrtfirma Blue Origin.

Sie investieren nicht nur aus Leidenschaft für die Raumfahrt, sondern auch weil die wirtschaftlichen Größenordnungen des „New Space“ gewaltig sind. Analysten von Goldman Sachs und Morgan Stanley erwarten, dass der jährliche Umsatz im Weltraummarkt von derzeit rund 350 Milliarden Dollar bis zum Jahr 2040 auf über eine Billion Dollar steigen wird.

Weltraumtourismus in diesem Zukunftsmarkt nur ein Segment – aber eines, in dem das Geschäft wohl schon bald beginnen wird.

Weltraumflüge für Touristen: SpaceShip2 on Virgin Galactic bei einem Testflug über der Mojavewüste.

Nach den früher vollmundigen Versprechungen des Unternehmers Branson sollten schon vor zehn Jahren Touristenkurztrips ins All beginnen. Doch es gab in der Vorbereitung Unfälle, Rückschläge und Verzögerungen.

Inzwischen finden wieder bemannte Virgin-Testflüge in Kalifornien statt, mit dem ungewöhnlichen Doppelrumpf-Transportflugzeug White Knight Two mitsamt dem Raketengleiter VSS Unity. Im US-Bundesstaat New Mexiko wurde zudem bereits ein eigener privater Weltraumbahnhof errichtet, der nunmehr langsam zum Leben erweckt wird.

Virgin Galactic hat schon 500 Reservierungen mit Anzahlung

Wann genau der erste zahlende Weltraumtourist in gut 100 Kilometer Höhe für ein paar Minuten Weltraumschwerelosigkeit erleben wird, steht noch nicht fest. Womöglich im nächsten Jahr, mit Start in den USA. Es gäbe weit über 500 Reservierungen mit Anzahlung, heißt es offiziell.

Künftig wird es dann mindestens drei Weltraumbahnhöfe mit Startpisten geben. In den USA, Italien und womöglich auch in Saudi-Arabien. Die Scheichs sind bereits mit Großinvestitionen in die Weltraumprojekte von Branson eingestiegen. Im Unterschied zu klassischen Raketen beginnen die Flüge von Virgin Galactic für Weltraumtouristen und Virgin Orbit für Satellitenstarts dabei horizontal – wie bei einer Reise mit dem Flugzeug.

Über den genauen Fahrplan der Raumfahrtmissionen mit Start in Apulien teilt Unternehmer Branson sicherheitshalber noch nichts mit. In den nächsten Monaten sollen die Möglichkeiten ausgearbeitet werden, heißt es. Ohnehin fehlen noch viele rechtliche Freigaben.

Was sagt Europas Luftsicherheitsbehörde EASA, wenn aus Italien Weltraumtouristen abheben oder über dem Mittelmeer Raketen gezündet werden? Für die Beamten ist das eine völlig neue Frage. In den USA hat die Flugaufsichtsbehörde FAA dagegen bereits grünes Licht für die Missionen gegeben.

Für politische Unterstützung in Europa sorgte Branson bereits vor der Unterzeichnung der Italien-Pläne in Apulien. Er zog den Chef von Italiens Raumfahrtbehörde, die neue Ministerin für Süditalien, Barbara Lezzi, und einen Vertreter der US-Botschaft hinzu. Auch das halbstaatliche Unternehmen Altec mit dem französisch-italienischen Raumfahrtkonzern Thales Alenia Space ist eingebunden. Ohne Rückendeckung der Behörden und der Politik wird nichts gehen, das weiß Branson.

Was jetzt noch fehlt, ist eine Online-Buchungsmöglichkeit für den Weltraumtrip aus Italien. Die Flüge in den USA kosten angeblich 250.000 Dollar.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt.de

Bild: Getty Images / Virgin Galactic